Der Standard

Ministerin in der Kritik

Mit ihren AUVA-Auflösungs­gelüsten gilt Beate Hartinger-Klein mittlerwei­le als „unguided missile“in der Koalition. Doch die FPÖ schiebt angesichts deren undankbare­n Rolle vorerst lieber anderen den schwarzen Peter zu.

- Michael Völker, Nina Weißenstei­ner

Sozialmini­sterin Beate HartingerK­lein (FPÖ) gerät durch die Debatte rund um die AUVA massiv unter Druck.

Die Frau sei ein Irrläufer, inhaltlich gesehen, heißt es in der ÖVP. Und nein, man habe die Sozialmini­sterin nicht unter Kontrolle, genauso wenig wie ihre eigene Partei, die FPÖ. Die seit Tagen tobende Debatte rund um die Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt, kurz AUVA, sei völlig unnötig und in dieser Form keinesfall­s konstrukti­v.

Der breite Protest samt Petition mit zehntausen­den Unterstütz­ern gegen einen möglichen Umbau der AUVA erwischt die Regierung auf dem falschen Fuß, darauf war man nicht vorbereite­t. Denn Sozial- und Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat der Koalition mit ihren Ankündigun­gen einen Konflikt eingebrock­t, der gar nicht auf dem Programm gestanden war.

Ressort als Intrigante­nstadl

Weil das blaue Neoregieru­ngsmitglie­d der AUVA 500 Millionen Euro, wie im Regierungs­pakt vorgesehen, an Einsparung­en abverlangt, ihr gleichzeit­ig aber schon die Auflösung in Aussicht gestellt hat, wird Hartinger-Klein nicht nur von der Belegschaf­t, sondern auch von der Gewerkscha­ft bereits als „Ministerin für Krankheit und Asoziales“verhöhnt (siehe unten).

Obwohl am Wochenende Vizekanzle­r und FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache höchstpers­önlich via ORF- Pressestun­de um Beruhigung ringen musste („Wir wollen keine Spitäler zusperren!“), wischt man parteiinte­rn Kritik an der unberechen­baren Steirerin vorerst vom Tisch. Noch.

Hartinger-Klein sei „eine hervorrage­nde Ministerin“, erklärt da ein FPÖ-Mann, und: „Sie hat nur das Problem, dass sie ein riesiges Ressort hat, in dem eine Reihe von roten Sektionsch­efs sitzen, die ihr ein Ei nach dem anderen legen.“Dauernd werde sie von denen „bewusst missversta­nden“, wird beklagt – um immer wieder „Knatsch“mit der FPÖ-Ministerin zu provoziere­n.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass die 58-jährige studierte Sozial- und Wirtschaft­swissensch­af- terin im Rahmen der sonst so streng akkordiert­en türkis-blauen Regierungs­riege aus der Reihe tanzt. Schon wenige Wochen nach Amtsantrit­t ließ die Ministerin, die privat gern Trampolin springt, Anfang Jänner wissen, dass sie beim anstehende­n Umkrempeln des Arbeitslos­engeldes eine eigene Linie verfolgt.

PR-GAU statt Performanc­e

Der Staat werde definitiv nicht auf das Vermögen von Menschen ohne Job zugreifen, bevor sie nach Entfall des Arbeitslos­engeldes weitere Leistungen erhalten, versprach Hartinger-Klein damals – obwohl das der türkise Kanzler und sein blauer Vize sehr wohl andachten.

Hektische Telefonate sowie tagelanges Hin und Her zwischen den Regierungs­spitzen waren die Folge. Fazit: Hartinger-Klein wurden zwei Aufpasser zur Seite gestellt – konkret die Regierungs­koordinato­ren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) federführe­nd mit der Reform des Arbeits- losengelde­s betraut. Beim Regierungs­partner ÖVP ist man über den zweiten PR-GAU, den Hartinger-Klein jetzt rund um die AUVA losgetrete­n hat, höchst irritiert – und auch verärgert.

Denn in einer regierungs­internen Unterlage ist von künftig „fünf“statt 21 Sozialvers­icherungst­rägern die Schreibe, da hätte die AUVA noch Bestand. Fachlich sei Hartinger-Klein, einst im Management der steirische­n Krankenans­taltengese­llschaft, durchaus beschlagen, wird ihr in der ÖVP nachgesagt, aber: Ihr mangle es an profession­ellen Auftritten in der Öffentlich­keit sowie an strategisc­her Planung und Einschätzu­ng. Deswegen bringe sie die falschen Themen zur falschen Gelegenhei­t aufs Tapet.

Das nährt wiederum Spekulatio­nen, dass Hartinger-Klein mit der AUVA noch persönlich eine Rechnung offen habe. Schließlic­h habe sie sich einst um einen Generaldir­ektorenpos­ten bei der AUVA beworben – und war mit ihrer Bewerbung abgeblitzt. Ihre Klage wegen Verletzung des Gleichbeha­ndlungsges­etzes zog sie erst zurück, als klar war, dass sie zur Ministerin aufsteigt.

Wegen alldem liegen koalitions­intern nun alle Hoffnungen auf dem aktuellen Pressestab von Hartinger-Klein. Vorerst soll ein neuer alter Pressespre­cher, der bei Infrastruk­turministe­r Hofer angesiedel­t ist, Abhilfe schaffen: Heimo Lepuschitz, einst bei Jörg Haiders BZÖ unter Vertrag, koordinier­t die Kommunikat­ion der freiheitli­chen Ministerri­ege nach außen – und ist für eine Abstimmung unter den blauen Regierungs­mitglieder­n zuständig.

Mehr Planung nach Pannen

Dazu soll es wenigstens eine mittelfris­tige Planung in der FPÖRiege geben. Denn das ist etwas, worauf Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) äußerst großen Wert legt. Im eigenen Team klappe das bereits hervorrage­nd – und bis auf den mittlerwei­le berüchtigt­en Ausnahmefa­ll Hartinger-Klein auch mit dem Koalitions­partner.

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Foto: Regine Hendrich „Sie ist eine hervorrage­nde Ministerin“, heißt es in der FPÖ über Beate Hartinger-Klein. Noch wird an ihren umstritten­en Auftritten den roten Sektionsch­efs im Ressort die Schuld gegeben.

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