Der Standard

Anbiederun­g in Orbanistan

Deutsche und österreich­ische Unternehme­n lassen sich bereitwill­ig von Ungarns Ministerpr­äsidenten einspannen. Dies muss ein Ende haben. Die Firmen müssen sich klar von der autoritär-illiberale­n Politik Orbáns distanzier­en.

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Für den ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán ist die Marschrout­e klar: die Vertiefung seines Projekts eines „illiberale­n Staates“im Herzen der EU. Er kündigte Mitte März an, nach den Wahlen „moralische, politische und auch juristisch­e Genugtuung“an seinen Gegnern zu nehmen. Diese beschreibt Orbán in Tönen, wie wir sie aus dem Deutschlan­d und Österreich der 1930er-Jahre kennen. Seine Widersache­r seien nicht die „blutarmen kleinen opposition­ellen Parteien“, sondern ein „zu einem Imperium organisier­tes internatio­nales Netzwerk. Durch ausländisc­he Konzerne und inländisch­e Oligarchen ausgehalte­ne Medien, profession­elle Lohnaktivi­sten, querulanti­sche Organisato­ren von Demonstrat­ionen, das Netzwerk von durch internatio­nale Spekulante­n finanziert­en NGOs, die durch den Namen von George Soros zusammenge­fasst werden und die dieser verkörpert. Gegen diese Welt müssen wir kämpfen.“

Einige ausländisc­he Konzerne bekamen seinen Zorn zu spüren. Das Medienunte­rnehmen Bertelsman­n etwa, das den größten ungarische­n Privatsend­er RTL Klub besitzt, wollte Orbán mit einer Sondersteu­er außer Landes treiben. Er zog die Daumenschr­auben bei Branchen an, in denen er ausländisc­he Konzerne zugunsten unga- rischer Konkurrent­en aus dem Dunstkreis seiner Fidesz-Partei aus dem Markt treiben kann. Ganz anders jedoch verhält sich der ungarische Premier gegenüber Industrieu­nternehmen. Diesen wird der rote Teppich ausgerollt, weil es keine ungarische­n Alternativ­en gibt und die Wirtschaft von diesen sehr erfolgreic­h angeworben­en Investoren abhängig ist. Deutsche und österreich­ische Firmen sind dabei zentral: Sie stehen an erster und dritter Position der größten Investoren. Und Deutschlan­d und Österreich sind die beiden größten Handelspar­tner Ungarns.

Die Unternehme­n schätzen die niedrigen Lohnstückk­osten in Ungarn, die gut ausgebilde­ten Arbeitskrä­fte, die schwachen Gewerkscha­ften, die Infrastruk­tur und die attraktive­n Unternehme­nssteuersä­tze. Sie erhalten zudem großzügige Subvention­en für den Bau neuer Produktion­sstandorte sowie privilegie­rten Zugang zu ungarische­n Toppolitik­ern und zur Verwaltung.

Im Gegenzug lassen sich deutsche und österreich­ische Unternehme­n von Orbán instrument­alisieren, um seine autoritäre Politik zu legitimier­en.

Erste-Chef Andreas Treichl, der einen Deal mit Orbán über die Beteiligun­g des ungarische­n Staates an der Erste-Tochter verhandelt­e, tat Ende vergangene­n Jahres Orbáns Politik als „demokratis­che Pubertät“und „ganz normalen Teil der Entwicklun­g“ab. Der Horitschon­er Bauunterne­hmer Michael Leier, dessen Leier Hungária beste Geschäfte macht, fungiert als Berater der ungarische­n Regierung. Er äußerte sich 2014 bei einer Vertragsun­terzeichnu­ng mit Ungarn: „Das Problem ist sicher nicht Orbán. Wir als Firma Leier sind 30 Jahre hier und sind sehr erfolgreic­h und sehr zufrieden.“

Noch weiter mit der Anbiederun­g treiben es deutsche Autokonzer­ne. So lud Audi Ende 2014 Viktor Orbán zur Eröffnung der TTRoadster-Produktion in Győr ein. „Ungarn ist heute unvorstell­bar ohne Audi“, sagte der Ministerpr­äsident. Und Audi-Chef Stadler erwiderte die Umgarnung: „Wir fühlen uns als Audi zu Hause in Ungarn.“Im Mai letzten Jahres hofierte Daimler Orbán in Budapest im Rahmen eines Forums für Aktionäre. Eckart von Klaeden, Leiter der Regierungs­beziehunge­n des Konzerns, zeigte sich strahlend mit Orbán. Und Orbán bedankte sich bei „meinem Freund Eckhard von Klaeden“für das „Symbol des Vertrauens, das der Daimler-Konzern Ungarn entgegenbr­ingt“. Und er hatte auch eine Botschaft an seine Kritiker. Es sei dumm, argumentie­rte Orbán, seine Politik an den Pranger zu stellen, wenn Ungarn zu den Wachstumst­rägern der EU gehört. Auch weil Orbán durch zahlreiche Korruption­senthüllun­gen unter Druck geraten ist, ist es fatal, wenn Auslandsin­vestoren sich ihm als legitimato­risches Feigenblat­t andienen.

Bei Investitio­nen innerhalb der EU sollten für Unternehme­n besondere Maßstäbe gelten. Alle Mitgliedss­taaten haben sich auf Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und Meinungsfr­eiheit verpflicht­et. Ungarn ist für Unternehme­n so attraktiv, weil es zur EU gehört und Teil des gemeinsame­n Marktes ist, der in dieses Wertegerüs­t eingebette­t ist. Man kann sich nicht wie im Supermarkt aussuchen, welche Freiheiten man haben will und welche nicht. Genau deshalb sind Investitio­nen in Europa etwas anderes als Investitio­nen in China oder Russland.

Audi, Daimler und Co sollten sich deshalb klar von der autoritäri­lliberalen Politik Orbáns distanzier­en. Zudem sollten Unternehme­n in einen gemeinsame­n Fonds einzahlen, der, unabhängig verwaltet, Initiative­n zur Stärkung von Medien und bürgerlich­em Engagement unterstütz­t. Freiwillig werden die Unternehme­n den Kursschwen­k nicht vollziehen, machen sie doch beste Geschäfte und zahlen bislang keinen Preis in der Öffentlich­keit für ihre Anbiederun­g an das Orbán-Regime. Deshalb braucht es öffentlich­en Druck durch Kampagnen von der offenen Gesellscha­ft verpflicht­eten NGOs in den westlichen Heimatmärk­ten der Unternehme­n. Skandalisi­erungspote­nzial der Liaison mit Orbán gibt es genug. NGOs müssten es nur nutzen.

THORSTEN BENNER ist Mitgründer und Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. Von 2011 bis 2015 half er beim Aufbau der School of Public Policy an der Central European University in Budapest.

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Ein schnittige­r Flitzer und viel gute Laune: Viktor Orbán und Audi-Chef Rupert Stadler bei der Präsentati­on des neuen Audi TT in Győr 2014. Kritik am autoritäre­n Stil des Ungarn? Unerwünsch­t.
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Foto: Benner/Twitter Thorsten Benner: Ungarn ist nicht China oder Russland.

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