ZITAT DES TAGES
Mit offenem Heimatbegriff und einem Verkehrsplan will Grünen-Chefin Astrid Rössler die Wähler überzeugen. Der politische Stil sei der Trumpf für eine Koalition mit der ÖVP, wenn es sich rechnerisch ausgeht.
„Wir wollen den Heimatbegriff nicht länger von rechten Parteien vereinnahmen lassen.“
Salzburgs Grünen-Spitzenkandidatin Astrid Rössler über das jüngste Wahlplakat „Heimat beschützen“, das Kinder in Tracht zeigt
Die Salzburger Grünen setzten in ihrer Kampagne voll auf ihre polarisierende Spitzenkandidatin Astrid Rössler. Mit Tempo 80 auf der Stadtautobahn hat sich die Umweltlandesrätin nicht nur Freunde, aber einen Namen gemacht. Das neue Raumordnungsgesetz verbucht Rössler als Erfolg. Die von ihr zuvor bekämpfte 380-kV-Leitung musste sie genehmigen. Ein bitterer Tag für die Freileitungsgegnerin.
Die Grünen spitzen den Wahlkampf auf eine Richtungsentscheidung zwischen Grün und Blau zu. Das Wahlkampfbudget liegt bei 385.000 Euro. Das Rekordergebnis von 20,2 Prozent bei der letzten Wahl wird schwer zu halten sein. Das erklärte Ziel ist es, der ÖVP rechnerisch die Möglichkeit zu bieten, noch einmal eine Regierung mit den Grünen zu bilden.
Standard: Sie sind keine Politikerin, heißt es in Ihrer Kampagne. Als Landeshauptmannstellvertreterin sind Sie die zweitbestverdienende Politikerin im Land Salzburg. Verstehen Sie, wenn sich manche Wähler gefrotzelt fühlen? Rössler: Wir wollten bewusst die Frage in den Raum stellen, was das Bild von Politikern ist und was die Erwartungen an Politiker sind. Wer ist der Mensch dahinter, und was sind die Themen und Inhalte, für die er in einer politischen Funktion eintritt. Es geht nicht darum, ob es ein Job ist, ob die Entlohnung hoch ist, sondern um die Verantwortung und das Motiv. Die Themen Umweltschutz und nachhaltige Politik, die die nächsten Generationen im Blick haben, sind mir unverändert wichtig.
Standard: Sie spitzen den Wahlkampf auf Blau gegen Grün zu. Warum sollte Haslauer wieder mit Ihnen koalieren? Rössler: Weil in den letzten fünf Jahren das Arbeitsprogramm zu großen Teilen umgesetzt worden ist. Unser Regierungspartner, die ÖVP, schätzt den Arbeitsstil und die konstruktive Art, politische Entscheidungen zu treffen. Inter- essenunterschiede nicht öffentlich auszutragen, sondern sich tief in Sachfragen einzuarbeiten und gemeinsam auszuverhandeln.
Standard: Dieser vielbeschworene neue Stil ist nicht immer eingehalten worden. Wilfried Haslauer ist eingeschritten und hat ein Machtwort in der Raumordnung gesprochen. Hat er Sie da öffentlich vorgeführt? Rössler: Es ist eine unserer Stärken, nicht auf jeden Zuruf öffentlich zu reagieren, sondern das in aller Ruhe sachlich am Verhandlungstisch zu diskutieren. Es gab von Bürgermeistern oder dem Gemeindeverband immer wieder Kritik, die ich nicht öffentlich kommentiert habe. Ich bin zu diesem Arbeitsstil gestanden. Am Ende ist das Raumordnungsgesetz gemeinsam beschlossen worden. Auch mit Lob vonseiten des Gemeindeverbands für die Art, mit unterschiedlichen Interessen umzugehen und nicht einfach drüberzufahren.
Standard: Aber dieses Ultimatum hat Haslauer damals gesetzt. Rössler: Das ist für mich wirklich Schnee von gestern.
Standard: Bei der 380-kV-Leitung sind Sie vor der letzten Wahl noch als Gegnerin aufgetreten, nun haben Sie sie beschließen müssen. Rössler: Im Fall der 380-kV-Leitung bin ich als Behördenleiterin verpflichtet, die Gesetze zu vollziehen. Ich habe versucht, eine andere Variante zu ermöglich. Trotzdem ist das Ergebnis zu respektieren. Alles andere wäre Amtsmissbrauch. Ich bin darauf vereidigt, ein rechtsstaatliches Verfahren zu wahren, auch wenn mir das Ergebnis nicht gefällt.
