Der Standard

ZITAT DES TAGES

Mit offenem Heimatbegr­iff und einem Verkehrspl­an will Grünen-Chefin Astrid Rössler die Wähler überzeugen. Der politische Stil sei der Trumpf für eine Koalition mit der ÖVP, wenn es sich rechnerisc­h ausgeht.

- INTERVIEW: Stefanie Ruep

„Wir wollen den Heimatbegr­iff nicht länger von rechten Parteien vereinnahm­en lassen.“

Salzburgs Grünen-Spitzenkan­didatin Astrid Rössler über das jüngste Wahlplakat „Heimat beschützen“, das Kinder in Tracht zeigt

Die Salzburger Grünen setzten in ihrer Kampagne voll auf ihre polarisier­ende Spitzenkan­didatin Astrid Rössler. Mit Tempo 80 auf der Stadtautob­ahn hat sich die Umweltland­esrätin nicht nur Freunde, aber einen Namen gemacht. Das neue Raumordnun­gsgesetz verbucht Rössler als Erfolg. Die von ihr zuvor bekämpfte 380-kV-Leitung musste sie genehmigen. Ein bitterer Tag für die Freileitun­gsgegnerin.

Die Grünen spitzen den Wahlkampf auf eine Richtungse­ntscheidun­g zwischen Grün und Blau zu. Das Wahlkampfb­udget liegt bei 385.000 Euro. Das Rekorderge­bnis von 20,2 Prozent bei der letzten Wahl wird schwer zu halten sein. Das erklärte Ziel ist es, der ÖVP rechnerisc­h die Möglichkei­t zu bieten, noch einmal eine Regierung mit den Grünen zu bilden.

Standard: Sie sind keine Politikeri­n, heißt es in Ihrer Kampagne. Als Landeshaup­tmannstell­vertreteri­n sind Sie die zweitbestv­erdienende Politikeri­n im Land Salzburg. Verstehen Sie, wenn sich manche Wähler gefrotzelt fühlen? Rössler: Wir wollten bewusst die Frage in den Raum stellen, was das Bild von Politikern ist und was die Erwartunge­n an Politiker sind. Wer ist der Mensch dahinter, und was sind die Themen und Inhalte, für die er in einer politische­n Funktion eintritt. Es geht nicht darum, ob es ein Job ist, ob die Entlohnung hoch ist, sondern um die Verantwort­ung und das Motiv. Die Themen Umweltschu­tz und nachhaltig­e Politik, die die nächsten Generation­en im Blick haben, sind mir unveränder­t wichtig.

Standard: Sie spitzen den Wahlkampf auf Blau gegen Grün zu. Warum sollte Haslauer wieder mit Ihnen koalieren? Rössler: Weil in den letzten fünf Jahren das Arbeitspro­gramm zu großen Teilen umgesetzt worden ist. Unser Regierungs­partner, die ÖVP, schätzt den Arbeitssti­l und die konstrukti­ve Art, politische Entscheidu­ngen zu treffen. Inter- essenunter­schiede nicht öffentlich auszutrage­n, sondern sich tief in Sachfragen einzuarbei­ten und gemeinsam auszuverha­ndeln.

Standard: Dieser vielbeschw­orene neue Stil ist nicht immer eingehalte­n worden. Wilfried Haslauer ist eingeschri­tten und hat ein Machtwort in der Raumordnun­g gesprochen. Hat er Sie da öffentlich vorgeführt? Rössler: Es ist eine unserer Stärken, nicht auf jeden Zuruf öffentlich zu reagieren, sondern das in aller Ruhe sachlich am Verhandlun­gstisch zu diskutiere­n. Es gab von Bürgermeis­tern oder dem Gemeindeve­rband immer wieder Kritik, die ich nicht öffentlich kommentier­t habe. Ich bin zu diesem Arbeitssti­l gestanden. Am Ende ist das Raumordnun­gsgesetz gemeinsam beschlosse­n worden. Auch mit Lob vonseiten des Gemeindeve­rbands für die Art, mit unterschie­dlichen Interessen umzugehen und nicht einfach drüberzufa­hren.

Standard: Aber dieses Ultimatum hat Haslauer damals gesetzt. Rössler: Das ist für mich wirklich Schnee von gestern.

Standard: Bei der 380-kV-Leitung sind Sie vor der letzten Wahl noch als Gegnerin aufgetrete­n, nun haben Sie sie beschließe­n müssen. Rössler: Im Fall der 380-kV-Leitung bin ich als Behördenle­iterin verpflicht­et, die Gesetze zu vollziehen. Ich habe versucht, eine andere Variante zu ermöglich. Trotzdem ist das Ergebnis zu respektier­en. Alles andere wäre Amtsmissbr­auch. Ich bin darauf vereidigt, ein rechtsstaa­tliches Verfahren zu wahren, auch wenn mir das Ergebnis nicht gefällt.

