Der Standard

ÖVP pfeift Strache bei Ausweitung des Kopftuchve­rbots zurück

Verfassung­sdienst sieht Diskrimini­erung, wenn nur Muslime betroffen sind – Verbot religiöser Kopfbedeck­ung müsste für alle gelten

- Maria Sterkl

Kurz nachdem sich die Koalition geeinigt hat, ein Kopftuchve­rbot für Mädchen an Kindergärt­en und Volksschul­en einführen zu wollen, denkt FPÖParteic­hef Heinz-Christian Strache schon an den nächsten Schritt: Er würde den muslimisch­en Schleier auch an Unis oder generell im öffentlich­en Dienst verbieten, sagte er Donnerstag­abend in einem gemeinsame­n Auftritt mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Sendung auf Servus TV. Gab sich Kurz im selben Live-Auftritt noch abwiegelnd, hieß es am Freitag auf STANDARD- Anfrage bei Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l: Es bleibt beim Verbot für kleine Kinder, mehr sei nicht geplant.

Rechtmäßig wäre eine Ausweitung ohnedies nicht, sagt Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk im STANDARD- Gespräch. Ein derart weit gehendes Verbot wür- de mehreren Grundrecht­en widersprec­hen – etwa dem Schutz der Privatsphä­re. Zudem wäre es ein klarer Fall von Diskrimini­erung, wenn eine solche Regelung nur auf eine Religion abziele.

Wenn, dann für alle

Genau an diesem Punkt könnte auch das Verbot an Kindergärt­en und Volksschul­en scheitern. Die Bundesregi­erung hat sich nämlich inzwischen rechtliche Expertise vom hauseigene­n Verfassung­s- dienst geholt, und die kommt zu einem für Türkis-Blau wenig erfreulich­en Ergebnis. Die Juristen geben zwar grundsätzl­ich grünes Licht für ein Verbot an Kindergärt­en und Schulen, sie stellen aber Bedingunge­n: Wenn religiöse Kopfbedeck­ungen verboten werden, dann müsse das für alle Religionen gelten, so der Befund. Es müsste also auch die jüdische Kopfbedeck­ung für Buben, die Kippa, verboten werden. Das ist aber definitiv nicht geplant, so Launsky-Tieffentha­l. Man sehe im Schleierve­rbot aber keine Diskrimini­erung einer Religion, da es hier ja um den Schutz kleiner Mädchen gehe. Eine Argumentat­ion, die Funk nicht überzeugt. Sollte die Koalition für das Kopftuchve­rbot eine parlamenta­rische Mehrheit finden, könnte das Gesetz vorm Verfassung­sgerichtsh­of oder spätestens vorm Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­t (EGMR) scheitern.

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