Der Standard

Irische Terroriste­n, Druiden, Elfen, ein grüner Teufel und Dr. L.

Protokolle von Zeugenvern­ehmungen, die im ersten Prozess gegen den Landarzt L. nicht zugelassen wurden, zeichnen ein bizarres Bild

- Colette M. Schmidt

Wien/Graz – In eineinhalb Wochen wird der steirische Arzt Eduard L., dem seine heute erwachsene­n vier Kinder vorwerfen, sie gequält zu haben, wieder vor Gericht erscheinen. Allerdings nicht als Angeklagte­r, sondern als Zeuge.

Angenehm dürfte das Verfahren, zu dem L. nun als Zeuge geladen ist, aber trotzdem nicht für ihn werden. Darin muss sich eine Frau, die L. im ersten Prozess schwer belastet hätte, aber wie auch andere Zeugen nicht zugelassen wurde, wegen Falschauss­age verantwort­en. Die Frau, H., deren Tochter ein Verhältnis mit dem Arzt hatte, und deren Mann sich mit einer Schusswaff­e umgebracht haben soll, sagte nämlich mehrmals in der Causa L. aus.

Zuerst 2014 und 2015 entlastete sie den Arzt. Dann ging sie im November 2016, also vor dem 2017 geführten Prozess gegen L., auf eigene Faust auf das Polizeire- vier im oststeiris­chen Hartberg, um ihre bisher getätigten Aussagen komplett zu revidieren. H. habe diese zuvor „unter Druck“des Arztes getätigt und habe Angst vor ihm. Für die ersten entlastend­en Aussagen muss sie nun vor Gericht.

Der umstritten­e Freispruch des Landarztes im Herbst 2017 in erster Instanz hielt, wie berichtet, nicht. Der Termin für die Berufungsv­erhandlung am Oberlandes­gericht Graz ist noch nicht bekannt. Fest steht nur, dass das Verfahren trotz Delegierun­gsantrages der Kinder in Graz bleiben wird.

Protokolle der Angst

Die Protokolle der Aussagen der Frau und anderer Zeugen liegen dem Standard vor. Die Frau spricht gegenüber der Polizei von „panischer Angst“, die sie und eine weitere Frau, die sich ihr angeblich anvertraut habe und die dem Beschuldig­ten nahestehe, vor diesem hätten. Von „Todes- angst“ist da die Rede, von den „zwei Gesichtern“des Mannes, von einer Pistole, die er ihr gezeigt habe, und immer wieder von seinen Bemerkunge­n, dass er über Sprengstof­f verfüge und seiner ExFrau nach dem Leben trachte. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Im Zusammenha­ng mit Sprengstof­f soll L., dessen Bruder ein bekannter ÖVP-Politiker ist, auch behauptet haben, als Student bei der IRA (Irisch Republikan­ische Armee) gewesen zu sein. Außerdem kenne er Druiden und sehe Elfen und einen „grünen Teufel“. Die Elfen sollen auf Blumen, der Teufel auf seinem Bauch gesessen haben.

Auch die Tochter der Frau, die Ex-Geliebte des Arztes hatte belastende Dinge zu Protokoll gegeben, war aber 2017 ebenfalls nicht als Zeugin zugelassen worden – der Standard berichtete. Beide Frauen behaupten auch, der Arzt habe ihnen Drogen angeboten bzw. verabreich­t. Die Anwältin der Kinder von Dr. L., Andrea Peter, hatte die Frau als Zeugin geladen, gemeinsam mit einigen anderen, die den Angeklagte­n belasteten.

Langwaffe und Drogen

Darunter ein Jäger, bei dem sich L. über Langwaffen mit großer Reichweite erkundigt habe, eine ehemalige Mitarbeite­rin seiner Ordination, die gekündigt habe, weil sie den Arzt durch seinen Drogenkons­um als fehleranfä­llig beobachtet­e, eine Haushälter­in der Familie, die sexuelle Belästigun­g durch L. und Angst vor ihm beschrieb. Als Peter merkte, dass ihre Zeugen nicht vorgeladen werden, habe sie alle Protokolle in das Verfahren eingebrach­t. Doch sie wanderten in den Verschluss­akt.

Das erscheint besonders bemerkensw­ert, da der Richter, Andreas Rom, vielen Schilderun­gen der Kinder und der Ex-Frau von L. keinen Glauben schenkte, da er die Causa als „Rosenkrieg“abtat. Nicht verwandte Belastungs­zeu- gen wurden aber nicht gewürdigt.

„Dass die Zeugin H. erst jetzt wegen Falschauss­age vor Gericht steht, legt die Vermutung einer absichtlic­hen Verschlepp­ung nahe“, sagt Anwältin Peter.

Ein Detail scheint bemerkensw­ert: Jene zweite Frau, die sich H. in „Todesangst“anvertraut habe und sogar verlangt haben soll, „zweimal obduziert zu werden“, sollte ihr etwas zustoßen, soll H. viele Dinge erzählt haben, die sie selbst nicht aussagen wollte. Darunter auch, dass L. ein sexuelles Verhältnis mit einer 83-jährigen Patientin begonnen habe, um diese zu beerben. Aus „berufsethi­schen Gründen“wollte er aber nicht als Besitzer des Hauses der später Verstorben­en aufscheine­n. Er soll daher veranlasst haben, dass die Erblasseri­n ihr Haus der besagten Frau, die H. ihr Herz ausgeschüt­tet haben soll, überschrie­b. Ein Blick ins Grundbuch deckt sich zumindest mit diesem Teil der Geschichte.

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