Facebook liest sämtliche Daten im Messenger mit
Mitten im Datenskandal kommt neue Kritik an dem sozialen Netzwerk auf
Menlo Park / Wien – Die aktuelle Debatte über die Weitergabe von 87 Millionen Nutzerdaten an die umstrittene Datenfirma Cambridge Analytica führt dazu, dass auch andere Services von Facebook zunehmend kritisch unter die Lupe genommen werden. Und dabei wird so manches öffentlich, was zwar für Experten keine sonderliche Überraschung darstellt, vielen normalen Nutzern so aber wohl nicht klar sein dürfte.
Facebook bestätigt, dass jegliche über den eigenen Messenger versandte Nachrichten mitgelesen und analysiert werden. Dies betrifft nicht nur Bilder, auch Links werden überprüft. Man behandle die privaten Nachrichten im Messenger damit exakt so wie öffentliche Mitteilungen auf dem sozialen Netzwerk, wie ein Firmensprecher betont. Das Unternehmen sieht darin natürlich keinen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre seiner Nutzer, immerhin hätten diese über die Nutzungsbedingungen all dem zugestimmt. Zudem seien die eigenen Absichten lauter: So ginge es etwa darum, die Verbreitung von Kinderpornografie zu verhindern. Auch vor Schadsoftware und gezielte gestreuten Falschinformationen könne man die Nutzer dadurch schützen. Darüber hinaus versichert das Unternehmen, dass die Analyse automatisiert erfolge, also keine Menschen in den Prozess involviert seien. Auch eine Auswertung für Werbezwecke erfolge nicht.
Signal statt Facebook
Trotzdem ist davon auszugehen, dass dieses Wissen so manchen Nutzern Unbehagen erzeugen könnte. Wer sicherstellen will, dass die eigenen Gespräche wirklich privat bleiben, muss zu einem Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messenger wie Signal greifen, bei dem auch der Betreiber keinen Zugriff hat.
Unterdessen versucht sich Facebook weiter in Schadensbegrenzung, und schickt seine Führungsriege von einem Interview zum nächsten, um dort das eigene Bedauern zum Ausdruck zu bringen. Dabei gestand etwa Managerin Sheryl Sandberg am Donnerstag ein, dass man noch gar nicht im Detail wisse, welche Daten Cambridge Analytica genau abgezogen hat. Aus Reihen der Politik gab es in den letzten Tagen zunehmend lauter werdende Forderungen nach einer lückenlosen Aufklärung des Datenskandals. Auch eine stärkere Regulierung von Facebook wird dabei immer wieder ins Spiel gebracht, so soll etwa das deutsche Bundeskartellamt entsprechende Pläne hegen.
Unter diesen Vorzeichen hat sich Facebook dazu entschlossen, einige Projekte vorerst auf Eis zu legen. Nachdem bereits die Einstellung der Entwicklung eines smarten Lautsprechers bekannt wurde, verzichte das Unternehmen nun auf eine Kooperation mit US-amerikanischen Krankenhäusern. In deren Rahmen hätten Patienteninformationen mit – anonymisierten – Facebook-Daten gekoppelt und analysiert werden sollen. (apo)