Der Standard

Was wir vom Lochgott lernen

Der Cartoonist Rudi Klein ist einer, der sich an den Themen abzeichnet. Sein „Lochgott“ist rachsüchti­g, gemein und eitel. Also insgesamt ein ehrlicher Gott.

- Manfred Rebhandl

Am Anfang erschuf Gott den Anfang, dann noch so einiges, und am Schluss auch noch das Ende.“So ungefähr lesen sich die Glaubenssä­tze in Rudi Kleins wunderbare­m neuem Buch Der Lochgott. „Dazwischen schuf er die Schaufel, den Bagger und den Bohrturm für das Loch.“Dort wohnt er jetzt oder besser: Er IST, wie das alle anderen Götter auch tun.

Wir leben in Zeiten, in denen sich für manchen überrasche­nd wieder alles um Götter dreht, um die sinnvolle Frage, welcher von denen dem anderen überlegen ist und wieso genau, und alle sind sie irgendwo unerreichb­ar oben im Himmel. Anders Rudi Kleins Schöpfung: „Der Lochgott ist so sehr Arschloch wie seine Gläubigen“, sagt er. „Er ist mit diesen quasi auf Augenhöhe, ist rachsüchti­g, gemein, niederträc­htig, eitel. Ein insgesamt ehrlicher Gott also“, im Unterschie­d zu den ganzen anderen Göttern, die von ihren Gläubigen oft übertriebe­n idealisier­t geschaffen wurden.

Grundsätzl­ich hat Klein, der auch für den STANDARD zeichnet, nichts gegen Religionen: „Diverse Hygienevor­schriften können einer Gemeinscha­ft dienlich sein“, sagt er. Und auch das „Sicheinmal-in-der-Woche-irgendwoTr­effen“findet er super. Aber dass man auch heute, 2018, noch irgendetwa­s „Verkündete­s“, „Tradiertes“wörtlich nehmen kann? Darüber schüttelt er beim Gespräch im Café Classico an der Wiedner Hauptstraß­e den Kopf, als wir sein neues „Buch der Bücher“(Der Lochgott – Neue Offenbarun­gen) besprechen.

Erschaffen hat Klein den Lochgott vor elf Jahren. „Steht eh im Vorwort vom ersten Buch, warum. Aber das liest ja keiner!“Seither sind seinem Gott aber „ein paar quantitati­ve Fehler unterlaufe­n bei der Erschaffun­g von Kaisern, Königen und Bettlern“. Solcherart beschreibt Rudi Klein eine Welt, die ihm nicht mehr so richtig gefallen mag. Eine gewisse Ermüdung gesellt sich bei ihm zum Kulturpess­imismus dazu. „Überall der sölbe Schaas, überall die sölben Gschäfta!“Er hat daher seine eigene Theorie zu den Ereignisse­n und Zeitläufte­n der letzten Jahrzehnte entworfen, zum Siegeszug des Kapitalism­us und zu den damit einhergehe­nden Problemen: „Die Welt wird immer g’schissener, um mir den Abschied zu erleichter­n.“Den eigenen Tod wünscht sich der 67-Jährige so profan wie jeder andere auch: „Tot umfallen. Kein Schläucher­l. Nicht die Gemüsevari­ante.“Als er auf die 50 zuging, fing er an, sich mit seinem Ende zu beschäftig­en. Gerade zieht er noch einmal um, er hat einen Zehn-Jahres-Vertrag abgeschlos­sen: „Das wird sich ausgehen!“, sagt er. Ärgern muss er sich über Freunde, die ihn bei der Wohnungssu­che mit der Frage unterstütz­ten: „Kauf oder Miete?“Als könnte er sich eine Kaufwohnun­g leisten! Die großen, auch finanziell goldenen Print-Zeiten eines Manfred Deix, den er ausgesproc­hen schätzte, hat er um ein paar Jahre versäumt. Einmal sagte ein Redakteur zu ihm: „Du bekommst nicht so viel wie der andere, weil du machst weniger Striche!“Selbst in der aufgeklärt­en, westlichen Welt trifft er immer noch auf ein Kunstverst­ändnis, das den Wert von Kunst am Gewicht der vermalten Farbe bemisst.

Als Heranwachs­ender besuchte der gebürtige Wiener Galerien und Museen, verbrachte viel Zeit im Mouse Museum, das damals im 20er-Haus untergebra­cht war, und studierte Claes Oldenburg. Das waren auch die Zeiten, als eine Kunstschaf­fende von ihm wollte, dass er „mit einem Mann vögelt“, und sie wollte dabei zuschauen. Es waren die wilden Zeiten. Klein war so frei, dem Wunsch nicht nachzukomm­en.

Auch sein Gott, der Lochgott, hat wie alle anderen Götter den Gläubigen Geschlecht­steile geschenkt, mit denen sie zeit ihres Lebens nicht zurechtkom­men. Nicht so Rudi Klein selbst; was das angeht, ist er absolut zufrieden: „Ich warte jeden Morgen auf die EMails, wo sie mir eine Penisverkl­einerung anbieten“, lacht er. Wie Pfui-gack-Zeichner Deix ist auch er ein Meister der ZumpferlWi­tze. „Die Zumpferln hängen halt messbar an ihren Trägern herum“, erklärt Klein das Problem. „Und weil das Zumpferl halt oft versagt, bauen die Männer dann Raketen und Revolver.“

Sein Tipp, dem Wahnsinn der Welt zu begegnen: „Insgesamt mehr im Bett bleiben.“Am besten im „Kingsize-Bett mit Federkern“, das der Lochgott ebenfalls erschaffen hat. Klein hat auch Freunde, die ihn um zwölf Uhr mittags anrufen und fragen: „Hab ich dich aufgeweckt?“Früher druckste er herum, heute sagt er: „Ja!“Langer Schlaf, Mittagssch­laf, Winterschl­af – er ist dabei. Sport lehnt er ab, Kultureven­ts besucht er immer seltener. „Glück ist das kurzfristi­ge Fehlen von Unglück“, lernen wir von seinem Gott. Wie sieht die Glück-Unglück-Bilanz bei Klein selbst aus? „Ich hab’s gar net so schlecht erwischt!“

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„Die Welt wird immer g’schissener, um mir den Abschied zu erleichter­n.“
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 ??  ?? Rudi Klein, „Der Lochgott“, € 20 / 144 Seiten. Czernin, 2018 Präsentati­on: Fr, 13. April, ab 18 Uhr im Hold. 8., Josefstädt­er Str. 50
Rudi Klein, „Der Lochgott“, € 20 / 144 Seiten. Czernin, 2018 Präsentati­on: Fr, 13. April, ab 18 Uhr im Hold. 8., Josefstädt­er Str. 50

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