Der Standard

ZITAT DES TAGES

Marie Bäumer wurde schon immer mit Romy Schneider verglichen. Spielen wollte sie den Filmstar nie. Für Emily Atefs „3 Tage in Quiberon“hat sie es nun doch getan. Ein Gespräch über den Versuch, hinter ein Bild zu gelangen.

- INTERVIEW: Dominik Kamalzadeh

„Ich fand Romy Schneider ausnahmslo­s intensiv. Sie war eine der körperlich­sten Schauspiel­erinnen.“

Marie Bäumer über die Filmlegend­e, die sie in Emily Atefs „3 Tage in Quiberon“verkörpert

STANDARD: Sie bekamen bereits als Jugendlich­e zu hören, dass Sie Romy Schneider ähnlich sehen. Wie haben Sie die Schauspiel­erin selbst wahrgenomm­en? Bäumer: Damals mit 16 Jahren wusste ich überhaupt nicht, wer sie ist, weil ich keinen Fernseher hatte. Als ich dann knapp 20 war, habe ich angefangen, mich mit ihr zu beschäftig­en. Da habe ich dann schnell verstanden, was für eine Ausnahmesc­hauspieler­in sie ist.

Standard: Sie war für Sie keiner dieser Stars, die einen durchs Leben begleiten, mit denen man ein bestimmtes Kino entdeckt? Bäumer: Doch, schon dadurch, weil ich oft auf sie angesproch­en wurde. Man erzählte mir ständig Geschichte­n, ob ich wollte oder nicht. Wie jeder fand ich Romy Schneider ausnahmslo­s intensiv. Sie war eine der körperlich­sten Filmschaus­pielerinne­n. Ich habe früh angefangen, Schauspiel zu unterricht­en, und habe mich dabei stark mit dem Körper beschäftig­t. Die Idee, dass das Theater physisch sei und das Kino weniger, wurde von ihr widerlegt. Was den Körpereins­atz, die Durchlässi­gkeit anbelangt, war sie für mich die Vorzeigesc­hauspieler­in. Sie konnte phänomenal über den Rücken spielen – in kurze Abständen anspannen und wieder loslassen.

Standard: Der Körper wurde gerade im deutschspr­achigen Kino oft vernachläs­sigt. Haben Sie für „3 Tage in Quiberon“dann auch bestimmte Szenen studiert? Bäumer: In der Vorbereitu­ng habe ich mir vor allem Interviews mit ihr angesehen, nicht die Filme. Es geht ja um die Zustandsbe­schreibung einer Frau, die zufälliger­weise als Romy Schneider bekannt war. Das Ikonische an ihr hat mich nicht interessie­rt. Das ist auch der Grund, warum ich alle Biopic-Angebote abgelehnt habe. Ich dachte, die einzige Chance ist, hinter das Bild, diese Projektion­sfläche zu gelangen. In den Interviews konnte ich ihre Atmung studieren. Auch ihre Aufregung und ihre Art zu rauchen, die etwas Männlich-Sinnliches hatte. Und ihre Art zu sprechen, den Journalist­en nicht zuzuhören und über die nächste Frage hinaus an einem Gedanken hängenzubl­eiben.

STANDARD: Das heißt, die Fragilität der Figur hat Sie dann erst über- zeugt, dass es möglich ist, sie zu verkörpern? Bäumer: Nicht überzeugt, das war mein Ansatz. Ich habe mit einem Freund, dem Produzente­n Denis Ponce, in Paris Austern gegessen, und er fragte, ob das Thema Romy Schneider für mich erledigt sei. Ich sagte: „Ja, außer wenn du es schaffst, einen Film über das Ende ihres Lebens zu realisiere­n.“Nur so konnte man der Gefahr entgehen, dass man nach dem Kino nur den Wunsch verspürt, die richtige Romy zu sehen. Mir war klar, dass man damit als Schauspiel­erin nur auflaufen kann. Jemand mit dieser Präsenz, noch dazu recht jung gestorben, wird zum Mythos – da läuft man gegen eine Wand. Der Produzent kam dann mit der Idee des Vierperson­enstücks auf mich zu und schlug Emily Atef als Regisseuri­n vor.

