Drei Augen sehen manchmal besser
Zwei rückseitige Kameras sind bei Smartphones längst keine Seltenheit mehr. Mit seinem neuen Topmodell, P20 Pro, bringt Huawei nun einen dritten Fotosensor ins Spiel. der Standard hat das Handy getestet.
– Wie viele Kerne der Prozessor hat und wie viel Gigahertz er an Rechentakt erreicht, sind Fragen, mit denen sich Käufer heute kaum noch beschäftigen. Als Kaufargument bei Smartphones sind diese Spezifikationen in den Hintergrund gerückt. Schon seit geraumer Zeit sind Spitzenmodelle flott genug, um Alltagskommunikation und aufwendige 3DGames gleichermaßen gut zu bewältigen. Daher müssen die Hersteller mit anderen Merkmalen um die Gunst der Kunden buhlen. Immer mehr rückt dabei die Kamera in den Fokus. Vom einstigen Beiwerk hat sie sich zu einer der wichtigsten Funktionen moderner Handys gewandelt.
Edel und flott
Mit gleich drei Kameramodulen auf der Rückseite soll das P20 Pro die Konkurrenz ausstechen. Eingepackt hat Huawei diese in ein wasserdichtes Gehäuse aus Metall und Glas. Die gut verarbeitete Konstruktion sieht edel aus, ist allerdings eine rutschige Angelegenheit und ein Magnet für Fingerabdrücke. Ergonomisch ist das Mobiltelefon eher ein Fall für größere Hände. Das OLED-Display liefert hohe Auflösung, gute Helligkeit und kontrastreiche Farbdarstellung. Hier findet sich auch ein auffälliges Designmerkmal, das speziell seit Apples iPhone X heiß diskutiert wird: der sogenannte „Notch“. Dabei handelt es sich um eine Einkerbung im oberen Rand des Bildschirms, in dem Frontkamera, Ohrhörer und Sensoren untergebracht sind.
Bei der restlichen Ausstattung spielt das Gerät gut mit. Allerdings gibt es im Vergleich zum Vorgänger zwei Einschränkungen. So kann das Handy zwar weiterhin mit zwei SIM-Karten umgehen, eine Erweiterung des Speichers ist allerdings nicht mehr möglich. Gestrichen wurde auch die Audioklinke. Wer Kopfhörer nutzen will, muss den USB-C-Anschluss dafür verwenden. Ein passendes Headset und ein Adapter sind Teil des Lieferumfangs.
Leistungstechnisch entspricht das P20 Pro in etwa anderen Flaggschiffen. Messenger, Videos, Spiele – alles wird flott geladen und ausgeführt. Geschmackssache ist die EMUI-Oberfläche des vorinstallierten Android-Systems. Diese lehnt sich an iOS an, dementsprechend weicht die Menülogik vom gewohnten Schema des Google-Systems zum Teil deutlich ab. Es bietet allerdings eine Reihe von ästhetischen Anpassungs- möglichkeiten und zusätzlichen Funktionen.
Gute Kamera mit Abstrichen
Bei Aufnahmen von Fotos und Videos kombiniert die Kamerasoftware die Bilder aller drei Sensoren, um aus möglichst vielen Bildinformationen ein gutes Resultat zu bauen. Unterstützt wird es dabei von künstlicher Intelligenz, die automatisch versucht, die Szene zu erkennen und die Aufnahmeeinstellungen dementsprechend aufpasst. Dabei leistete sich die Technologie im Test nur wenige Aussetzer. Inwieweit dies im Vergleich zu tatsächlicher Automatik einen Einfluss T+ auf das Ergebnis hat, ist allerdings nur T– schwer zu beantworten. Die Stärken und Schwächen der Kamera sind stark szenenabhängig. Sehr gute Ergebnisse erzielt man etwa bei Landschafts- und Gebäudefotografien. Bei Nahaufnahmen oder Motiven mit feinen Details (etwa die Textur einer Wand) schwächelt die Kamera allerdings. Gerade feine Muster fallen der aggressiven Nachbearbeitung zum Opfer. Auf kurze Distanzen fällt wiederum ein sehr ungleichmäßiger Fokus auf. Nachtfotos gelingen – für Smartphone-Verhältnisse – gut. Punkten kann man allerdings mit einer hybriden Zoomfunktion, die bis zu fünffache Vergrößerung erlaubt. Diese liefert deutlich bessere Ergebnisse als ein klassischer Digitalzoom. Die aktuelle Handykonkurrenz beherrscht maximal doppelte Vergrößerung. Ebenfalls mit an Bord ist ein Superzeitlupenmodus, wie man ihn auch beim Samsung Galaxy S9+ und beim Sony Xperia XZ Premium findet.
Während die Stereosoundausgabe über Lautsprecher und Ohrhörer für ein Handy gut klingt, zeigt das P20 Pro bei der Gesprächsakustik Defizite. Man kommt beim Gegenüber zwar laut, aber nur recht undeutlich an, selbst wenn guter Empfang gegeben ist. Stark zeigt sich dafür der Akku, der auch Intensivnutzern ausreichend Energie für rund anderthalb Tage Verwendung bescheren sollte.
In Summe liefert Huawei mit dem P20 Pro ein potentes Smartphone, das gut verarbeitet ist und technisch in der Oberliga spielt. Die großen Versprechen in puncto Kamera kann man jedoch nicht ganz erfüllen. Preislich liegt man mit 899 Euro nun auf dem Niveau von Samsung und Apple – die Konkurrenz ist also hart. Das Testgerät wurde von Huawei zur Verfügung gestellt.