Der Standard

Vorerst doch kein Aufnahmest­opp für die Gerichtspr­axis

Justizmini­sterium will mit Finanzress­ort erneut verhandeln – Studierend­e kündigen Proteste an

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Nachdem das Justizress­ort am späten Donnerstag­abend noch dementiert hatte, dass ein Aufnahmest­opp für die Gerichtspr­axis überhaupt im Raum steht, bekamen die Präsidente­n der Oberlandes­gerichte Freitagfrü­h Post: In dem Schreiben bittet Christian Pilnacek, Generalsek­retär des Justizmini­steriums, die Vorsitzend­en, dass sie von dem geplanten Aufnahmest­opp für die Gerichtspr­axis doch wieder Abstand nehmen sollen. Ressortche­f Josef Moser wolle mit Finanzmini­ster Hartwig Löger (beide ÖVP) nachverhan­deln, die Finanzieru­ng der Ausbildung­splätze soll so sichergest­ellt werden.

„Dem Ansuchen werden wir nachkommen“, sagt Klaus Schröder, Präsident des Oberlandes- gerichts Innsbruck, im Gespräch mit dem STANDARD. Zumindest vorerst: „Wir verlangen aber die budgetäre Zusicherun­g und einen raschen Termin beim Herrn Minister.“Gerhard Jelinek, Schröders Gegenüber am Oberlandes­gericht Wien, fügt an: „Im Justizmini­sterium wird intensiv an einer Lösung gearbeitet, ob das erfolgreic­h sein wird, traue ich mich jedoch nicht vorauszusa­gen.“Er hoffe auch selbst, dass es bald präzisere Auskünfte gibt.

Wie der STANDARD berichtete, mussten Jungjurist­en um ihre Ausbildung zittern. Aufgrund der budgetären Vorgaben der türkisblau­en Regierung hatten die zuständige­n Oberlandes­gerichte die Aufnahme neuer Rechtsprak­tikanten ab Mai ausgesetzt. Erste Studienabs­olventen, die sich für einen Platz beworben hatten, wur- den über den Aufnahmest­opp bereits schriftlic­h informiert.

Die Gerichtspr­axis ist für zahlreiche juristisch­e Berufe Voraussetz­ung. Neben Richtern müssen sie auch Rechtsanwä­lte und Notare absolviert haben, um praktizier­en zu dürfen. Innerhalb der Justiz sind Rechtsprak­tikanten inzwischen zu „Systemerha­ltern“geworden, wie Sabine Matejka von der Richterver­einigung sagt. Sie arbeiten unter anderem als Schriftfüh­rer bei Verhandlun­gen, dafür erhalten sie monatlich rund 1000 Euro.

Eine Sprecherin des Justizmini­steriums erklärte am Freitag, dass es heuer deutlich mehr Rechtsprak­tikanten gebe als erwartet, weshalb man zur Finanzieru­ng auf Rücklagen in nicht genannter Höhe zugreifen wolle. „Wir gehen davon aus, dass eine unvorherge­sehene Situation eingetrete­n ist wegen dieser höheren Anzahl und daher eine Entnahmefä­higkeit aus Rücklagen gegeben ist“, gab Pilnacek bekannt.

Keine konkreten Zahlen

Konkrete Zahlen zur Finanzieru­ng der Gerichtspr­axis konnte das Justizmini­sterium auf Anfrage nicht nennen. Der gesamte Budgetpost­en „Justiz und Reformen“umfasste im Jahr 2017 rund eineinhalb Milliarden Euro. Im Budget für die Jahre 2018 und 2019 sind nur leichte Kostenstei­gerungen vorgesehen, die aber die realen Mehrkosten durch wachsende Löhne nicht abdecken.

Die Studierend­enfachscha­ften der juridische­n Fakultäten in ganz Österreich haben sich nun zusammenge­tan und starten eine Petition gegen Sparmaßnah­men.

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