Der Standard

Kopf des Tages

- Christoph Prantner

Der deutsche Journalist und Satiriker Jan Böhmermann erregte mit seiner Dankesrede bei der RomyGala Aufsehen.

Es sind stürmische Zeiten für die Vereinigte­n Staaten von Amerika, vor allem aber für US-Präsident Donald Trump: Im Handelskon­flikt mit China zeigen ihm die KP-Mandarine in Peking, dass Realpoliti­k aus mehr besteht als aus Großmäulig­keit; viele auch außerhalb des Washington­er Establishm­ents erregt der Skandal um den Missbrauch von Facebook-Daten im Wahlkampf; die Schülerpro­teste gegen die Waffenlobb­y NRA bringen auch Trump in Bedrängnis; Kriegstrei­ber ersetzen besonnene Fachleute in seinem Kabinett. Und dann ist da noch Stormy Daniels.

Eine Affäre mit der Pornodarst­ellerin rund um den Zeitpunkt der Geburt seines Sohnes Barron 2006 bestreitet Trump nicht explizit. Nur von einer Schweigege­ldzahlung an Frau Daniels kurz vor der Präsidents­chaftswahl 2016 will er nichts wissen. Sein Anwalt sagt, er selbst habe die 130.000 Dollar aus eigenem Antrieb und eigenen Mitteln an Daniels überwiesen. Diese wiederum will Trump unter Eid vor Gericht dazu befragen lassen – und über den Umstand, dass sie dem nachmalige­n Präsidente­n angeblich den Hintern mit einer Ausgabe des Wirtschaft­smagazins Forbes versohlen musste, die dessen Konterfei auf dem Cover hatte.

Die USA, sie sind in eine Art Spirale der Pornopolit­ik geraten. Das Wesen der Pornografi­e ist es, alles zu zeigen – ohne jede Grenze und ohne jede Scham. Sexturner bieten dabei eine fragwürdig­e Ästhetik des Expliziten feil, innerhalb der – politisch – auch Donald Trump operiert. Und zwar in einer derart entwaffnen­den Eindeutigk­eit, dass ihm Skandale aller Art bisher nichts anhaben konnten. Denn niemand im ehrenwerte­n Publikum hatte etwas anderes als Skandale erwartet. Im Fall Stormy Daniels allerdings scheint die Sache ironischer­weise anders zu liegen: Schamlosig­keit strikes back. Pornografi­e sorgt für Anstand. Obszönität rettet die US-Demokratie.

Aus diesem Grund hat Frau Daniels Präsident Trump in der öffentlich­en Meinung bisher schon mehr und nachhaltig­er zugesetzt, als es Sonderermi­ttler Robert Mueller mit all seinen Detektiven in der Russland-Affäre vermochte. Bei Letzterem mögen viele von Trumps Unterstütz­ern davon überzeugt sein, dass er Fake-News in die Welt setze. Stormy Daniels dagegen ist glaubwürdi­g. Sie spielt auf demselben Feld wie Trump. Sie ist die Nemesis für den Meister des Expliziten. Hätten die US-Gründervät­er einen Begriff für die derzeitige­n Verhältnis­se in die Verfassung schreiben müssen, sie hätten „Sex and Balances“gewählt.

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