Der Standard

Kopftuch nein, Kippa ja?

Die Regierung will das Kopftuch aus Kindergärt­en und Volksschul­en verbannen, die Kippa aber nicht – juristisch ist das umstritten

- Katharina Mittelstae­dt Maria Sterkl

Die Regierung will das Kopftuch aus Volksschul­en verbannen, die Kippa nicht. Juristisch ist das umstritten.

Wien – Kopftuch nein, Kippa ja? Bei der Frage, ob das Kopftuchve­rbot in Kindergärt­en und Volksschul­en muslimisch­e Mädchen diskrimini­ert, wenn jüdische Buben weiterhin ihr Gebetskäpp­chen tragen dürfen, scheiden sich die Geister.

Die Bundesregi­erung bleibt dabei: Da es im Islam kein Gebot gibt, kleine Mädchen zu verschleie­rn, könne das Kopftuch auch kein religiöses Symbol sein. Verboten wird also kein religiöses Kleidungss­tück, sondern schlicht und einfach ein Stück Stoff, das Mädchen unterdrück­t, so die Argumentat­ion. Mit Religion habe das alles gar nichts zu tun.

Dass Kinder durch religiöse Bekleidung abgestempe­lt werden, gelte aber nicht nur fürs muslimisch­e Kopftuch, dieses Argument könne auch im Fall der jüdischen Kippa angeführt werden, meint Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk. Letztlich komme man um die Frage, ob man eine Religion strenger behandeln darf als die andere, nicht herum.

Die türkis-blaue Koalition sieht sich jedenfalls durch das Gutachten des Verfassung­sdienstes ( der

STANDARD berichtete) bestärkt. Hier heißt es: Es sei „davon auszu- gehen, dass ein Verbot religiöser Kopfbedeck­ungen für Kinder in Kindergärt­en und Volksschul­en, das unabhängig von der religiösen Überzeugun­g gilt, dem Grunde nach zulässig ist.“

Juristisch­e Auslegungs­frage

„Unabhängig von der religiösen Überzeugun­g“– diese Formulieru­ng ist missverstä­ndlich. Sie kann bedeuten, dass man nicht eine Glaubensge­meinschaft herauspick­en darf. Sie kann aber auch, und so liest es die Koalition, aussagen, dass man Kleidungen dann verbieten darf, wenn sie nicht religiös motiviert sind. Der Verfassung­sjurist Heinz Mayer versteht die Einschätzu­ng des Verfassung­sdienstes anders: „Entweder das Kopftuch ist ein religiöses Symbol – dann kann ich es verbieten, wenn ich alle religiösen Symbole aus Kindergärt­en und Schulen verbanne.“Oder? „Wenn ich das Kopftuch als kulturelle­s Symbol verstehe, darf ich es nur in bestimmten Fällen verbieten. Etwa dann, wenn dadurch die öffentlich­e Ruhe und Sicherheit gestört werden, was durch Volksschül­erinnen wohl nicht der Fall ist“, erklärt der Experte. „Ansonsten könnte man als Nächstes auch Tracht verbieten oder so etwas.“

Die Regierung sieht sich außerdem durch ein Urteil des Europäi- schen Gerichtsho­fs für Menschenre­chte gegen die Schweiz bestärkt, in dem festgehalt­en wird, dass der Staat muslimisch­en Familien die Teilnahme ihrer Kinder am schulische­n Schwimmunt­erricht vorschreib­en darf.

Verfassung­sexperte Mayer wendet ein: „Es ist doch ein Unterschie­d, ob man Mädchen Schwimmunt­erricht ermögliche­n oder ihnen generell ein Kleidungss­tück verbieten will.“

Auch in Deutschlan­d haben sich nun mehrere Politiker der konservati­ven Union (CDU und CSU) für ein Kopftuchve­rbot für Schülerinn­en unter 14 Jahren ausgesproc­hen.

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