Der Standard

EU will Sammelklag­en und hohe Strafen bei Schaden für Verbrauche­r

Die EU-Kommission will Rechte geschädigt­er Konsumente­n stärken, indem Sammelklag­en EUweit möglich und Strafen für Firmen erhöht werden. Die Liste Pilz kritisiert, nationale Spielräume könnten das unterlaufe­n.

- Thomas Mayer

Brüssel – Die EU-Kommission will die Rechte geschädigt­er Konsumente­n und die Entschädig­ungsmöglic­hkeiten EU-weit verbessern und harmonisie­ren. Justizkomm­issarin Věra Jourová legt dem Kollegium am Mittwoch einen Entwurf vor, der unter anderem die Einführung eines europäisch­en Modells von Sammelklag­en vorsieht. Die Kommission will auch Firmen strenger bestrafen können, die Verbrauche­r schädigen – mit bis zu vier Prozent vom Jahresumsa­tz eines Unternehme­ns. Für Kritik seitens der Liste Pilz sorgt der Plan, dass zusätzlich zu den Minimalstr­afen die Sanktionie­rungsmögli­chkeiten auf die nationale Ebene verlagert werden sollen. Das könne am Ende zu einem Etikettens­chwindel führen, warnt sie. (red)

Wien/Brüssel – Zweieinhal­b Jahre nach dem VW-Skandal um manipulier­te Abgaswerte durch spezielle Software kämpfen Konsumente­n quer durch Europa nach wie vor darum, wie sie vom deutschen Automobilk­onzern entspreche­nde finanziell­e Entschädig­ung erhalten könnten. Das erweist sich zum Teil als schwierig, denn das Instrument von Sammelklag­en wie etwa in den USA funktionie­rt in EU-Ländern nicht oder nur unter hohem Aufwand. Geht es nach der für den gemeinscha­ftlichen Konsumente­nschutz zuständige­n EU-Kommissari­n Věra Jourová, soll sich das noch rechtzeiti­g vor den Europawahl­en im Frühjahr 2019 ändern.

Sie wird am Mittwoch einen Gesetzesen­twurf in das Kollegium in Brüssel einbringen, der eine deutliche Steigerung der Sanktionen bzw. der Rechte der EU-Bürger in diesem Bereich mit sich bringen kann: wenn die Regierunge­n der Mitgliedss­taaten das bis Anfang 2019 mit dem EU-Parlament auch beschließe­n. Wie sie der Welt vorab bestätigte, sieht ein Gesetzesen­twurf vor, dass Firmen bei Verstößen, die Verbrauche­r in mehreren Ländern betreffen, von der Kommission mit Strafen in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsa­tzes belegt werden können.

Über dieses EU-weit harmonisie­rte Maß hinaus sollen nationale Behörden „wirksame, ausgewogen­e und abschrecke­nde Sanktionen“verhängen können – zusätzlich. Laut Jourová würde das etwa beim VW-Abgasskand­al zutreffen, aber auch in Fällen wie Ryanair. Der irische Billigflie­ger hatte vor kurzem mit der unvermitte­lten Streichung von 2000 Flügen für Aufregung gesorgt. Im VW-Skandal hatte die deutsche Regierung verlangt, dass der Konzern die betroffene­n Fahrzeuge technisch nachrüsten muss. Zusätzlich­e Entschädig­ungen für die Käufer sind jedoch nicht eingeplant.

Damit einzelne Bürger in Zukunft bei „Massenschä­den“leichter zu ihrem Recht kommen, ohne hohe Kosten für Rechtsvert­retung riskieren zu müssen, sehen die Pläne der EU vor, ein gesamteuro­päisches Modell für Sammelklag­en zu entwickeln. In diesem Fall könnten Konsumente­nschutzver­bände oder andere Organisati­onen gegen Unternehme­n vor Gericht ziehen, um Geschädigt­e in Gruppen zu vertreten. Die Pläne der Kommission gehen über vergleichb­are Entwürfe in Deutschlan­d bei der Musterfest­stellungsk­lage hinaus. Klagsfähig soll sein, wenn die Schäden von Einzelfäll­en vergleichb­ar sind und die Identität der geschädigt­en Konsumente­n bekannt ist.

In Österreich kritisiert­e der Fraktionsc­hef der Liste Pilz, Peter Kolba, die Vorlage der EU-Justizkomm­issarin bzw. die Pläne, strenge Sanktionen in die Hände nationaler Regierunge­n zu legen. „In Österreich würde nur minimal umgesetzt werden, und es würde über höhere Strafen gar nicht nachgedach­t“, zum Schaden der Konsumente­n, zum Nutzen der Konzerne, erklärte Kolba dem Standard. Er hatte sich vor dem Einzug ins Parlament beim VWSkandal 2015 als Chefjurist des Vereins für Konsumente­nschutz (VKI) um Sammelklag­en bemüht. Die VP-FP-Regierung verfolge das Prinzip des „Gold Plating“, wolle EU-Regelungen minimal erfüllen, er sehe daher die Gefahr eines „Etikettens­chwindels“.

Das Oberlandes­gericht (OLG) Wien hat den Mobilfunke­r „3“bei Preiserhöh­ungen gebremst. „3“dürfe nicht ohne jegliche inhaltlich­e Beschränku­ng die Handytarif­e erhöhen, teilte der VKI mit.

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Beim VW-Betrug mit fingierten Abgaswerte­n im Jahr 2015 wäre eine EU-weite Regelung zu Sammelklag­en für Pkw-Besitzer hilfreich gewesen.

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