MeToo trifft Bill Cosby
Zweiter Anlauf im Missbrauchsprozess gegen Entertainer
Norristown/Wien – Zwei von zwölf Geschworenen ließen den Prozess gegen Bill Cosby im vergangenen Juni platzen. Sie ließen sich auch nach sechs Tagen intensiver Beratungen nicht überzeugen, den USEntertainer der sexuellen Nötigung für schuldig zu befinden. Am Montag startete nun der zweite Anlauf in Norristown in Pennsylvania. Theoretisch könnte die Staatsanwaltschaft es im Falle einer weiteren Uneinigkeit in der Jury noch ein drittes Mal probieren – das gilt laut Experten aber als unwahrscheinlich.
Der Vorwurf gegen den 80-Jährigen ist der gleiche geblieben: Die frühere Unimitarbeiterin Andrea Constand wirft Cosby vor, sie im Jahr 2004 missbraucht zu haben. Etwa 60 weitere Frauen erheben ähnliche Vorwürfe gegen ihn, die meisten Anschuldigungen sind aber bereits verjährt.
Aufgrund der Ereignisse im Juni wurde der Juryauswahl in der vergangenen Woche besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Staatsanwaltschaft sowie Verteidigung befragten die 120 Kandidaten, um mögliche Befangenheiten zu vermeiden. Unter anderem wurde darauf geachtet, dass sie nicht zu stark von der Ende 2017 aufgekommenen MeToo-Bewegung beeinflusst worden sind.
MeToo hat zu einer Solidarisierungswelle für die Opfer sexueller Übergriffe geführt. Davon will die Staatsanwaltschaft nun profitieren. Im Gegensatz zum ersten Prozess wird nicht nur Constand aussagen, es werden auch fünf weitere Frauen als Zeuginnen vorgeladen, um bei Cosby ein generelles „Verhaltensmuster“zu belegen.
Der Angeklagte hat auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert und sein Verteidigerteam gewechselt. Geführt wird es jetzt von Staranwalt Tom Mesereau, der sich im Missbrauchsprozess 2005 gegen Popstar Michael Jackson einen Namen gemacht hat.
Kurz vor Beginn des Prozesses kam es zu einem Zwischenfall. Eine halbnackte Frau sprang Cosby vor dem Gerichtsgebäude in den Weg und schrie: „Mister Cosby, Vergewaltiger!“Sie wurde von der Polizei abgeführt. (ksh)