Viele gute Ideen zur rechten Zeit
Die Regierung betreibt Symbolpolitik, dennoch muss man darüber berichten
Wegen des großen Erfolgs prolongiert: Die FPÖ will das Kopftuchverbot für Musliminnen ausweiten. Nachdem Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit seinem ersten Vorstoß auf überraschend positives Echo gestoßen war (nicht einmal die SPÖ reagierte empört), legte er noch einmal nach. Er wünscht sich nun ein „umfassendes Kopftuchverbot“.
Strache zeigt damit, dass er eine Nase für mehrheitstaugliche Themen hat. Darüber kann die Öffentlichkeit in den kommenden Wochen trefflich streiten. Und innerhalb der Regierung kann man vor aller Augen „good cop, bad cop“spielen, da sich die ÖVP – vorerst – ziert. Der erwünschte Nebeneffekt: Man kann von anderen konfliktbeladenen Plänen der Regierung ablenken, zum Beispiel von der geplanten Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern.
In diesem Spiel der Message-Control hat Türkis-Blau mittlerweile einige Übung. Im Jänner, knapp vor den niederösterreichischen Landtagswahlen, kommt die FPÖ in arge Bedrängnis wegen NS-Liedertexten einer Burschenschaft, der ihr Spitzenkandidat Udo Landbauer vorsteht.
Da fällt Verkehrsminister Norbert Hofer ein, er wolle Tempo 140 auf der Autobahn testen lassen. Die FPÖ thematisiert erneut die Aufhebung des Rauchverbots. Und Vizekanzler Strache findet in seinem Büro eine Wanze, die am Ende gar keine ist.
Dann brodelt die Affäre um die Demontage des obersten Staatsschützers Peter Gridling durch Innenminister Herbert Kickl hoch, ein U-Ausschuss im Parlament droht. Aber immer noch geht es ums Rauchen.
Ein weiteres Beispiel: AMS-Chef Johannes Kopf kritisiert die von der Regierung beschlossene Kürzung der Integrationsmittel. In die Auseinandersetzung platzt die Nachricht, dass die Regierung den Familienbonus auch Kindern im Ausland geben will. enig später: Die Klimastrategie ist, abseits vom Fahrradfahren, nach Expertenmeinung nicht das Gelbe vom Ei. Kritik brandet auf. Das Justizpersonal probt den Aufstand gegen die geplanten Sparmaßnahmen.
Da kündigt Vizekanzler Strache ein Kopftuchverbot für Kindergartenmädchen und Volksschülerinnen muslimischen Glaubens an. Und der Ver-
Wkehrsminister hat wieder eine Idee: Norbert Hofer will nun den Pannenstreifen auf Autobahnen für den normalen Autoverkehr öffnen.
Die Medien, meinen auch einige STANDARD- Leser, seien doch selbst schuld, dass solche Themen überhaupt populär werden. Sollen sie eben nicht berichten. Das ist freilich unmöglich. Die Bundesregierung, ein wesentlicher Teil des österreichischen innenpolitischen Geschehens, kann und darf medial nicht ignoriert werden. Zudem stoßen diese Themen auf großes Interesse, und es gibt Argumente dafür und dagegen. Das darzustellen, ist die Auf- gabe von seriösem Journalismus. Aber wir schreiben auch ausführlich, was anstelle von Symbolpolitik zu tun wäre: etwa das Bildungssystem so zu reformieren, dass alle Kinder die gleichen Chancen auf gute Ausbildung haben; die Verwaltung und den Föderalismus endlich rück- und umzubauen; oder auch: Wissenschaft und Forschung so zu fördern, wie sie es verdienen.
Zur Anregung: Die Vereinigten Arabischen Emirate, nicht in jeder Hinsicht ein Hort der Modernität, haben jetzt ein Ministerium für künstliche Intelligenz eingerichtet. Wir hier diskutieren seit Jahren über den Ausbau von Breitband.