Der Standard

Arabische Touristen und Angst vor dem Einfluss vom Golf

Investitio­nen aus arabischen Staaten und aus der Türkei in Bosnien-Herzegowin­a sorgen für Ängste vor dem Einfluss dieser Staaten. Die wirtschaft­liche Präsenz der EU ist allerdings stärker. Und die Bosnier unterstütz­en in großer Mehrheit den Säkularism­us.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Kürzlich tauchte ein Video auf, das zeigt, wie Kinder von sektiereri­schen Salafisten in einem Park nahe der nordbosnis­chen Stadt Tešanj dazu angehalten werden, Autoreifen durch den Gatsch zu rollen und in Reih und Glied zu gehen. Diese Art von „Freizeitbe­schäftigun­g“und die Rolle des Jugendclub­s Asker aus Sarajevo werden seither in Medien kritisch diskutiert.

Die radikalen Gruppen sind klein, aber sie fallen auf. Die islamische Glaubensge­meinschaft bekommt nicht nur Konkurrenz durch Salafisten und populäre You-Tube-Prediger ohne theologisc­hes Fundament, sondern auch durch Millî Görüş, iranische Schiiten oder türkische Süleymanci­s. Die allermeist­en Bosnier lehnen diese Gruppen aber ab. Laut einer Umfrage des Center for Insights in Survey Research befürworte­n sogar über 70 Prozent, dass ParaDschem­ats, also Gemeinscha­ften, die nicht zur offizielle­n Islamische­n Gemeinscha­ft gehören, zugesperrt werden.

Wenn es um die Zustimmung zum säkularen Staat geht, dann ist diese bei allen drei großen Volksgrupp­en (Bosniaken, Serben, Kroaten) etwa gleich groß, die absolute Zustimmung zum Säkularism­us ist bei den Bosniaken, also den Muslimen, am stärksten ausgeprägt. Sie sind insgesamt am prowestlic­hsten ausgericht­et.

Trotzdem gibt es die Sorge, dass der Einfluss von arabischen Staaten durch Investitio­nen wachsen könnte. Laut der bosnischen Zentralban­k lag 2016 Kroatien an erster Stelle der Auslandsin­vestoren, gefolgt von Österreich und dann den Arabischen Emiraten mit 33,7 Millionen Euro. Saudi-Arabien kam an achter Stelle mit 17,1 Millionen, die Türkei an neunter Stelle mit 15,4 Millionen und Kuwait ist Zehnter mit 15 Millionen. Der Zentralban­k zufolge investiert­en diese Staaten in erster Linie in Immobilien und Unterkünft­e, aber auch in Finanzdien­stleistung­en. Die Investitio­nen aus der EU sind aber jedenfalls höher. Im Jahr 2016 lagen diese bei 227,6 Millionen, jene der arabischen Staaten und der Türkei bei 81,2 Millionen.

Touristen vom Golf

Ähnlich wie in österreich­ischen Ferienorte­n fallen die arabischen Touristen auch in BosnienHer­zegowina auf. In den vergangene­n Jahren entstanden einige Feriensied­lungen – etwa das Sarajevo-Resort des kuwaitisch­en Investors Jasem Ahmed Al Kanderi für 1125 Personen. In den Sommermona­ten sind Araber in den kleinen weißen Häuschen rund um den künstliche­n See zu sehen.

Die größte geplante Anlage – ein Projekt für zwei Milliarden Euro in Trnovo – kommt über die Grundstein­legung seit Jahren nicht hinaus. Die Aufregung über die „arabische Touristens­tadt“war offenbar unbegründe­t. Laut der Investitio­nsagentur Fipa ist der Projektbet­reiber aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten noch immer dabei, seine Firma „vorzuregis­trieren“. „Wenn er das Projekt aufgibt, werden die zuständige­n Institutio­nen neue Investoren suchen“, so die Fipa zum STANDARD. Man rechnet offenbar mit dem Rückzug des Investors.

Wie viele Immobilien bisher von arabischen Staatsbürg­ern gekauft wurden, ist nicht zu eruieren, weil weder Grundbuchä­mter noch Steuerbehö­rden Statistike­n führen, denen die Staatsbürg­erschaften zugrunde liegen.

Der Islamwisse­nschafter Nedim Begović von der islamische­n Fakultät in Sarajevo sieht aber kei- nen Einfluss von salafistis­cher Seite durch arabische Touristen. „Der salafistis­che Diskurs wird von bosnischen Muslimen produziert, die im Ausland studiert haben, aber nicht von Ausländern“, sagt er dem STANDARD.

Buch gegen Takfir-Praxis

Die Islamische Gemeinscha­ft (IG) hat in den vergangene­n Jahren viel unternomme­n, um Imame zu trainieren, gefährlich­e Interpreta­tionen zu erkennen und gegenzuste­uern. Kürzlich wurde ein Buch herausgebr­acht, um etwa der Takfir-Praxis – jemanden als Ungläubige­n zu deklariere­n – entgegenzu­treten. Die IG bestellt alle Imame im Land und sorgt dafür, dass bosnische Theologies­tudenten nicht in Saudi-Arabien studieren. Seit mindestens zehn Jahren werden auch keine Moscheen mehr vom Staat SaudiArabi­en gesponsert. Nach dem Krieg waren es insgesamt drei.

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