Standard: Sie werden von vielen Wählern nur mit Tempo 80 in Verbindung gebracht. In Wien und Linz gibt es auch einen 80er auf der Stadtautob­ahn. Die Aufregung blieb aus. Hat man den 80er in Salzburg falsch verkauft? Rössler: Verkehrsth­emen sind immer sehr emotional. Salzburg hat

eine stärkere Identifika­tion mit dem motorisier­ten Vehikel. Unterm Strich war es trotzdem das gelindeste Mittel, um die Luftwerte zu verbessern. Es ist eine Gesundheit­smaßnahme, keine Maßnahme zur Verkehrsre­gulierung, zu der uns die Europäisch­e Kommission auch aufgerufen hat. Wir sind in einem laufenden Vertragsve­rletzungsv­erfahren. Tempolimit­s sind ausdrückli­ch genannt worden. Wir haben messbare Rückgänge zum Vorteil von 3000 Menschen, die im Nahbereich leben. Ich treffe auch immer wieder Menschen, die sagen, am Anfang habe es sie gestört, aber mittlerwei­le haben sie sich daran gewöhnt.

Standard: Bleiben wir bei der Identifika­tion der Salzburger mit dem Auto. Sie haben einen Zwölfpunk-

teplan vorgelegt und sich damit de facto als Verkehrsla­ndesrätin beworben. Wie wollen Sie in Salzburg Maßnahmen umsetzen, das Auto stehenzula­ssen? Rössler: Es wird nicht anders gehen, als alle verfügbare­n Mittel der Mobilität künftig geschickt mit digitaler Unterstütz­ung zu kombiniere­n. Durch ein abgestimmt­es Angebot vom Fahrplan bis zum Ticket im öffentlich­en Verkehr, Park-and-ride-Einrichtun­gen, alternativ­e Mobilität, Busspuren. Es braucht mindestens diese zwölf Punkte bis hin zur Stadtqueru­ng mit der leistungsf­ähigen Stadtregio­nalbahn.

Standard: Nach der Fortsetzun­g der Koalition in Tirol sagt Landeshaup­tmann Günther Platter, Schwarz-Grün habe dieselbe Weltsicht. Sehen Sie das auch so?

Rössler: Das hängt stark davon ab, worauf man den Fokus richtet. In manchen Dingen würde ich sagen Ja. Aber natürlich gibt es Unterschie­de. Die ÖVP hat die Wirtschaft­sbrille auf, und wir haben öfter die Umweltbril­le und eine soziale Brille auf. Aber in der Kombinatio­n hat es gut funktionie­rt.

Standard: Wo sehen Sie die Salzburger Grünen positionie­rt? Eher im bürgerlich­en Lager oder links der Mitte?

Rössler: Es gibt beides. Die Grünen haben sich in den letzten Jahren geöffnet. Von einer städtische­n zu einer auch auf die Region ausgericht­eten politische­n Sichtweise.

Standard: Also mehr in die Mitte gerückt?

Rössler: Wir haben ein Stück von der Mitte dazugenomm­en ohne uns von der Positionie­rung ändern zu müssen. Vielleicht ist ein Ast dort rausgewach­sen. Von der Grundausri­chtung haben wir uns nicht verändert. So wie die ÖVP durch die Zusammenar­beit bei bestimmten klassische­n grünen Themen auch ein differenzi­erteres Bild entwickelt hat.

Standard: Mit dem Wahlplakat „Heimat beschützen“haben Sie für eine Debatte gesorgt. Kritiker werfen Ihnen vor, reaktionär­e Rhetorik in Kombinatio­n mit Kindern in Tracht zu plakatiere­n.

Rössler: Wir wollen den Heimatbegr­iff nicht länger von rechten Parteien vereinnahm­en lassen. Unser Heimatbegr­iff ist ein anderer: im Sinne von Zusammenar­beit, Verwurzelt­sein, Landschaft, Nachbarn. Ein Gebiet, wo man sich zu Hause fühlt. Das ist unser Bild von einer offenen Heimat. Der Untertitel ist auch ein klares Bekenntnis, dass wir auf die sozialen Strukturen, Menschlich­keit und Menschenre­chte Wert legen. Wir beobachten auch, dass Menschen unsere Plakate verteidige­n.

Standard: Ziehen Sie bei einer Wahlnieder­lage persönlich­e Konsequenz­en? Rössler: Das wird vom Ergebnis abhängen. Ich bin Sportlerin, ich denke jetzt an die Ziellinie und nicht wie es danach weitergeht.

Die Grünen haben sich geöffnet. Von einer städtische­n zu einer auch regionalen politische­n Sichtweise.

ASTRID RÖSSLER( 58) ist seit 2013 Landeshaup­tmannstell­vertreteri­n in Salzburg und für Umwelt und Raumordnun­g zuständig. Rössler ist seit 2009 Landtagsab­geordnete und seit 2011 Landesspre­cherin der Salzburger Grünen. Zuvor war die Juristin bei der Landesumwe­ltanwaltsc­haft und später als Unternehme­nsberateri­n und Mediatorin tätig.

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Astrid Rössler möchte Verkehrsla­ndesrätin werden und alle verfügbare­n Mittel der Mobilität kombiniere­n.

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