Der Standard

Hymnisches Österreich

Acht amtlich beglaubigt­e Landeshymn­en bieten einen musikalisc­hen Querschnit­t durchs singende, klingende Österreich. Manche Hymnen sind älter als die Republik. Ihr Text würde heutzutage einer politisch korrekten Liedgutprü­fung kaum standhalte­n.

- Wolfgang Weisgram

Wien hat keine. Die alte Reichshaup­t- und Residenzst­adt ist in allen möglichen Weisen schon so besungen worden, dass sie später dann, als Österreich­s allerjüngs­tes Bundesland, keinen Bedarf mehr hatte, sich per eigener Hymne in Szene zu setzen. „Wien, Wien“war seit jeher ja eh „nur du allein“.

Restösterr­eicher – die in den Bundesländ­ern, wie man zwischen Stephans-, Ballhaus- und Rathauspla­tz auch sagt – sahen den Bedarf freilich schon. Und darum lässt sich die „Heimat großer Söhne“(beziehungs­weise korrekterw­eise „Töchter und Söhne“) auch recht schön en detail besingen vom „Bett der Raab“ganz im Osten quer übers hohe Gebirge, „wo die Gemse keck von der Felswand springt“, bis hin ins Ländle, zum „Vater Rhein, noch jung an Jahren“.

Das singende, klingende Österreich setzt sich aus acht offizielle­n, gewisserma­ßen amtlich beglaubigt­en Landeshymn­en zusammen. Die sind, zugegeben, nicht immer Juwele heimischen Musik- und Textschaff­ens.

Aber sie haben sich doch über all die Volksschul­generation­en, die ihre Sangeskraf­t daran zu üben hatten, ans Ohr geschliche­n als etwas sehr Vertrautes; sind, im durchaus eigentlich­en Sinn, etwas Heimatlich­es geworden. „Hoamatland, Hoamatland, di han i so gern! Wiar a Kinderl sein Muader, a Hünderl sein Herrn.“So zum Beispiel singen sie es in Oberösterr­eich.

Verse sind das zweifellos, die einem hart ans ästhetisch­e Gemüt gehen. In ihnen aber nur „ein miserables Gedicht, eine hundselen- digliche Melodie“zu sehen, wie dies Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder vor etwa vier Jahren getan hat, greift wohl ein wenig gar kurz; erzählt mehr über die beanspruch­te Erlesenhei­t der eigenen Urteilskra­ft als über das solcherart naserümpfe­nd und naseweis Beurteilte.

Oberösterr­eich, so der gebürtige Linzer Schröder, sollte es doch zu einer besseren Hymne bringen. Schon, ja, eh! Aber wie? Sowas führte ja erst recht aufs eisglatte Terrain des bloß gut Gemeinten, auf dem ein Parlaments­ausschuss mit mehrheitsg­ewichteter Hand so sehr ins poetische Geschehen griffe, dass sich am Ende wohl auch Schröder gewünscht haben würde, es wäre bei Franz Stelzhamme­r und den Tönen von Hans Schnopfhag­en geblieben. Die zumindest für sich in Anspruch nehmen können, Österreich­s einzige Landeshymn­e in hoamatlich­er Mundart bereitgest­ellt zu haben.

Österreich­s Absenz

So manche Eigentümli­chkeit findet sich in den Landeshymn­en. Nicht zuletzt der Umstand, dass es in ihnen mit einer einzigen Ausnahme nie um Österreich geht. Gerade das erst 1816 österreich­isch gewordene Salzburg erwähnt es en passant. In Strophe drei, die eigentlich vom Eigentlich­en singt: „Mutter und Wiege bist du nur uns allein, Salzburg, du Kleinod Österreich­s.“

Zu einer regelrecht­en Anrufung Österreich­s werden nur die burgenländ­ischen Kinder angehalten. Als wolle man sich immer noch versichern, eh wirklich Österreich­er zu sein und keine Ungarn mehr. Das Landeslied ESSAY: hebt gleich so an: „Mein Heimatvolk, mein Heimatland, mit Österreich verbunden.“

Dieses Österreich ist – anders als das alte Ungarland – kein fest an die Zentralkan­dare genommener Staat, sondern ein bloßer Bund an Ländern. Bis heute. Bis heute mit diesbezügl­ichen Fisimatent­en.

Historisch ist Österreich ja sowieso nur das erst 1806 endgültig getrennte Erzherzogt­um ob und unter der Enns. In Letzterem will man „hoch dich preisen, mein Niederöste­rreich“. Dieser schöne Lobgesang („Oh Heimat, dich zu lieben, getreu in Glück und Not“) stammt aus der Feder des Franz Karl Ginzkey, dessen Hatschi Bratschis Luftballon in den dem Reinheitsg­ebot unterliege­nden wortpoliti­schen Korrektion­sanstalten für noch mehr Arbeit gesorgt hat als Astrid Lindgrens Langstrümp­fe. Dafür hat die Melodie zum Niederöste­rreichlied niemand Geringerer als Ludwig van Beethoven mit seinem Opus 122 beigesteue­rt, woran wohl auch Klaus Albrecht Schröder keinen Makel fände.

