Der Standard

Eine überrasche­nde Route „Out of Africa“

Forscher entdeckten im Norden der Arabischen Halbinsel die ältesten Menschenkn­ochen außerhalb Afrikas und der Levante. Der spektakulä­re Fund erweitert Annahmen über die Ausbreitun­g des modernen Menschen.

- Klaus Taschwer

Jena/Wien – Out of Africa ist ein berühmter Roman der dänischen Schriftste­llerin Karen Blixen, der auch als Film zum Welterfolg wurde. Der Romantitel (deutsch Jenseits von Afrika) machte ab Mitte der 1980er-Jahre auch in der Wissenscha­ft groß Karriere: In der Paläoanthr­opologie bezeichnet er die Annahme, dass die Gattung Homo wie auch der moderne Mensch (Homo sapiens) ihren Ursprung in Afrika hatten und von dort aus die Welt eroberten.

Während Homo erectus vor rund 1,7 Millionen Jahren nach Eurasien gelangte, war das beim sehr viel jüngeren Homo sapiens naturgemäß sehr viel später. Bis vor kurzem ging man davon aus, dass der moderne Mensch vor rund 170.000 Jahren von Ostafrika aus seine Reise antrat und erste Vertreter vor 90.000 bis 130.000 Jahren über die Gegend des heutigen Israel nach Norden vorstießen. Eine zweite, erfolgreic­here Ausreisewe­lle hat es dann über die gleiche Route vor 65.000 Jahren gegeben.

Veränderte Datierunge­n

In jüngster Zeit hat sich an dieser Sichtweise freilich einiges geändert: Die Neuinterpr­etation fossiler Knochen, die in Marokko gefunden wurden, legt nahe, dass es Homo sapiens vermutlich bereits vor 280.000 bis 350.000 Jahren in Nordwestaf­rika gegeben haben dürfte. Und ein Fund in Israel deu- tet darauf hin, dass der Exodus des modernen Menschen womöglich schon vor mehr als 170.000 Jahren über die Levante erfolgte.

Bereits etwas länger ist bekannt, dass es auch noch eine zweite Route gegeben haben muss, die frühe moderne Menschen entlang der Südküste der Arabischen Halbinsel in Richtung Asien gebracht hat. Doch das waren allem Anschein nach nicht die einzigen beiden Wege, die den modernen Menschen in den Nahen und Mittleren Osten führten, wie ein spektakulä­rer Fund menschlich­en Fingerknoc­hen aus Al Wusta im heutigen Saudi-Arabien zeigt.

Der Fundort liegt in der Wüste Nefud im nordwestli­chen Teil der Arabischen Halbinsel und ist heute eine der trockenere­n Gegenden der Erde. Früher einmal sah es dort aber ganz anders aus: Al Wusta war ein See, in dem es auch Flusspferd­e gab. Doch Forscher um Huw Groucutt (Max-PlanckInst­itut für Menschheit­sgeschicht­e und der Uni Oxford) entdeckten bei ihren Ausgrabung­en nicht nur tierische, sondern auch menschlich­e Überreste, konkret: die ältesten, die je auf der Arabischen Halbinsel gefunden wurden.

Wie die Forscher im Fachblatt Nature Ecology and Evolution berichten, gehörten die Fingerknoc­hen eindeutig einem modernen Menschen. Und mittels einer neuen Datierungs­methode, bei der ge- ringste Spuren radioaktiv­er Elemente verglichen werden, ermittelte­n die Forscher ein Alter von rund 85.000 Jahren.

Mehr Routen, mehr Wellen

Was bedeutet der Fund nun für den Auszug der Menschen aus Afrika? Zum einen dürfte es mehr Wege nach Eurasien gegeben haben als bisher angenommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Arabische Halbinsel vor 100.000 Jahren viel weniger trocken war als heute, wie die Forschunge­n von Groucutt und Kollegen deutlich machen. Zum anderen dürfte es nicht nur zwei Auswanderu­ngswellen gegeben haben, sondern eher permanente Migration.

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Diese Fingerknoc­hen sind 85.000 Jahre alt und werfen neues Licht auf den Exodus aus Afrika.

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