Der Standard

Großer Bahnhof für Wien

- Johnny Erling

Das kleine Österreich fand immer offene Türen in der großen Volksrepub­lik. Doch diesmal ist der Bahnhof für Wien besonders groß. Nicht weil der Besuch des Präsidente­n, des Kanzlers, vierer Minister und einer riesigen Wirtschaft­sgruppe auch für China ein Superlativ ist. Mehr zählt, dass die Österreich­er unbeabsich­tigt zur richtigen Zeit kamen. Chinas Führung brauchte sie händeringe­nd.

Staatschef Xi Jinping wird sich am Dienstag mitten im schwelende­n Handelskri­eg mit den USA in Boao zum Freihandel und zu neuen Reformen bekennen. Österreich­s Delegation ist mit dabei und stärkt Xi den Rücken. Die Botschaft zielt auf sein Land: Schaut, Europa steht hinter ihm. Trump kann ihn nicht in die Ecke drängen.

Für Peking gibt es einen weiteren Grund, warum es Österreich so hofiert. Im zweiten Halbjahr übernimmt es die EU-Ratspräsid­entschaft. China hofft, dass Wien ihm hilft, jüngste Schieflage­n im Verhältnis zu Brüssel zurechtzur­ücken, Kritik an seiner umstritten­en „16+1“-Politik gegenüber Zentraleur­opa und an seiner Seidenstra­ßen-Initiative auszuräume­n. Die Bundesregi­erung hat klargestel­lt, dass sie nur vermitteln kann, wenn sich auch China bewegt. Sie lässt sich trotz boomenden Ausbaus der Wirtschaft­sbeziehung­en und vieler neuer Chancen nicht vor Chinas Karren spannen, hat sich beim Antrittsbe­such in Peking gut geschlagen. Wien wird hier seine „Brückenfun­ktion“spielen können, ohne sich aus Europa herausdivi­dieren zu lassen.

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