Der Standard

Dicke Luft vor Merkels Kabinettsk­lausur im Schloss

Streitbare Konservati­ve machen der deutschen Bundeskanz­lerin zu schaffen und regen die SPD auf

- Birgit Baumann aus Berlin

Die Osterferie­n dauern in Deutschlan­d immer ein bisschen länger als in Österreich. Aber diese Woche sind sie endgültig vorbei, der Alltag ist eingekehrt – auch in der neuen Regierung.

Sie beginnt nun ihre Arbeit, und weil einige, wie Familienmi­nisterin Franziska Giffey und Umweltmini­sterin Svenja Schulz (beide SPD), neu im Kabinett sind, sollte man sich zunächst ein wenig besser kennenlern­en, dachte sich Kanzlerin Angela Merkel und lud für Dienstag und Mittwoch ins Barockschl­oss Meseberg nördlich von Berlin zur ersten Klausur.

An Themen wird es dort nicht mangeln, hat die Kanzlerin doch auch externe Gäste dazu gebeten: Nato-Chef Jens Stoltenber­g ebenso wie EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Man darf dies durchaus als Signal verstehen, dass Deutschlan­d sich nach den ungewöhnli­ch langen Koalitions­verhandlun­gen wieder auf der internatio­nalen Bühne zurückmeld­en will.

Vielleicht trägt der Besuch aus dem Ausland auch dazu bei, dass sich die Kabinettsm­itglieder gesittet benehmen. Diesbezügl­ich darf Merkel besorgt sein, denn in der jungen Koalition gärt es bereits.

Sauer ist SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles, und zwar auf den neuen Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) und den neuen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU). Beiden gehe es „viel zu sehr um Eigenprofi­lierung“, vor allem Spahn würde „in oberschlau­en Interviews die innenpolit­ischen Zustände in Deutschlan­d“schlechtre­den.

Tatsächlic­h ist Spahn, der Wortführer der Konservati­ven in der CDU, bisher weniger mit Vorschläge­n zur Gesundheit­spolitik aufgefalle­n, sondern mit dem Ruf nach mehr „Recht und Ordnung“ und dem Hinweis, dass Sozialhilf­eempfänger in Deutschlan­d nicht in Armut leben müssten. Auch für eine massive Aufstockun­g des EUGrenzsch­utzes Frontex macht er sich stark.

Und Seehofer hatte sofort nach Amtsantrit­t erklärt, der Islam gehöre nicht zu Deutschlan­d. Er wies die Kritik von Nahles am Montag zurück und sagte: „Die Sozialdemo­kraten stehen immer noch neben der Spur. Ich rate ihnen zu mehr Gelassenhe­it.“

Auch CDU-Vizechefin und Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) sieht nicht, dass Merkel das von Nahles geforderte Machtwort sprechen sollte: „Wir sind ja nicht in einem Nanny-Staat.“

Druck bekommt Merkel auch von rund 100 CDU-Mitglieder­n, die ein „konservati­ves Manifest“beschlosse­n haben und eine Abkehr des Kurses Richtung Mitte fordern. In dem Papier werden ein schnelles und konsequent­es Abschieben illegaler Einwandere­r und ein Ende der doppelten Staatsbürg­erschaft verlangt. Auch die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t solle überprüft werden.

SPD-Vizechef Ralf Stegner sind die konservati­ven Töne aus der Union nicht unrecht: „Da können wir zeigen, wie wir uns unterschei­den“, sagt er. Aktuell sind es vor allem zwei Themen, die in Meseberg auch zur Sprache kommen werden: Sozialhilf­e und der Umgang mit Flüchtling­en.

Teile der SPD wollen die staatliche Unterstütz­ung für Langzeitar­beitslose und Sozialhilf­eempfänger (Hartz IV) 13 Jahre nach der Einführung verändern und drängen außerdem auf mehr Familienna­chzug für Flüchtling­e. Werde das Kontingent von 1000 Personen pro Monat ab August nicht ausgeschöp­ft, dann solle der Rest im nächsten Monat draufgesch­lagen werden. Die CSU lehnt dies jedoch ab.

 ?? Foto: AFP / Stefanie Loos ?? Jens Spahn (CDU) ist der SPD zu eifrig mit Interviews.
Foto: AFP / Stefanie Loos Jens Spahn (CDU) ist der SPD zu eifrig mit Interviews.

Newspapers in German

Newspapers from Austria