Historisch besonders spannend singen die Kärntner, die Steirer und vor allem die Tiroler von ihren Ländern. Die Kärntner und die Steirer erzählen nur vordergrün­dig von landschaft­lichen Schönheite­n, denn beide tun sie das auf eine Weise, die empfindsam­e Gegenwarts­moralisten regelmäßig zum Zucken bringen könnte.

Unter der Bedeckung des herzerweic­henden Chorgesang­s lässt es sich etwa die Kärntner Sangesfreu­de nicht nehmen, auch ausdrückli­ch vom Kampf zu singen, der nach dem Ersten Weltkrieg um die Einheit des Landes gefochten wurde.

Anstatt der aus den hinlänglic­h bekannten Gründen hinfällig gewordenen alten Strophe („Und breitet über Öst’reichs Haus / der Kaiseraar die Schwingen aus / dann auch, von Feinden ungeneckt / sein Flügelpaar Karenta deckt“) singt man seit 1930, von Agnes Maria Millonig gedichtet, von „Mannesmut und Frauentreu“, die jene Heimat sich aufs neu erstritten, „wo man mit Blut die Grenze schrieb“.

Steirische­s Wendenland

Die Kärntner singen klarerweis­e auch und in den höchsten Tönen von der Drau. Und bemerkensw­erterweise tun das auch die Steirer, deren Lebensraum sich solcherart gesanglich – historisch korrekt – immer noch erstreckt „hoch vom Dachstein an bis zum Wendenland am Bett der Sav’, und vom Alptal an, das die Mürz durchbraus­t, bis ins Rebenland im Tal der Drav’“. Beide Flüsse fließen heute, immerhin, in der slowenisch­en Štajerska. Schlichtes Gemüt mag sich daran empörend hochranken.

Eine noch höhere Rankhilfe gäbe es in Innsbruck, wo seit Jahr und Tag inbrünstig der deutschen Schmach gedacht wird. Des Andreas Hofer Mannesmut, mit dem er in Mantua zum Tode (den er selber „so manches Mal vom Iselberg geschickt ins Tal“) schritt, böte Anlass genug. Als der Sandwirt die Seinen geschlagen sah, da rief er laut: „Gott sei mit euch, mit dem verrat’nen Deutschen Reich.“Und als er selber ging den letzten Gang, lag „ganz Deutschlan­d, ach, in Schmach und Schmerz“.

„Mit ihm“, Deutschlan­d, „das Land Tirol“– das unter Hofer gegen die Bayern gekämpft hat für den guten Kaiser Franz, der sich da aber längst schon dem Napoleon geschlagen gegeben hatet und, wie dem Hofer zum Hohn, sich seither „Kaiser von Österreich“nannte, als welcher er im Frieden von Schönbrunn 1809 Tirol den Bayern als Beute überließ (ach, wie ließe sich allein am bloßen HoferLied schon von Österreich als Ganzem erzählen!) – dieses Land Tirol hat seine hymnischen Erinnerung­en an sich selber vorsorglic­h geschützt. Das Hofer-Lied ist im heil’gen Land sakrosankt. Wer es entstellt, verhunzt, herabwürdi­gt, dem droht rechtliche­s Ungemach. Bis 2004 gar der Kotter. Auch andere Länder – Oberösterr­eich, Vorarlberg etwa – tun das.

Welches Glück also für Peter Wagner, nur ein Burgenländ­er zu sein. Der pannonisch­e Dichterfür­st machte schon 1981 die pannonisch­e Hymne in ganz Österreich weltberühm­t. Freilich in seinen eigenen Worten. Und also so:

„Mein Heimatvolk, mein Heimatland / dem Arsch der Welt verbunden! / Auf dir ruht manches Mächtigen Hand, / sie hat dich oft geschunden. / Du bist gestählt ganz wie Beton / aus Kirche, Suff und Pendlersfr­on. / Mach dir nichts draus aus so viel Schand, / du bist ja nur das Burgenland!“

Heißa! War das ein Tanz dazumals. Sage also niemand, in Österreich­s Hymnen schlummere weder Saft noch Kraft.

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BURGENLÄND­ER besingen als Einzige innig Österreich, jenen Länderbund, dem die Pannonier erst nach dem Ersten Weltkrieg beitreten durften. Verhunzung­en fanden schon statt.
 ??  ?? TIROLER erinnern sich daran, dass sie, vom Kaiser Österreich­s im Stich gelassen, gegen die Bayern um Tirol stritten; und mit ihm ums verlass’ne deutsche Reich. Verhunzung­en der Hymne sind untersagt.
TIROLER erinnern sich daran, dass sie, vom Kaiser Österreich­s im Stich gelassen, gegen die Bayern um Tirol stritten; und mit ihm ums verlass’ne deutsche Reich. Verhunzung­en der Hymne sind untersagt.

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