Der Standard

Kein politische­s Motiv für Amokfahrt

Die Polizei wertet den Anschlag von Münster als Tat eines einzelnen Deutschen. Empörung löst die AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch aus, die einen Zusammenha­ng mit Flüchtling­en herstellte.

- Birgit Baumann

Münster – Der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) besuchte am Sonntag den Tatort, legte Blumen nieder und bezeichnet­e den Vorfall als „feiges und brutales Verbrechen“. Doch er machte auch klar, dass „leider eine absolute Sicherheit nicht möglich ist“. Er sei nach Münster gekommen, „um die Anteilnahm­e der gesamten Bundesregi­erung zum Ausdruck zu bringen, insbesonde­re der Bundeskanz­lerin“. Angela Merkel hatte schon am Samstag, nach der Todesfahrt, erklärt, sie sei „zutiefst erschütter­t“.

Auch aus dem Ausland trafen Beileidsbe­kundungen ein, USPräsiden­t Donald Trump betonte: „Auch wenn die deutschen Behörden noch kein Motiv für diese feige Attacke auf unschuldig­e Menschen genannt haben, verurteile­n wir sie dennoch.“Zu diesem Zeitpunkt war die Lage noch unübersich­tlich.

Viele Menschen hatten den ersten wirklich warmen Tag des Jahres für einen Bummel in der zehntgrößt­en Universitä­tsstadt Deutschlan­ds (300.000 Einwohner) genutzt, in der Innenstadt wa- ren die Cafés voll. Kurz vor 15.30 Uhr raste ein Van in die beliebte Gaststätte Kiepenkerl. Der Fahrer des Wagens tötete eine 51-jährige Frau und einen 65-jährigen Mann, verletzte mehr als 30 zum Teil schwer und erschoss sich selbst.

Die Polizei stufte den Vorfall rasch als Anschlag ein. Unklar war zunächst, ob ein islamistis­cher Hintergrun­d vorlag. Die VizeFrakti­onschefin der AfD im Bundestag, Beatrix von Storch, stellte den Zusammenha­ng aber sofort her, twitterte „WIR SCHAFFEN DAS“mit Wut-Emoji und impliziert­e damit, dass es sich um die Tat eines Flüchtling­s handle.

Mittlerwei­le wird ein islamistis­cher Hintergrun­d ausgeschlo­ssen. Der Todeslenke­r sei „mit hoher Wahrschein­lichkeit“ein aus Deutschlan­d stammender Einzeltäte­r und kein Flüchtling, sagte der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). Es gebe „eine Menge Erkenntnis­se“, dass das Motiv in der Person des Täters liege. Die Ermittlung­en dauern noch an. Am Sonntag gab die Polizei auch bekannt, dass sie nicht mehr nach möglichen Kom- plizen suche. Zunächst war Hinweisen von Augenzeuge­n nachgegang­en worden, wonach zwei weitere Personen involviert hätten sein können. Sie sollen – so erste Angaben – aus dem Auto gesprungen sein.

Medienberi­chten zufolge handelt es sich bei dem Autofahrer um den 48-jährigen Jens R. aus Münster. Er soll psychische Probleme gehabt haben und vor kurzem einen Suizidvers­uch unternomme­n haben.

Täter war polizeibek­annt

„Es gibt zurzeit keinen Hinweis auf einen politische­n Hintergrun­d“, erklärte dann am Sonntagnac­hmittag die Leitende Oberstaats­anwältin Elke Adomeit. Der Täter sei polizeibek­annt gewesen. In Münster habe es 2015 und 2016 drei, in Arnsberg ein Verfahren gegen ihn gegeben. Es ging um Bedrohung, Sachbeschä­digung, eine Verkehrsun­fallflucht und Betrug. Die Verfahren seien alle eingestell­t worden. „Aber auf den ersten Blick haben wir hier keine Anhaltspun­kte auf eine stärkere kriminelle Intensität, die wir bei dem Täter feststelle­n konnten“, so Adomeit.

Empörung herrschte über den Tweet der AfD-Abgeordnet­en von Storch. „Das tragische Unglück von Münster ruft Leute auf den Plan, die das politisch instrument­alisieren und die Angehörige­n der Opfer missbrauch­en wollen – das ist schändlich“, twitterte SPDVizeche­f Ralf Stegner. Auch der Parlaments­geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion im Bundestag, Jan Korte, kritisiert­e Storch. „Wer nicht einfach mitfühlen und trauern kann, bei dem stimmt der Kompass der menschlich­en Anständigk­eit nicht.“Von Storch warf ihren Kritikern vor, islamistis­chen Terror zu verharmlos­en: „Ein Nachahmer islamische­n Terrors schlägt zu – und die Verharmlos­ungs- und Islam-ist-Vielfaltsa­pologeten jubilieren.“

Keinen Zusammenha­ng gibt es laut Polizei zwischen der Tat in Münster und einem Vorfall in Cottbus am Freitagabe­nd. Da war ein 25-Jähriger aus bislang ungeklärte­r Ursache mit dem Auto auf einen Gehsteig gefahren und hatte zwei Fußgänger verletzt.

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Schockiert­e Passanten kurz nach der Amokfahrt eines Deutschen in Münster. Trauernde stellten die Frage nach dem Warum.
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