Vorerst doch kein Aufnahmestopp für die Gerichtspraxis
Justizministerium will mit Finanzressort erneut verhandeln – Studierende kündigen Proteste an
Wien – Nachdem das Justizressort am späten Donnerstagabend noch dementiert hatte, dass ein Aufnahmestopp für die Gerichtspraxis überhaupt im Raum steht, bekamen die Präsidenten der Oberlandesgerichte Freitagfrüh Post: In dem Schreiben bittet Christian Pilnacek, Generalsekretär des Justizministeriums, die Vorsitzenden, dass sie von dem geplanten Aufnahmestopp für die Gerichtspraxis doch wieder Abstand nehmen sollen. Ressortchef Josef Moser wolle mit Finanzminister Hartwig Löger (beide ÖVP) nachverhandeln, die Finanzierung der Ausbildungsplätze soll so sichergestellt werden.
„Dem Ansuchen werden wir nachkommen“, sagt Klaus Schröder, Präsident des Oberlandes- gerichts Innsbruck, im Gespräch mit dem STANDARD. Zumindest vorerst: „Wir verlangen aber die budgetäre Zusicherung und einen raschen Termin beim Herrn Minister.“Gerhard Jelinek, Schröders Gegenüber am Oberlandesgericht Wien, fügt an: „Im Justizministerium wird intensiv an einer Lösung gearbeitet, ob das erfolgreich sein wird, traue ich mich jedoch nicht vorauszusagen.“Er hoffe auch selbst, dass es bald präzisere Auskünfte gibt.
Wie der STANDARD berichtete, mussten Jungjuristen um ihre Ausbildung zittern. Aufgrund der budgetären Vorgaben der türkisblauen Regierung hatten die zuständigen Oberlandesgerichte die Aufnahme neuer Rechtspraktikanten ab Mai ausgesetzt. Erste Studienabsolventen, die sich für einen Platz beworben hatten, wur- den über den Aufnahmestopp bereits schriftlich informiert.
Die Gerichtspraxis ist für zahlreiche juristische Berufe Voraussetzung. Neben Richtern müssen sie auch Rechtsanwälte und Notare absolviert haben, um praktizieren zu dürfen. Innerhalb der Justiz sind Rechtspraktikanten inzwischen zu „Systemerhaltern“geworden, wie Sabine Matejka von der Richtervereinigung sagt. Sie arbeiten unter anderem als Schriftführer bei Verhandlungen, dafür erhalten sie monatlich rund 1000 Euro.
Eine Sprecherin des Justizministeriums erklärte am Freitag, dass es heuer deutlich mehr Rechtspraktikanten gebe als erwartet, weshalb man zur Finanzierung auf Rücklagen in nicht genannter Höhe zugreifen wolle. „Wir gehen davon aus, dass eine unvorhergesehene Situation eingetreten ist wegen dieser höheren Anzahl und daher eine Entnahmefähigkeit aus Rücklagen gegeben ist“, gab Pilnacek bekannt.
Keine konkreten Zahlen
Konkrete Zahlen zur Finanzierung der Gerichtspraxis konnte das Justizministerium auf Anfrage nicht nennen. Der gesamte Budgetposten „Justiz und Reformen“umfasste im Jahr 2017 rund eineinhalb Milliarden Euro. Im Budget für die Jahre 2018 und 2019 sind nur leichte Kostensteigerungen vorgesehen, die aber die realen Mehrkosten durch wachsende Löhne nicht abdecken.
Die Studierendenfachschaften der juridischen Fakultäten in ganz Österreich haben sich nun zusammengetan und starten eine Petition gegen Sparmaßnahmen.