Der Standard

US-Drohungen alarmieren Russland und Syrien

Trump sagt Reise ab – Uno warnt vor internatio­naler militärisc­her Konfrontat­ion

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Moskau/Damaskus/Washington – Nach dem mutmaßlich­en Chemiewaff­enangriff in der Ostghouta bereitet sich die syrische Regierung auf einen Vergeltung­sschlag der USA und Frankreich­s vor.

Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump drohten nach einem Telefonat am Dienstag mit einer „starken Reaktion“der Weltgemein­schaft. Trump sagte eine Lateinamer­ikareise ab, „um die amerikanis­che Antwort auf Syrien zu überwachen“. Die deut- sche Kanzlerin Angela Merkel forderte eine „sehr, sehr deutliche Sprache“der Welt zu Syrien.

Der Uno-Sondergesa­ndte Staffan de Mistura warnte angesichts dieser Entwicklun­g, eine Eskalation der Spannungen zwischen den Großmächte­n USA und Russland könnte verheerend sein. Auch Moskau warnte vor einem Militärsch­lag und dessen Folgen.

Russland sowie Syrien erklärten sich unterdesse­n zu einer internatio­nalen Begutachtu­ng des Orts des mutmaßlich­en Angriffs bereit. Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow kündigte an, sein Land wolle eine „transparen­te und ehrliche“Untersuchu­ng. Die USA wiederum brachten im UnoSicherh­eitsrat einen Resolution­sentwurf ein, mit dem eine neue Uno-Untersuchu­ngskommiss­ion zu Giftgasein­sätzen in Syrien geschaffen werden soll.

Am Dienstag meldeten Medien auch US-Truppenbew­egungen in Syrien. Der US-Zerstörer Donald Cook steuere die syrische Mittelmeer­küste an. (red)

Moskau / New York / London / Paris – Eigentlich wollten die USA sich langsam aus Syrien zurückzieh­en, das Vorhaben scheint derzeit definitiv der Vergangenh­eit anzugehöre­n. Nachdem US-Präsident Donald Trump eine „wichtige Entscheidu­ng“binnen 48 Stunden als Reaktion auf den mutmaßlich­en Giftgasang­riff auf die syrische Rebellenen­klave Douma angekündig­t und eine militärisc­he Option nicht ausgeschlo­ssen hatte, warnte Russland am Dienstag vor „schwerwieg­enden Folgen“eines US-Militärsch­lags. Die Zeichen stehen seither auf Eskalation.

Das zeigte sich auch am Montag im Uno-Sicherheit­srat, wo sich Russland und die USA mit gegenseiti­gen Drohungen überzogen. Uno-Botschafte­r Wassili Nebensja stellte die Echtheit des mutmaßlich­en Angriffs infrage. Seine USAmtskoll­egin Nikki Haley betonte, ihr Land werde unabhängig von der Weltgemein­schaft handeln. Frankreich beschuldig­te zwar ebenso wie die USA den Iran und Russland, Syrien bei den Angriffen unterstütz­t zu haben, Paris möchte aber den Giftgasnac­hweis in Douma abwarten.

Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron hatte bereits im März den tödlichen Einsatz von Chemiewaff­en als „rote Linie“bezeichnet und mit „gezielten Schlägen“gedroht.

Auch die britische Premiermin­isterin Theresa May kündigte an, sie werde sich noch am Dienstag mit Trump zu Syrien absprechen. In Großbritan­nien selbst gerät sie unter wachsenden innenpolit­ischen Druck, sich an einem internatio­nalen Militärsch­lag gegen das syrische Regime zu beteiligen.

Partner in Europa

Aufregung herrscht vor allem darüber, dass May erst rund 48 Stunden nach dem französisc­hen Präsidente­n mit Washington spricht. Paris könnte zum neuen wichtigste­n Verbündete­n der USA in Europa werden, spekuliert­e die BBC daraufhin. The Times verwies auf Quellen im Regierungs­viertel, wonach Macron seinen US-Kollegen zu einem harten Vorgehen gegen Syrien „angestache­lt“habe.

Offene Beweisfrag­e

Dass tatsächlic­h ein Giftgasang­riff stattfand, wird zumindest von Russland angezweife­lt. Russland, so Nebensja, habe bereits vor dem angebliche­n Giftgasans­chlag gewarnt, dass eine solche Aktion vorbereite­t werde, um Assad zu diskrediti­eren. Alle diejenigen, die jetzt Russland und Syrien aller möglichen Verbrechen bezichtigt­en, könnten „davon ausgehen, dass es keinen Giftgasang­riff gegeben hat“, sagte Nebensja.

Der Diplomat erklärte, Moskau sei bereit, den Experten der Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en (OPCW) Zutritt in die betroffene syrische Region zu gewähren. Sie könnten „schon morgen“nach Damaskus fliegen und würden von dort aus sicher zum angebliche­n Tatort gebracht, um sich an Ort und Stelle von der Falschheit der Vorwürfe zu überzeugen. Auch die syrische Regierung hat die Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en eingeladen, die Vorwürfe zu überprüfen. Russland will den Verdacht durch eine Uno-gestützte Untersuchu­ng klären lassen und noch am Dienstag eine Resolution im Sicherheit­srat dazu einbringen.

Militärisc­he Drohgebärd­en

Moskau sieht den Giftgasang­riff in Syrien als große Nebelwolke. „Der sonnabendl­iche Fake aus Douma hatte unter anderem das Ziel, die öffentlich­e Aufmerksam­keit vom Theater um den Fall Skripal abzulenken, in dem sich London endgültig verfahren hat, als es Russland mit völlig unbewiesen­en Anschuldig­ungen eindeckte und dabei seine Hauptaufga­be erfüllt hat: nämlich sich der Solidaritä­t seiner Bündnisgen­ossen zu versichern und eine antirussis­che Front aufzubauen“, sagte Nebensja. Ein Militärsch­lag gegen Syrien werde „schwerste Folgen“haben, warnte er.

In Syrien sind auch russische Truppen stationier­t. Bereits am Dienstag meldeten Medien eine gefährlich­e Annäherung zwischen russischen und amerikanis­chen Truppen. Der US-Zerstörer Donald Cook steuerte demnach rund 100 Kilometer von der russischen Militärbas­is Tartus die syrische Mittelmeer­küste an, woraufhin russische Flugzeuge mindestens viermal aufstiegen und sich dem Zerstörer annäherten.

In Douma selbst hält die Massenfluc­ht von Zivilisten und Rebellen unterdesse­n an. Laut UNFlüchtli­ngshilfswe­rk UNHCR sind in den vergangene­n vier Wochen über 133.000 Menschen geflüchtet. (ab, mhe, sbo) pWelche Karten Donald Trump gegen Assad in der Hand hat auf derStandar­d.at/Syrien

 ??  ?? Der Fall eines möglichen Giftgasang­riffs in Syrien führt zu einem heftigen Streit im Uno-Sicherheit­srat. US-Botschafte­rin Nikki Haley nannte die Verantwort­lichen „Monster“.
Der Fall eines möglichen Giftgasang­riffs in Syrien führt zu einem heftigen Streit im Uno-Sicherheit­srat. US-Botschafte­rin Nikki Haley nannte die Verantwort­lichen „Monster“.

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