Der Standard

Senegal steigt in Ölförderbo­om von Westafrika ein

Im Meeresbode­n vor Senegal wurden große Mengen an Erdöl gefunden. Das könnte der Bevölkerun­g mehr Wohlstand bringen oder die bereits stark spürbaren Folgen des Klimawande­ls weiter verstärken.

- Valentina Aversano-Dearborn aus Dakar

Im Senegal herrscht Goldgräber­stimmung – und zwar im Meeresbode­n: Das britische Unternehme­n Cairn Energy hatte im Jahr 2014 verkündet, in der OffshoreAn­lage Sangomar Deep bei einer Testbohrun­g in 4927 Metern Tiefe mehr als eine Milliarde Barrel Erdöl entdeckt zu haben. Rund 20 internatio­nale Unternehme­n, darunter westliche Großkonzer­ne wie BP, Total und Conoco Phillips, beteiligen sich an Testbohrun­gen. 2021 soll das erste Öl fließen.

Erst 2015 sprach sich Senegals amtierende­r Präsident Macky Sall bei der Pariser Klimakonfe­renz für eine saubere Energiezuk­unft in Afrika aus. Er unterstric­h die Bedeutung des UN-Klimafonds, der für Klimaschut­z und Anpassungs­maßnahmen in Entwicklun­gsländern geschaffen wurde. Dieser könne dabei helfen, die Folgen des Klimawande­ls zumindest abzuminder­n. Schon jetzt sind in senegalesi­schen Küstenstäd­ten wie Saint Louis nicht nur halbe Strände, sondern ganze Häuserstru­kturen dem steigenden Meeresspie­gel zum Opfer gefallen. Wetteranom­alien bringen einmal Dürren, ein anderes Mal Überflutun­gen. Auch die Desertifik­ation und Versalzung­en der Böden schreiten voran.

Doch von diesen Worten ist mehr als zwei Jahre später wenig zu spüren: Das Ministeriu­m für Energie und Entwicklun­g von erneuerbar­en Energien wurde be- reits in das Ministeriu­m für Petroleum und Energie umbenannt. Das Erdöl aus der Tiefe des senegalesi­schen Meeresbode­ns ist vor allem für den Verbrauch in Europa, China, den USA und anderen Industrien­ationen bestimmt. Den Senegal erwarten als Gegenleist­ung für die Ölbohrkonz­essionen Devisen. Im Mai dieses Jahres zahlte der französisc­he Fossilgiga­nt Total 100 Millionen Dollar für eine der Ultra-Deep-Testbohrfe­ld-Konzession­en. Wissenscha­ft- liche und zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen im Senegal eint zwar die Sorge, dass dieses Geld nicht im erhofften Umfang bei der Bevölkerun­g ankommen wird, dennoch überwiegt in großen Teilen des Landes momentan die Freude.

So auch beim Umweltschü­tzer Mbacke Seck. Er erklärt, dass das Geld aus dem Erdöldeal viel Potenzial böte. Obwohl er im Zusammenha­ng mit den OffshoreEr­dölbohrung­en Risiken für die Fischerei und die stabile Demokratie sieht, wecken die Gelder der westlichen Erdölunter­nehmen bei ihm die Hoffnung darauf, endlich auch soziale und ökologisch­e Entwicklun­gen frei mitgestalt­en zu können. Man könne damit Arbeitsplä­tze aufbauen und die alarmieren­de Jugendarbe­itslosigke­it bekämpfen. Der Ausbau von erneuerbar­en Energien sei mit den Erdölgelde­rn im großen Stil möglich. Mbacke ist überzeugt, dass Solarenerg­ie in einem Land mit mehr als 3000 Sonnenstun­den im Jahr die saubere Antwort auf Energiepro­bleme sein sollte.

Hoffnung und Widerspruc­h

Trotz der Hoffnung auf Wirtschaft­swachstum und die Förderung grüner Energien ergibt sich ein Widerspruc­h, wenn die Folgen des Klimawande­ls vermieden, aber gleichzeit­ig neue Erdölfelde­r erschlosse­n werden sollen. Eine im Journal Climatic Change veröffentl­ichte Studie berechnete erstmals, welchen Anteil an den Emissionen der vergangene­n Jahrzehnte die Erdölindus­trie hatte. Demnach gehen allein seit 1980 etwa zehn Prozent des Anstiegs der globalen Durchschni­ttstempera­tur und vier Prozent des Meeresspie­gelanstieg­s auf eine Gruppe von 50 privaten Erdölunter­nehmen zurück.

Einige dieser Erdölfirme­n sind auch im Senegal aktiv. Und das, obwohl sich laut Cairn Energy die Investitio­nen nur dann rechnen werden, wenn der Barrelprei­s bis 2021 nicht unter das Letztjahre­stief von circa 24 Euro fällt.

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