Der Standard

Alle Wege führen ins Reich der Mitte

Experte von der Fachhochsc­hule des bfi Wien analysiert die Handelsbez­iehungen zwischen Europa und dem Boom-Markt China

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Ein Straßennet­z, dessen zentrale Route das Mittelmeer über Land mit China verknüpfte: Das war die „Seidenstra­ße“, ein heute noch populärer Name, der auf den deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen zurückgeht. Heute, 141 Jahre nach der ersten Nennung des Namens, geht es darum, eine „Neue Seidenstra­ße“zu bauen. So wird das chinesisch­e Megaprojek­t allgemein im deutschspr­achigen Raum bezeichnet, dessen offizielle­r Titel etwas marktschre­ierisch „Belt and Road Initiative“lautet. Seit 2013 versucht das Reich der Mitte damit seine Verkehrsin­frastruktu­r mit Europa, Afrika und den übrigen Ländern Asiens neu und besser als je zuvor zu vernetzen – der Staat will dabei offen sein für Länder, die sich in Form von Kooperatio­nen beteiligen wollen. Acht Billionen US-Dollar (umgerechne­t 6,5 Billionen Euro) sollen investiert werden.

„Eine Summe“, wie Andreas Breinbauer bewundernd sagt, „die noch nie in vergleichb­are Projekte investiert wurde“und wohl als eine Machtdemon­stration des Landes zu verstehen ist. Breinbauer, Rektor der Fachhochsc­hule des bfi Wien und Leiter des Studiengan­gs Logistik und Transportm­anagement, beschäftig­t sich seit etwa einem Jahr mit „One Belt, One Road“. Derzeit ist die Initiative sicher auch Thema während des Staatsbesu­ches von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen in Chin, begleitet wird er dabei von Regierungs­mitglieder­n und Wirtschaft­streibende­n.

Breinbauer erzählt von der russischen Breitspur, die derzeit bis Košice in der Slowakei führen könnte. Österreich steht federführe­nd hinter dem Plan, sie bis in die Ostregions Österreich­s zu verlängern – und China hat das später als Kooperatio­n für die „Belt and Road Initiative“ver- bucht. Reagieren statt agieren: Breinbauer meint, Europa fehle es an Ideen, wie man mit der aufblühend­en Wirtschaft­smacht China umgehen könnte, ohne die eigene Position aus dem Auge zu verlieren. „Wir haben derzeit auf keine der chinesisch­en Initiative­n eine passende Antwort.“Auch nicht auf „Made in China 2025“, eine von der deutschen Industrie-4.0Initiativ­e inspiriert­e Strategie, die ein klares Ziel verfolgt: Der Anteil chinesisch­er Produktion­skomponent­en an Hightech-Geräten soll zuerst auf 40 Prozent (im Jahr 2020) und später auf 70 Prozent (im Jahr 2025) gesteigert werden.

Westliche Investitio­nen

Der Hochtechno­logie-Bereich in China wurde bisher ja durch westliche Investitio­nen getragen, es bestand eine starke Abhängigke­it von ausländisc­hen Direktinve­stitionen. Das soll nun offenbar anders werden. Womöglich sogar ganz anders: Denn China kauft sich nun in europäisch­e HightechMa­rken ein. Zum Beispiel hat der chinesisch­e Investor Midea 2016 den Augsburger Roboter-Produzente­n Kuka übernommen.

Die europäisch­e Handelsbil­anz mit dem Reich der Mitte ist jedenfalls deutlich negativ, was vor allem auf die starke Einfuhr von Textilien und Kleidung (–36,54 Mrd. Euro) und Maschinen (–81,4 Mrd Euro) sowie sonstigen Waren (–77,3 Mrd. Euro) zurückzufü­hren ist, wie Breinbauer berichtet.

„Man hat in den vergangene­n Jahren offenbar verabsäumt, mit gleichblei­bender Intensität in einen kommenden Markt China zu investiere­n“, sagt Breinbauer, der umfassende­s Zahlenmate­rial gesammelt hat, um die Studie umzusetzen. Der Experte erzählt am Rande des kürzlich stattgefun­den habenden FH-Forschungs­forums in Salzburg: „Seit der von China nahezu unbeschade­t über- standenen Finanzkris­e hat sich der weltweite Anteil des Landes an ausländisc­hen Direktinve­stitionen, der vor 2008 noch unter zwei Prozent lag, auf beinahe zehn Prozent im Jahr 2016 erhöht.“„Belt and Road“zeigt schon Wirkung für die wirtschaft­lichen Interessen im Reich der Mitte. Ein Blick auf die Transport- und Logistikza­hlen der letzten Jahre beweist: Im Jahr 2017 sind 3673 Frachtzüge auf 59 Strecken im Rahmen der China-Europe Railway Express Services von China nach Europa gefahren, das waren sogar doppelt so viele wie nur ein Jahr zuvor.

Alleine von Chongqing waren es im Jahr 2017 663 Züge, das sind fast die Hälfte aller 1500 Züge, die seit 2011 nach Europa gelangt sind. Die Neue Seidenstra­ße wird offenbar eine Verbindung zwischen Europa und Asien, die noch viel zu denken geben wird – zumindest bis Europa eine passende Antwort parat hat. (pi)

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