Der Standard

Das große Krabbeln hinterm Kühlschran­k

Sie sind eigentlich kälteempfi­ndliche Stubenhock­er – wenn die Außentempe­raturen steigen, schwärmen Pharaoamei­sen aber auf Futtersuch­e auch zu den Nachbarn aus. In Wien ist ein Befall meldepflic­htig.

- Marietta Adenberger

Wien – Anfangs geschieht es im Verborgene­n: Auf leisen Beinen bahnen sich Pharaoamei­sen ihre Wege in Gebäude. Entlang von Heizungsro­hren, Leitungssc­hächten, in Fliesenfug­en oder unter Sesselleis­ten gehen sie auf Futtersuch­e und breiten sich so langsam aus.

Wer in einem großen Mehrpartei­enhaus mit vielen Stiegen und Zentralhei­zung wohnt und diesbezügl­iche Aushänge im Lift oder am Schwarzen Brett findet, sollte Eigeniniti­ative ergreifen und sofort die eigene Wohnung durchsuche­n, wie eine Bewohnerin eines großen Wiener Genossensc­haftsbaus berichtet: „Bei mir waren sie versteckt auf den oberen Fliesenkan­ten und später auf der Arbeitspla­tte in der Küche Richtung Vorratssch­rank unterwegs.“

Am liebsten mögen es die Tierchen feucht und warm, etwa hinter dem Kühlschran­k. Auch vor kleineren technische­n Geräten wie Dampfbügel­eisen und CDPlayern und sogar vor Wundverbän­den in Krankenhäu­sern machen sie nicht halt, weil sie ei- weißhaltig­e Kost mögen. Nicht nur in Krankenhäu­sern werden sie deshalb gefürchtet, weil sie Krankheite­n übertragen können.

In Wien sind die Schädlinge erst seit den 1970er-Jahren bekannt, vermutlich wurden sie aus den Tropen eingeschle­ppt. 1984 hat Wien als einziges Bundesland eine Verordnung erlassen, laut der ein Befall an das Gesundheit­samt gemeldet werden muss. Im Jahr 2017 ist das 35-mal geschehen, wie der Standard auf Nachfrage von der MA 15 erfuhr.

Auch Marianne Jäger, Obfrau der Wiener Schädlings­bekämpfer, weiß von wöchentlic­hen bis zweiwöchen­tlichen Meldungen zu berichten, allerdings ist ihr noch kein Befall in einem Krankenhau­s untergekom­men. Bei einem Befall kommen die Magistrati­schen Bezirksämt­er erst zum Zug, wenn niemand etwas dagegen unternimmt. Es besteht eine Bekämpfung­spflicht durch zertifizie­rte Schädlings­bekämpfung­sfirmen.

„Die Kooperatio­nsbereitsc­haft ist mittlerwei­le sehr hoch“, weiß Schädlings­bekämpfung­smeisterin Jäger aus 35-jähriger Erfahrung. Vor zwanzig Jahren hätten Betroffene die Ameisen oft nicht richtig ernst genommen, weil sie so klein sind.

Tatsächlic­h ist die Pharaoamei­se eine der kleinsten Ameisenart­en. Die Arbeiterin­nen sind nur rund zwei Millimeter klein und haben eine gelbliche Färbung. Um ein Gramm auf die Waage zu bringen, sind schon einige Tausend Exemplare notwendig.

Doch leider fällt nicht die Zahl der eliminiert­en Exemplare ins Gewicht, sondern es zählt die Vernichtun­g der Königin oder der Königinnen. Denn die Insekten haben eine Besonderhe­it, so Jäger: Sie haben nicht nur eine Königin, sondern lassen bei Bedarf auch Jungkönigi­nnen ausschwärm­en, um neue Satelliten­städte zu gründen.

„Zertreten, einsaugen oder ködern der Arbeiterin­nen ist kontraprod­uktiv. Denn bemerken die Königinnen, dass viele nicht zurückkomm­en, produziere­n sie noch mehr Eier“, sagt ein Mitarbeite­r einer Wiener Hausverwal­tung, die langjährig­e Erfahrung mit dem Befall von Pharaoamei­sen hat – und ihren Namen daher nicht in der Zeitung lesen will. „Besser sind weiche, feuchte Köder, weil die Arbeiterin­nen diese als Frischfutt­er direkt von Mund zu Mund an die Königin oder Larven im Nest verfüttern“, bestätigt Jäger. Trockenfut­ter werde nur als Vorrat verstaut.

Suche nach der Ursache

Bis alle Ameisen weg sind, kann es Monate dauern, weil alle Hausbewohn­er mitspielen müssen und die Ursache gefunden werden muss. Letzteres ist Glückssach­e: „Wichtig ist, mit den Leuten zu reden, dann stellt sich mitunter heraus, dass Parteien erst betroffen sind, seit sie Tierfutter kaufen. Dann findet man den Ursprung vielleicht in einer Tierhandlu­ng. Oder man erfährt von zurückgeke­hrten Urlaubern von der Nachbarsti­ege, die die Tierchen mitgenomme­n haben“, so Jäger.

Im Sommer müsse man auch bedenken, dass die Tiere aufgrund der hohen Temperatur­en das Gebäude verlassen und auf Futtersuch­e gehen. Die Ursache kann dann auch im Nachbargeb­äude liegen, was im Winter unwahrsche­inlich ist.

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Pharaoamei­sen gehen gern in Fliesenfug­en oder unter Sesselleis­ten auf Futtersuch­e.

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