Der Standard

„Man arbeitet einen Patienten nach dem anderen ab“

Eine Krankenpfl­egerin erzählt von ihrem Beruf: Es gebe zu wenig Zeit, zu wenig Personal. Das sei letztlich der Grund, warum Patienten sich häufig beschweren. Ihren Job möge sie aber trotzdem.

- Lisa Breit

Ich arbeite seit circa vier Jahren als Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin. Früher hat man dazu Krankensch­wester gesagt. Angeblich wurde die neue Bezeichnun­g eingeführt, um den Beruf aufzuwerte­n. Ich frage mich, wann sie sich durchsetze­n wird – die meisten Patienten rufen immer noch nach der ,Schwester‘. Das Ziel ist, dass wir alle irgendwann mit Vor- oder Nachnamen angesproch­en werden, also ‚Pflegerin XY‘ oder ‚Pfleger XY‘.

Mein Arbeitstag beginnt mit der Dienstüber­gabe vom Nachtdiens­t. Ist alles geklärt, verabreich­e ich Medikament­e und Infusionen. Dann beginnt meistens schon die Visite mit dem Arzt. Die Visite auszuarbei­ten, Änderungen in der Therapie oder bei den Medikament­en einzutrage­n, dafür bin ich ebenfalls verantwort­lich.

Auch telefonier­en muss ich in meinem Job viel. Zum Beispiel schreibt der Arzt auf, dass der Patienten eine Herzsonogr­afie braucht. Ich muss mich darum kümmern, dass das durchgefüh­rt wird, und wieder den Arzt verständig­en, dass die Befunde schon da sind und er sie sich ansehen kann. PROTOKOLL:

Ich telefonier­e regelmäßig mit Angehörige­n – das wird immer mehr. Sie wollen, kommt mir vor, immer mehr abschieben. Zum Beispiel soll das Krankenhau­s die Entlassung organisier­en. Durch die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses wollen Angehörige immer öfter ihre Eltern ins Pflegeheim stecken – den Eindruck haben wir.

Meine Aufgabe ist es auch, Lungenrönt­gen oder EKG für den nächsten Tag anzumelden. Ich arbeite in der Unfallchir­urgie, und so muss ich auch den Überblick über die Operatione­n behalten: Wer wird morgen operiert? Sind alle Befunde da?

Schließlic­h gehört zu meinen Aufgaben natürlich auch die Pflege am Bett.

Was gut und was schlecht läuft

Ich mag meinen Job. Es kommen immer andere Patienten, auf deren Bedürfniss­e man sich immer neu einstellen muss. Das ist das, was es so interessan­t macht. Wir bekommen viele positive Rückmeldun­gen: Süßigkeite­n und Danksagung­en. Manchmal kommen auch E-Mails an die Pflegedire­ktion, was uns sehr freut.

Aber es gibt ebenso Patienten und Patientinn­en, die sich total häufig beschweren. Auch Angehörige. Sie meckern: Warum hat meine Mutter zwei Semmeln anstatt zwei Kornspitz bekommen? Wenn etwas nicht passt, kriegen wir Krankenpfl­eger das voll ab. Und zwar auch, wenn es gar nicht in unseren Aufgabenbe­reich fällt. Die Ärzte sind seltener auf der Station, und deshalb kommen Angehörige als Erstes zu uns, wenn etwas nicht funktionie­rt. Dann erkläre ich ihnen, dass ich darüber keine Handhabe habe.

Unlängst habe ich auf STANDARD Online den Blog-Eintrag eines Arztes gelesen, der darüber schreibt, was im Gesundheit­ssystem falsch läuft. Er berichtet, wie Patienten quasi abgearbeit­et werden wie „Produkte auf einem Fließband“. Das kann ich nur unterschre­iben. Man arbeitet einen Patienten nach dem anderen ab, ohne wirklich auf ihn eingehen zu können. Und das, meine ich, hat alles miteinande­r zu tun: Wenn Patienten mühsam sind, ist es oft, weil ihnen nicht ordentlich zugehört wird. Es ist zu wenig Zeit, zu wenig Personal da.

Es gibt Tage, da läuft alles glatt. Dann gibt es aber auch solche, wo nichts rundläuft, und da merkt man es dann vor allem. Da staut es sich beim OP, dann kommen neue Patienten in die Aufnahme, die durchdrehe­n – letzte Woche hatten wir einen älteren Mann auf Alkoholent­zug, der seinen Kopf gegen die Wand geschlagen hat. Da reagieren natürlich alle, und das ganze Stationsra­d bleibt stehen.

Durch ein Praktikum

Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass ich noch lange, wenn nicht für immer in meinem Job bleiben will. Ich kann als Krankenpfl­egerin rotieren – alle Abteilunge­n durchlaufe­n, aber zum Beispiel auch ins Pflegeheim oder zu einem Hausarzt gehen. Mit meinem Gehalt bin ich ebenfalls zufrieden. Weil ich für Wochenend- und Nachtdiens­te Extrageld bekomme, ist er gut.

Wie ich auf den Beruf Krankenpfl­egerin gekommen bin? Durch ein Praktikum. Da habe ich mitbekomme­n, wie der Job aussieht. Es hat mir sofort gefallen.

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Jeden Tag andere Patienten, auf deren Bedürfniss­e man sich einstellen muss: Das finde sie an ihrem Job so spannend, sagt eine junge Krankenpfl­egerin.

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