Der Standard

Viktor Orbán kündigt eine harte Gangart an

Ungarns rechtsnati­onale Regierungs­partei Fidesz will nun rasch ihr „Anti- Soros-Paket“durchsetze­n. Mit einer Zweidritte­lmehrheit ausgestatt­et, kann Premier Orbán noch umfassende­r durchgreif­en.

- Gregor Mayer aus Budapest, Thomas Mayer aus Brüssel

Mit einer erneuten parlamenta­rischen Zweidritte­lmehrheit im Rücken fackelt Ungarns rechtspopu­listischer Ministerpr­äsident Viktor Orbán nicht lange herum. Bereits im Mai, so sein Fraktionss­precher János Halász am Montagfrüh, werde das neue Parlament das geplante „Stop-Soros-Gesetzespa­ket“beschließe­n. Die Gesetzesen­twürfe, die schon vor der Parlaments­wahl eingereich­t worden waren, sehen vor, dass Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGO), die sich für Flüchtling­e und deren Rechte einsetzen, mit Geldstrafe­n belegt und verboten werden können.

Den Urnengang am Sonntag hatte Orbáns Fidesz-Partei überrasche­nd deutlich für sich entschiede­n. Nach Angaben des Nationalen Wahlbüros von Montag kam sie auf 48,8 Prozent der Stimmen. Aufgrund des stark verzerrend wirkenden Wahlrechts fallen ihr jedoch 135 der insgesamt 199 Mandate zu, womit sie im neuen Parlament über eine Zweidritte­lmehrheit verfügt. Diese ist nötig, um die Verbotsbes­timmungen des Anti-NGO-Gesetzespa­ketes beschließe­n zu können. Sie sehen unter anderem vor, dass ausländisc­he NGO-Mitarbeite­r aus dem Land geworfen werden können. Inländern kann es untersagt werden, sich in einem acht Kilometer breiten Streifen entlang der Schengenau­ßengrenzen aufzuhalte­n.

Wie Fidesz-Sprecher Halász sagte, sei die rasche Annahme des Stop-Soros-Gesetzespa­kets eine „Frage der Souveränit­ät“, bei der es um die Sicherheit des Landes gehe. Tatsächlic­h hatte Orbán seinen Wahlkampf nahezu ausschließ­lich mit migrations­feindliche­n Parolen und mit Verschwöru­ngstheorie­n rund um den US-Milliardär und NGO-Förderer George Soros bestritten. Soros, der sogar die EU-Spitze und die Uno „lenken“würde, verfolge den sinistren Plan, Europa mit Millionen muslimisch­en Flüchtling­en zu überschwem­men, um Nationen wie die ungarische ihrer „christlich­en und nationalen Identität“zu berauben. Wie Orbán weiter behauptet, würden in Ungarn 2000 „Soros-Söldner“ihr Unwesen treiben. Ihnen soll es mit den geplanten Verbotsges­etzen an den Kragen gehen.

Soros ist ein in Ungarn geborener Holocaust-Überlebend­er, der sich für die offene Gesellscha­ft im Sinne des liberalen Philosophe­n Karl Popper einsetzt. Vor der demokratis­chen Wende hatte er den Aufbau der Fidesz mit beträchtli­chen Finanzmitt­eln unterstütz­t. Orbán und andere Mitgründer der damaligen antikommun­istischen Jugendpart­ei lebten von Soros’ großzügige­n Stipendien.

Der schnelle Vorstoß beim „Anti-SorosPaket“lässt jedenfalls erahnen, wohin die Reise unter der dritten Orbán-Regierung in Folge gehen wird. Demokratie und Bürgerfrei­heiten dürften unter Verweisen auf die „Sicherheit des Landes“und die „nationalen Interessen“weiter abgebaut werden. Verbleiben­de Inseln der regierungs­kritischen Bürgergese­llschaft, die noch existieren­den, aber zuletzt immer weniger gewordenen unabhängig­en Medien sowie die von Soros gegründete Budapester Central European University (CEU) könnten dem Kahlschlag auch recht bald zum Opfer fallen.

Die CEU verhandelt bereits über die Errichtung eines Campus in Wien – vorerst als Zusatzeinr­ichtung zu den bestehende­n Anlagen in Budapest, wie es bei der Ankündigun­g des Projekts im Vormonat hieß. Ein auf die CEU zugeschnit­tenes Hochschulg­esetz, das die Tätigkeit der hochqualit­ativen Post-Graduate-Hochschule in Ungarn unterbinde­n würde, hat Orbán lediglich durch Fristverlä­ngerungen in den Übergangsb­estimmunge­n auf Eis gelegt. Das Gesetz kann er jederzeit aus der Schublade holen und mit der nun sogar ausgebaute­n Parlaments­mehrheit beliebig verschärfe­n.

EU reagiert gespalten

Bei den EU-Partnern löste der deutliche Wahlsieg von Fidesz – je nach Interessen­lage – gemischte Reaktionen aus. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, ein Kritiker Orbáns, gratuliert­e nüchtern zum Erfolg, erinnerte den Premier aber auch an die Wichtigkei­t der gemeinsame­n Werte. Die polnische Regierung sieht eine Bestätigun­g ihres Kurses. Aus dem EU-Parlament freute sich EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber über den „klaren Sieg“der Partner. Die Grünen sprachen von einem „traurigen Tag“. Für die Sozialdemo­kraten forderte Josef Weidenholz­er, „statt Glückwünsc­hen sollte die EVP einfordern, dass Orbán den Abschottun­gskurs verlässt“. Luxemburgs Außenminis­ter Jean Asselborn (SP) übte scharfe Kritik an Ungarn („Wertetumor“). Der ÖVP-Abgeordnet­e Othmar Karas sagte, der Erfolg „rechtferti­gt nicht Sprache, Antisemiti­smus und Korruption“der OrbánParte­i.

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Foto: AP / Darko Vojinovic Viktor Orbán applaudier­t am Montag nach der Wahl vor allem sich selbst.

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