Standard: Sie werden von vielen Wählern nur mit Tempo 80 in Verbindung gebracht. In Wien und Linz gibt es auch einen 80er auf der Stadtautobahn. Die Aufregung blieb aus. Hat man den 80er in Salzburg falsch verkauft? Rössler: Verkehrsthemen sind immer sehr emotional. Salzburg hat
eine stärkere Identifikation mit dem motorisierten Vehikel. Unterm Strich war es trotzdem das gelindeste Mittel, um die Luftwerte zu verbessern. Es ist eine Gesundheitsmaßnahme, keine Maßnahme zur Verkehrsregulierung, zu der uns die Europäische Kommission auch aufgerufen hat. Wir sind in einem laufenden Vertragsverletzungsverfahren. Tempolimits sind ausdrücklich genannt worden. Wir haben messbare Rückgänge zum Vorteil von 3000 Menschen, die im Nahbereich leben. Ich treffe auch immer wieder Menschen, die sagen, am Anfang habe es sie gestört, aber mittlerweile haben sie sich daran gewöhnt.
Standard: Bleiben wir bei der Identifikation der Salzburger mit dem Auto. Sie haben einen Zwölfpunk-
teplan vorgelegt und sich damit de facto als Verkehrslandesrätin beworben. Wie wollen Sie in Salzburg Maßnahmen umsetzen, das Auto stehenzulassen? Rössler: Es wird nicht anders gehen, als alle verfügbaren Mittel der Mobilität künftig geschickt mit digitaler Unterstützung zu kombinieren. Durch ein abgestimmtes Angebot vom Fahrplan bis zum Ticket im öffentlichen Verkehr, Park-and-ride-Einrichtungen, alternative Mobilität, Busspuren. Es braucht mindestens diese zwölf Punkte bis hin zur Stadtquerung mit der leistungsfähigen Stadtregionalbahn.
Standard: Nach der Fortsetzung der Koalition in Tirol sagt Landeshauptmann Günther Platter, Schwarz-Grün habe dieselbe Weltsicht. Sehen Sie das auch so?
Rössler: Das hängt stark davon ab, worauf man den Fokus richtet. In manchen Dingen würde ich sagen Ja. Aber natürlich gibt es Unterschiede. Die ÖVP hat die Wirtschaftsbrille auf, und wir haben öfter die Umweltbrille und eine soziale Brille auf. Aber in der Kombination hat es gut funktioniert.
Standard: Wo sehen Sie die Salzburger Grünen positioniert? Eher im bürgerlichen Lager oder links der Mitte?
Rössler: Es gibt beides. Die Grünen haben sich in den letzten Jahren geöffnet. Von einer städtischen zu einer auch auf die Region ausgerichteten politischen Sichtweise.
Standard: Also mehr in die Mitte gerückt?
Rössler: Wir haben ein Stück von der Mitte dazugenommen ohne uns von der Positionierung ändern zu müssen. Vielleicht ist ein Ast dort rausgewachsen. Von der Grundausrichtung haben wir uns nicht verändert. So wie die ÖVP durch die Zusammenarbeit bei bestimmten klassischen grünen Themen auch ein differenzierteres Bild entwickelt hat.
Standard: Mit dem Wahlplakat „Heimat beschützen“haben Sie für eine Debatte gesorgt. Kritiker werfen Ihnen vor, reaktionäre Rhetorik in Kombination mit Kindern in Tracht zu plakatieren.
Rössler: Wir wollen den Heimatbegriff nicht länger von rechten Parteien vereinnahmen lassen. Unser Heimatbegriff ist ein anderer: im Sinne von Zusammenarbeit, Verwurzeltsein, Landschaft, Nachbarn. Ein Gebiet, wo man sich zu Hause fühlt. Das ist unser Bild von einer offenen Heimat. Der Untertitel ist auch ein klares Bekenntnis, dass wir auf die sozialen Strukturen, Menschlichkeit und Menschenrechte Wert legen. Wir beobachten auch, dass Menschen unsere Plakate verteidigen.
Standard: Ziehen Sie bei einer Wahlniederlage persönliche Konsequenzen? Rössler: Das wird vom Ergebnis abhängen. Ich bin Sportlerin, ich denke jetzt an die Ziellinie und nicht wie es danach weitergeht.
Die Grünen haben sich geöffnet. Von einer städtischen zu einer auch regionalen politischen Sichtweise.
ASTRID RÖSSLER( 58) ist seit 2013 Landeshauptmannstellvertreterin in Salzburg und für Umwelt und Raumordnung zuständig. Rössler ist seit 2009 Landtagsabgeordnete und seit 2011 Landessprecherin der Salzburger Grünen. Zuvor war die Juristin bei der Landesumweltanwaltschaft und später als Unternehmensberaterin und Mediatorin tätig.