Viktor Orbán kündigt eine harte Gangart an
Ungarns rechtsnationale Regierungspartei Fidesz will nun rasch ihr „Anti- Soros-Paket“durchsetzen. Mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet, kann Premier Orbán noch umfassender durchgreifen.
Mit einer erneuten parlamentarischen Zweidrittelmehrheit im Rücken fackelt Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán nicht lange herum. Bereits im Mai, so sein Fraktionssprecher János Halász am Montagfrüh, werde das neue Parlament das geplante „Stop-Soros-Gesetzespaket“beschließen. Die Gesetzesentwürfe, die schon vor der Parlamentswahl eingereicht worden waren, sehen vor, dass Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich für Flüchtlinge und deren Rechte einsetzen, mit Geldstrafen belegt und verboten werden können.
Den Urnengang am Sonntag hatte Orbáns Fidesz-Partei überraschend deutlich für sich entschieden. Nach Angaben des Nationalen Wahlbüros von Montag kam sie auf 48,8 Prozent der Stimmen. Aufgrund des stark verzerrend wirkenden Wahlrechts fallen ihr jedoch 135 der insgesamt 199 Mandate zu, womit sie im neuen Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt. Diese ist nötig, um die Verbotsbestimmungen des Anti-NGO-Gesetzespaketes beschließen zu können. Sie sehen unter anderem vor, dass ausländische NGO-Mitarbeiter aus dem Land geworfen werden können. Inländern kann es untersagt werden, sich in einem acht Kilometer breiten Streifen entlang der Schengenaußengrenzen aufzuhalten.
Wie Fidesz-Sprecher Halász sagte, sei die rasche Annahme des Stop-Soros-Gesetzespakets eine „Frage der Souveränität“, bei der es um die Sicherheit des Landes gehe. Tatsächlich hatte Orbán seinen Wahlkampf nahezu ausschließlich mit migrationsfeindlichen Parolen und mit Verschwörungstheorien rund um den US-Milliardär und NGO-Förderer George Soros bestritten. Soros, der sogar die EU-Spitze und die Uno „lenken“würde, verfolge den sinistren Plan, Europa mit Millionen muslimischen Flüchtlingen zu überschwemmen, um Nationen wie die ungarische ihrer „christlichen und nationalen Identität“zu berauben. Wie Orbán weiter behauptet, würden in Ungarn 2000 „Soros-Söldner“ihr Unwesen treiben. Ihnen soll es mit den geplanten Verbotsgesetzen an den Kragen gehen.
Soros ist ein in Ungarn geborener Holocaust-Überlebender, der sich für die offene Gesellschaft im Sinne des liberalen Philosophen Karl Popper einsetzt. Vor der demokratischen Wende hatte er den Aufbau der Fidesz mit beträchtlichen Finanzmitteln unterstützt. Orbán und andere Mitgründer der damaligen antikommunistischen Jugendpartei lebten von Soros’ großzügigen Stipendien.
Der schnelle Vorstoß beim „Anti-SorosPaket“lässt jedenfalls erahnen, wohin die Reise unter der dritten Orbán-Regierung in Folge gehen wird. Demokratie und Bürgerfreiheiten dürften unter Verweisen auf die „Sicherheit des Landes“und die „nationalen Interessen“weiter abgebaut werden. Verbleibende Inseln der regierungskritischen Bürgergesellschaft, die noch existierenden, aber zuletzt immer weniger gewordenen unabhängigen Medien sowie die von Soros gegründete Budapester Central European University (CEU) könnten dem Kahlschlag auch recht bald zum Opfer fallen.
Die CEU verhandelt bereits über die Errichtung eines Campus in Wien – vorerst als Zusatzeinrichtung zu den bestehenden Anlagen in Budapest, wie es bei der Ankündigung des Projekts im Vormonat hieß. Ein auf die CEU zugeschnittenes Hochschulgesetz, das die Tätigkeit der hochqualitativen Post-Graduate-Hochschule in Ungarn unterbinden würde, hat Orbán lediglich durch Fristverlängerungen in den Übergangsbestimmungen auf Eis gelegt. Das Gesetz kann er jederzeit aus der Schublade holen und mit der nun sogar ausgebauten Parlamentsmehrheit beliebig verschärfen.
EU reagiert gespalten
Bei den EU-Partnern löste der deutliche Wahlsieg von Fidesz – je nach Interessenlage – gemischte Reaktionen aus. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Kritiker Orbáns, gratulierte nüchtern zum Erfolg, erinnerte den Premier aber auch an die Wichtigkeit der gemeinsamen Werte. Die polnische Regierung sieht eine Bestätigung ihres Kurses. Aus dem EU-Parlament freute sich EVP-Fraktionschef Manfred Weber über den „klaren Sieg“der Partner. Die Grünen sprachen von einem „traurigen Tag“. Für die Sozialdemokraten forderte Josef Weidenholzer, „statt Glückwünschen sollte die EVP einfordern, dass Orbán den Abschottungskurs verlässt“. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (SP) übte scharfe Kritik an Ungarn („Wertetumor“). Der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas sagte, der Erfolg „rechtfertigt nicht Sprache, Antisemitismus und Korruption“der OrbánPartei.