Kopftuch nein, Kippa ja?
Die Regierung will das Kopftuch aus Kindergärten und Volksschulen verbannen, die Kippa aber nicht – juristisch ist das umstritten
Die Regierung will das Kopftuch aus Volksschulen verbannen, die Kippa nicht. Juristisch ist das umstritten.
Wien – Kopftuch nein, Kippa ja? Bei der Frage, ob das Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen muslimische Mädchen diskriminiert, wenn jüdische Buben weiterhin ihr Gebetskäppchen tragen dürfen, scheiden sich die Geister.
Die Bundesregierung bleibt dabei: Da es im Islam kein Gebot gibt, kleine Mädchen zu verschleiern, könne das Kopftuch auch kein religiöses Symbol sein. Verboten wird also kein religiöses Kleidungsstück, sondern schlicht und einfach ein Stück Stoff, das Mädchen unterdrückt, so die Argumentation. Mit Religion habe das alles gar nichts zu tun.
Dass Kinder durch religiöse Bekleidung abgestempelt werden, gelte aber nicht nur fürs muslimische Kopftuch, dieses Argument könne auch im Fall der jüdischen Kippa angeführt werden, meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Letztlich komme man um die Frage, ob man eine Religion strenger behandeln darf als die andere, nicht herum.
Die türkis-blaue Koalition sieht sich jedenfalls durch das Gutachten des Verfassungsdienstes ( der
STANDARD berichtete) bestärkt. Hier heißt es: Es sei „davon auszu- gehen, dass ein Verbot religiöser Kopfbedeckungen für Kinder in Kindergärten und Volksschulen, das unabhängig von der religiösen Überzeugung gilt, dem Grunde nach zulässig ist.“
Juristische Auslegungsfrage
„Unabhängig von der religiösen Überzeugung“– diese Formulierung ist missverständlich. Sie kann bedeuten, dass man nicht eine Glaubensgemeinschaft herauspicken darf. Sie kann aber auch, und so liest es die Koalition, aussagen, dass man Kleidungen dann verbieten darf, wenn sie nicht religiös motiviert sind. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer versteht die Einschätzung des Verfassungsdienstes anders: „Entweder das Kopftuch ist ein religiöses Symbol – dann kann ich es verbieten, wenn ich alle religiösen Symbole aus Kindergärten und Schulen verbanne.“Oder? „Wenn ich das Kopftuch als kulturelles Symbol verstehe, darf ich es nur in bestimmten Fällen verbieten. Etwa dann, wenn dadurch die öffentliche Ruhe und Sicherheit gestört werden, was durch Volksschülerinnen wohl nicht der Fall ist“, erklärt der Experte. „Ansonsten könnte man als Nächstes auch Tracht verbieten oder so etwas.“
Die Regierung sieht sich außerdem durch ein Urteil des Europäi- schen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Schweiz bestärkt, in dem festgehalten wird, dass der Staat muslimischen Familien die Teilnahme ihrer Kinder am schulischen Schwimmunterricht vorschreiben darf.
Verfassungsexperte Mayer wendet ein: „Es ist doch ein Unterschied, ob man Mädchen Schwimmunterricht ermöglichen oder ihnen generell ein Kleidungsstück verbieten will.“
Auch in Deutschland haben sich nun mehrere Politiker der konservativen Union (CDU und CSU) für ein Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren ausgesprochen.