Der Standard

Viele gute Ideen zur rechten Zeit

Die Regierung betreibt Symbolpoli­tik, dennoch muss man darüber berichten

- Petra Stuiber

Wegen des großen Erfolgs prolongier­t: Die FPÖ will das Kopftuchve­rbot für Musliminne­n ausweiten. Nachdem Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache mit seinem ersten Vorstoß auf überrasche­nd positives Echo gestoßen war (nicht einmal die SPÖ reagierte empört), legte er noch einmal nach. Er wünscht sich nun ein „umfassende­s Kopftuchve­rbot“.

Strache zeigt damit, dass er eine Nase für mehrheitst­augliche Themen hat. Darüber kann die Öffentlich­keit in den kommenden Wochen trefflich streiten. Und innerhalb der Regierung kann man vor aller Augen „good cop, bad cop“spielen, da sich die ÖVP – vorerst – ziert. Der erwünschte Nebeneffek­t: Man kann von anderen konfliktbe­ladenen Plänen der Regierung ablenken, zum Beispiel von der geplanten Zusammenle­gung von Sozialvers­icherungst­rägern.

In diesem Spiel der Message-Control hat Türkis-Blau mittlerwei­le einige Übung. Im Jänner, knapp vor den niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hlen, kommt die FPÖ in arge Bedrängnis wegen NS-Liedertext­en einer Burschensc­haft, der ihr Spitzenkan­didat Udo Landbauer vorsteht.

Da fällt Verkehrsmi­nister Norbert Hofer ein, er wolle Tempo 140 auf der Autobahn testen lassen. Die FPÖ thematisie­rt erneut die Aufhebung des Rauchverbo­ts. Und Vizekanzle­r Strache findet in seinem Büro eine Wanze, die am Ende gar keine ist.

Dann brodelt die Affäre um die Demontage des obersten Staatsschü­tzers Peter Gridling durch Innenminis­ter Herbert Kickl hoch, ein U-Ausschuss im Parlament droht. Aber immer noch geht es ums Rauchen.

Ein weiteres Beispiel: AMS-Chef Johannes Kopf kritisiert die von der Regierung beschlosse­ne Kürzung der Integratio­nsmittel. In die Auseinande­rsetzung platzt die Nachricht, dass die Regierung den Familienbo­nus auch Kindern im Ausland geben will. enig später: Die Klimastrat­egie ist, abseits vom Fahrradfah­ren, nach Expertenme­inung nicht das Gelbe vom Ei. Kritik brandet auf. Das Justizpers­onal probt den Aufstand gegen die geplanten Sparmaßnah­men.

Da kündigt Vizekanzle­r Strache ein Kopftuchve­rbot für Kindergart­enmädchen und Volksschül­erinnen muslimisch­en Glaubens an. Und der Ver-

Wkehrsmini­ster hat wieder eine Idee: Norbert Hofer will nun den Pannenstre­ifen auf Autobahnen für den normalen Autoverkeh­r öffnen.

Die Medien, meinen auch einige STANDARD- Leser, seien doch selbst schuld, dass solche Themen überhaupt populär werden. Sollen sie eben nicht berichten. Das ist freilich unmöglich. Die Bundesregi­erung, ein wesentlich­er Teil des österreich­ischen innenpolit­ischen Geschehens, kann und darf medial nicht ignoriert werden. Zudem stoßen diese Themen auf großes Interesse, und es gibt Argumente dafür und dagegen. Das darzustell­en, ist die Auf- gabe von seriösem Journalism­us. Aber wir schreiben auch ausführlic­h, was anstelle von Symbolpoli­tik zu tun wäre: etwa das Bildungssy­stem so zu reformiere­n, dass alle Kinder die gleichen Chancen auf gute Ausbildung haben; die Verwaltung und den Föderalism­us endlich rück- und umzubauen; oder auch: Wissenscha­ft und Forschung so zu fördern, wie sie es verdienen.

Zur Anregung: Die Vereinigte­n Arabischen Emirate, nicht in jeder Hinsicht ein Hort der Modernität, haben jetzt ein Ministeriu­m für künstliche Intelligen­z eingericht­et. Wir hier diskutiere­n seit Jahren über den Ausbau von Breitband.

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