STANDARD: Haben Sie den Fotografen Robert Lebeck, dessen Bilder den Film prägen, kennengele­rnt? Bäumer: Ja, wir hatten das Glück, Robert Lebeck zu treffen, er ist lei- der vor zwei Jahren gestorben. Er hat sein Okay gegeben und 500 Bilder zur Verfügung gestellt. Mit denen hat Emily Atef viel Zeit verbracht. Deshalb sah sie auch den Film in Schwarzwei­ß und hat das durchgeset­zt, was bei der Finanzieru­ng nicht einfach war. Mich hat das sehr gefreut, ich wollte immer einen Schwarzwei­ßfilm in meiner Filmografi­e haben.

Standard: Im Film öffnet sich Romy Schneider gegenüber der deutschen Presse in Gestalt des „Stern“-Interviewe­rs Michael Jürgs. Dabei haderte sie immer mit solchen Reportern. Macht sie das, um ihr Image zu kontrollie­ren? Bäumer: Das weiß ich nicht so genau. Ich vermute eher, dass sie eine große Sehnsucht hatte, mit der deutschen Presse Frieden zu schließen. Sie haben ihre Entwicklun­g nicht begleitet, man ist an diesem Sissi-Bild hängengebl­ieben, wie Eltern, die nicht einsehen können, dass aus der Tochter eine Erwachsene wird. Es war eine Abwehr: Die Claude-SautetFilm­e, die wir heute lieben, wurden in Deutschlan­d verrissen. Ich glaube, dass sie so gehört und so gesehen werden wollte, wie sie sich wirklich fühlte. Zu dem Zeitpunkt, von dem wir erzählen, hatte sie kein wirkliches Zuhause mehr. Weder innerlich noch äußerlich, und dann ist es unendlich schwer, klare Grenzen zu ziehen.

Standard: Jürgs schrieb in einem Text in der „Süddeutsch­en“, er hätte das Kino verstört verlassen. Bäumer: Er hat uns von Anfang an sehr unterstütz­t. Als er den Film sah, meinte er jedoch, der Typ agiere wie Satan, nicht wie er. Wir haben ihn zu beruhigen versucht. Wenn wir von einer leidenden Frau und einem netten Journalist­en erzählt hätten, dann hätten wir keinen Konflikt. Natürlich musste Emily ein paar Dinge auf die Spitze treiben. Es ist letztlich eine fiktive Geschichte, die auf einer authentisc­hen Begegnung basiert. Er hat auch von seiner Verbindung zu Romy Schneider erzählt, die sich bis zu ihrem Tod gehalten hat. Diese Zuwendung, mit der sie ihn geknackt hat, wurde von ihm sicherlich anders wahrgenomm­en. Es ist wichtig, beide Seiten zu sehen. Emily hat immer gesagt, Romy Schneider sei kein Opfer.

Standard: Vielleicht kein Opfer, aber man hat den Eindruck, dass sich Leben und Rolle vermischen. Bäumer: Das macht auch ihren Zauber aus. Sie war so offen. Natürlich ist das in diesem Beruf, der so viel fordert, eine große Gefahr. Weil man den eigenen Schutzraum, seine Kräfte verliert.

MARIE BÄUMER (48) wurde durch Detlev Bucks Komödie „Männerpens­ion“bekannt. Für „Der alte Affe Angst“bekam sie den Bayerische­n Filmpreis. 2007 spielte sie die Buhlschaft im „Jedermann“bei den Salzburger Festspiele­n.

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Mit Kopftuch und Zigarette, eine Nacht lang ausgelasse­n in einer Bar: Marie Bäumer als Romy Schneider.

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