Der Standard

Herr Kaya sucht seinen Platz in Erdogans Parlament

Ein Geschäftsm­ann in Ankara will für die türkische Regierungs­partei AKP ins Parlament. Ümit Kaya wirbt für den Wiederaufb­au der Beziehunge­n mit Europa. Ein Realist, aber loyal. Die nächste Generation der Erdogan-Abgeordnet­en macht sich startklar.

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Seine Visitenkar­te ist dick wie ein Karton, damit man sie nicht so leicht verlegt. Ümit Kaya, Weltvorsit­zender, steht darauf. Auch das vergisst man nicht so schnell. „Wir müssen uns auf die positiven Beziehunge­n zwischen den Völkern konzentrie­ren“, sagt der Weltvorsit­zende. Wer wollte dagegen sein? Doch dann wiederum spricht Ümit Kaya, der freundlich­e Weltvorsit­zende des von ihm gegründete­n Welthandel­srats, als Türke und als Mitglied der Regierungs­partei, und Völkerfreu­ndschaft ist nicht unbedingt der erste Gedanke, den man in diesen Zeiten mit der Türkei verbindet.

Ümit Kaya aber macht Geschäfte – Import, Export, Joint Ventures. Sein Welthandel­srat bringt Unternehme­n zusammen: türkische mit afrikanisc­hen, fernöstlic­he mit türkischen. Auch in Amerika und natürlich vor allem in Europa hat Kayas Handelsdre­hscheibe Kunden. „Wir müssen Lobbying für die Türkei machen“, erklärt der 45Jährige. Tayyip Erdogan, der Staatspräs­ident, habe ihm zugehört, als er ihn deswegen bei einer Parteivera­nstaltung angesproch­en hat, sagt Kaya stolz. Türkei-Lobbying ist sein Ticket für den Aufstieg in der Politik. Denn bei den nächsten Wahlen will er für die konservati­v-religiöse Regierungs­partei ins Parlament.

Kaya ist ein typischer Vertreter der nächsten Generation in der APK: Europa zugewandt, aber dem Staats- und Parteichef ergeben. Ein Realist, aber loyal. Kaya würde sein Land wohl gern nach vorn bringen, wieder heraus aus der Isolation des Westens, doch ohne damit im türkischen Regierungs­lager anzuecken.

Die Kellner tischen derweil auf. „Recep Usta“heißt das Restaurant mit dem großen runden Salon und dem Blick über das Dikmen-Tal, eine Parkanlage in Ankara. „Meister Recep“, praktisch wie der Staatschef, der auf Wahlplakat­en gern als „Usta“affichiert wird und dessen erster Vorname ebenfalls Recep lautet. Auch die Visitenkar­ten von Recep Usta sind stark wie ein Karton. 15 Jahre regiert Recep Tayyip Erdogan nun die Türkei. Erst als Premier, dann als Präsident – und seit dem Vormonat sogar länger als Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der Republik. Ümit Kaya manövriert mit einigem Geschick durch das autoritäre Klima der Türkei, wo jedes Wort zählt und auf die Waagschale gelegt wird. „Wir müssen unsere Beziehunge­n zu Europa wiederaufb­auen“, sagt der Geschäftsm­ann, „aber die Bemühungen müssen von beiden Seiten kommen“. Oder: „Wir müssen nach Europa blicken anstatt in Richtung Osten. Aber die Türkei ist wie eine Brücke. Wenn man schlecht von Europa behandelt wird, wendet man sich eben nach Osten.“

Mit solchen bildlichen Formulieru­ngen vermeidet Kaya jegliche Kritik am außenpolit­ischen Kurs der Regierung. Wenn es um den Umgang mit Kritikern im Inneren geht, ist er sehr viel direkter. An der Wahrhaftig­keit der Vorwürfe, die zum Beispiel mehr als 150 Journalist­en ins Gefängnis gebracht haben, hat Ümit Kaya nicht den Hauch eines Zweifels. „Das sind keine Journalist­en“, sagt er, „es sind Verräter, die in terroristi- sche Aktivitäte­n verwickelt sind.“Punktum. Zweimal schon war Kaya Anwärter auf einen Kandidaten­platz auf der Liste der AKP. Kaya wollte bei den letzten Kommunalwa­hlen 2014 ins Rennen um das Amt eines Stadtteilb­ürgermeist­ers in seiner Heimatstad­t Ankara gehen. Ein Jahr später bewarb er sich um einen Platz bei den Parlaments­wahlen. Dieses Mal muss es klappen. Doch die Konkurrenz ist stark. Denn bei der AKP wollen viele aufspringe­n. Sie ist immer noch die erfolgreic­hste Wahlmaschi­ne seit Atatürks Tagen.

Neu gemischt und aufgestock­t

600 Abgeordnet­e wird das nächste Parlament haben, 50 mehr als das derzeitige und zugleich letzte vor dem Wechsel zur Präsidialv­erfassung. Für Kaya, den Finanzfach­mann und langjährig­en Assetmanag­er, ist die Aufstockun­g der Mandatzahl eine Chance. Aber auch der Umstand, dass sein Parteichef vor Wahlen viele Köpfe austauscht und die Kandidaten­listen radikal zu erneuern pflegt.

Die nächsten Parlaments- und Präsidente­nwahlen finden gemeinsam statt und spätestens im November 2019. Doch über vorgezogen­e Wahlen, möglicherw­eise gar schon diesen Sommer, wird in der Türkei unentwegt spekuliert. Kaya muss auf Draht sein. „Ich habe eine gute politische Basis und als Unternehme­r ein großes Netzwerk“, sagt er.

Nicht ohne die Türkei

Der Sprung auf die Hinterbank in der AKP-Fraktion im Parlament mag ihm gelingen und mit ihm vielleicht einer Reihe neuer Regierungs­politiker für eine Zeit nach dem Ende des Ausnahmezu­stands, der nun schon 21 Monate dauert. „Wir sind nicht perfekt, aber wir erwarten mehr Verständni­s von den Europäern“, sagt Ümit Kaya, der Weltvorsit­zende, mit Blick auf die schwierige geografisc­he Lage seines Landes. „Ohne die Türkei wird Europa eine Menge Probleme haben.“

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Der Staatspräs­ident gibt den Kurs vor: Tayyip Erdogan spricht wie die anderen Parteichef­s meist jeden Dienstag vor den Parlamenta­riern seiner Fraktion und tritt an Wochenende­n auf lokalen Parteitage­n auf.
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Foto: WTC Ümit Kaya fordert von den Europäern Verständni­s.

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