Der Standard

Licht- und Luftgeschä­fte

Vom harmlosen Stein über die vielverspr­echende Engelsesse­nz bis zum Meister des Lichts: Findige Anbieter haben für Heilsuchen­de jede Menge esoterisch­en Hokuspokus parat. Die Umsätze sind gewaltig, aber reich werden nur wenige.

- Regina Bruckner

Die Wünschelru­te aus Messing mit Kupfergrif­f ist auf Amazon um 27,90 Euro zu haben, ohne kostet sie halb so viel. Literaturv­orschläge werden gleich mitgeliefe­rt: Die Kunst der Radiästhes­ie: Erdstrahlu­ngen, Elektrosmo­g & Wasserader­n aufspüren und harmonisie­ren schlägt der Algorithmu­s etwa vor – als Taschenbuc­h um wohlfeile 9,95 Euro. Der Verlag verspricht viel: „Mithilfe der neuen Methode der Energierei­nigung können wir (...) energetisc­h, mental und körperlich gesunden.“

Auch an Heiltherap­ien Interessie­rte werden fündig – bei Titeln wie Geistheilu­ng ist erlernbar oder Der Healing Code: Die 6-MinutenHei­lmethode. In den Einkaufsko­rb legen könnte man dazu Engelsesse­nzen mit klingenden Namen wie „Erzengel Valeoel“zum Preis von knapp 26 Euro für ein 100Millili­ter-Fläschchen.

Mehr als 100.000 Ergebnisse spuckt alleine der deutsche Ableger von Amazon beim Schlagwort Esoterik aus. Was geboten wird, gibt es auch in spezialisi­erten Online-Shops oder altmodisch im stationäre­n Handel. 60 der 34.000 Einzelhand­elsbetrieb­e in Wien vertreiben Esoterikar­tikel. Engelsfigu­ren, Duftöle, Schmuck, Literatur, Steine, oft eine wilde Mischung aus Wellness, Lebensbera­tung, Lifestyle und religiös bis fanatisch anmutenden Heilsversp­rechen. Mit einschlägi­gen Büchern ist jede Buchhandlu­ng gut bestückt.

Wovon Menschen träumen

Wer erforschen will, was in Sachen Esoterik angesagt ist, ist bei Amazon gut aufgehoben. Einblicke, wie viel mit esoterisch oder spirituell angehaucht­en Produkten erwirtscha­ftet wird, gibt es auf Anfrage zwar nicht, wohl aber lässt der Besuch der Seite Schlüsse zu: darauf, wovon Menschen träumen, was sie hoffen – und wie findige Anbieter Bedürfniss­e wecken und befriedige­n wollen.

Dass sich mit Esoterik reales Geld machen lässt, daran gibt es keinen Zweifel. Auf gut 20 Milliarden Euro schätzte etwa der deutsche Trendforsc­her Eike Wenzel das jährliche Umsatzvolu­men in Deutschlan­d – doppelt so groß wie jenes der Brauereiwi­rtschaft. Aber während einzelne dicke Fische mit Hokuspokus reich werden, müssen sich die meisten Anbieter mit Kleingeld zufriedeng­eben.

„Wir lachen uns bei solchen Zahlen tot“, sagt Antje Radspieler zu der 20-Milliarden-Schätzung. Sie arbeitet für die ESO-Team Messe- und Kongress GmbH, den Veranstalt­er der „Spirituali­tät und Heilen“-Messe an diesem Wochenende in der Wiener Stadthalle. Dort würden Kleinstunt­ernehmer ausstellen: Tarotkarte­nleger, Auraberate­r, Handleser – alles sehr familiär. 80 Aussteller kommen, rund 2000 Gäste werden erwartet.

Fette Gagen würden hier nicht erwirtscha­ftet, sagt sie. Die verortet Radspieler eher bei Anbietern wie der Berliner Questico. Das Unternehme­n macht mit TV-Astrologie­shows und Telefonber­atungen freiberufl­icher Hellseher gute Gewinne – und das auch auf Kosten abgezockte­r Konsumente­n. Vor Jahren wurde ein Fall bekannt, wo eine Deutsche über Monate Beistand bei einer einschlägi­gen TV-Show suchte und dabei 38.000 Euro vertelefon­ierte.

Mit solchen Anbietern will Radspieler nicht in einen Topf gewor- fen werden. Was Besucher der Messe suchen, formuliert sie so: „Die Menschen sind mit materialis­tischen Gedankengä­ngen zunehmend unzufriede­n.“

Selbstausb­eutung

Das bestätigt der Tiroler Psychologe Johannes Fischler. „Das Schräge ist: Die Leute wollen mit Esoterik aus dem Kapitalism­us ausbrechen und beuten – angekommen im Psycho-Kapitalism­us – sich selbst aus“, sagt er. In seinem Buch New Cage: Esoterik 2.0, wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt erkundet Fischler Engelswelt­en, Energiespr­ays und Lichtkörpe­r. Die Umsatzschä­tzung von 20 Milliarden Euro erscheint ihm keineswegs zu hoch gegriffen.

Der Grat zwischen harmlosem Schnicksch­nack und grobem Unfug ist oft schmal. Fischlers Urteil über die gesamte Branche ist dennoch hart: Sie nutze die Not vieler Menschen schamlos aus. Im Blick hat er dabei nicht die Wünschelru­tengänger, die er für harmlos hält, sondern „selbsterna­nnte Energiehei­ler oder vermeintli­che Quantenmed­iziner“.

Daneben gebe es aber noch ganz andere Kaliber, die Leute „gezielt süchtig machen“. Auf Internetpl­attformen werden Kurse für Lichtschul­en aller Art geboten, mit Meditation­s-CDs und Zertifikat­en bis zum Meistergra­d – via Abonnement. Der Weg zur Erleuchtun­g ist dabei mit monatlich 150 bis 200 Euro nicht ganz billig. Dafür bildet man bald selbst Zöglinge aus. Für Fischler ist das ein typisches Pyramidens­piel. Was ihn aber besonders ärgert: „Energetisc­he Reinigungs­sprays kann ich mittlerwei­le in vielen Apotheken kaufen.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria