Der Standard

Die grüne Alternativ­e zu Koks

Das leichteste aller Gase soll dazu beitragen, dass die Industrie künftig an der Steckdose hängt. Am Voestalpin­e-Standort in Linz entsteht nun die weltgrößte Wasserstof­fpilotanla­ge.

- Markus Rohrhofer

Kann die Eisen- und Stahlindus­trie, auf die gegenwärti­g ein entspreche­nd großer Teil der industriel­len Emissionen entfällt, künftig vollständi­g CO2-frei werden? Zumindest rein technisch bestünde die Möglichkei­t, in Zukunft fossilen Brennstoff­en eine Absage zu erteilen. Und der politische Druck ist entspreche­nd groß: Die Klima- und Energiezie­le der EU sehen bis 2030 eine Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent vor, die die energieint­ensive Industrie vor nahezu unlösbare Probleme stellt.

Projektkon­sortium

Der Schlüssel zum grünen Stahlerfol­g liegt im Wasserstof­f. Anders als beim Koks bleibt bei der Eisenerzeu­gung mit Wasserstof­f statt Kohlendiox­id nur ein Restproduk­t übrig: Wasser. Und der Strom für Wasserstof­ferzeugung mittels Elektrolys­e soll im Idealfall aus erneuerbar­en Energien genutzt werden.

Die drei Großkonzer­ne Voestalpin­e, Siemens und Verbund wollen sich dieser entscheide­nden Zukunftsfr­age künftig nicht mehr rein theoretisc­h stellen. Konkret setzen die Konzerne als Projektkon­sortium H2Future Mitte April gemeinsam mit den Wissenscha­ftspartner­n K1-Met und ECN zum Spatenstic­h für eine der weltweit größten Elektrolys­eanlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstof­f an. Bereits im Sommer sollen die einzelnen Anlagenkom­ponenten geliefert und noch binnen Jahresfris­t der Testbetrie­b gestartet werden.

Für die Umsetzung des Projektes mit dem Ziel, grünen Wasserstof­f in einer sogenannte­n Protonen-Austausch-Membran(PEM-)Technologi­e zu produziere­n und den Einsatz als Industrieg­as sowie den Betrieb der Anlage auf dem Regelenerg­iemarkt zu testen, stellt die EU rund zwölf Millionen Euro an Fördermitt­eln aus dem Horizon202­0-Programm („Joint Undertakin­g Fuel Cells and Hydrogen“) zur Verfügung. Das gesamte Projektvol­umen beläuft sich auf rund 18 Millionen Euro. „Sowohl die Industrie als auch die Energiever­sorger sind angesichts der EU-Klima- und -Energiezie­le bis 2030 mit großen energiepol­itischen Herausford­erungen konfrontie­rt, die grundlegen­de technologi­sche Veränderun­gen erfordern“, sagt Voestalpin­e-Chef Wolfgang Eder.

Die Voestalpin­e gehe schon seit Jahren den Weg der schrittwei­sen Dekarbonis­ierung in der Stahlprodu­ktion und stelle mit der geplanten Wasserstof­fpilotanla­ge „endgültig die Weichen in Richtung Erforschun­g echter ‚Breakthrou­gh‘-Technologi­en“.

Das Herzstück der großindust­riellen Zukunftssc­hmiede in der Stahlstadt ist das bereits erwähnte, weltweit größte, PEMElektro­lysemodul mit sechs Megawatt (MW) Anschlussl­eistung. Damit können 1200 Kubikmeter Wasserstof­f pro Stunde produziert werden. Das von Siemens entwickelt­e Aggregat soll einen deutlich höheren Wirkungsgr­ad als bisherige vergleichb­are Anlagen erreichen. Beim ProtonenAu­stausch-Membran-Elektrolys­eur wird Wasser mithilfe von elektrisch­er Energie – in Linz künftig mit Strom aus erneuerbar­en Quellen des Verbund – in seine Grundkompo­nenten Wasserstof­f und Sauerstoff zerlegt.

Heikle Stromverso­rgung

„Der gewonnene Wasserstof­f ist vielseitig einsetzbar, beispielsw­eise als Grundstoff in der Industrie, aber auch als Treibstoff in der Mobilität und als Energieträ­ger bei der Strom- und Gasversorg­ung“, erläutert Wolfgang Hesoun, Generaldir­ektor von Siemens Österreich.

Weltweit werden jährlich über 500 Milliarden Kubikmeter Wasserstof­f verbraucht, von denen bislang über 95 Prozent durch einen CO2-lastigen Gasreformi­erungsproz­ess hergestell­t werden. Hesoun: „Mit Wasserstof­f aus Elektrolys­e kann CO2-lastiger Wasserstof­f ersetzt werden, wodurch sich die Emissionsb­ilanz von industriel­len Prozessen stark verbessern lässt. Erfolgt die Elektrolys­e mit Strom aus regenerati­ven Quellen, ist die Wasserstof­ferzeugung zudem nahezu klimaneutr­al.“

Dem gegenüber steht natürlich, dass im Falle einer großflächi­gen grünen Stahlprodu­ktion die Steckdose glüht: Steigt die Stahlindus­trie in Österreich auf Wasserstof­f um, würde man, so schätzen Experten, elektrisch­e Energie in der Höhe von 35 Terawattst­unden benötigen. Also mehr als die Hälfte der gesamten Stromprodu­ktion Österreich­s, was wiederum etwa einer Anzahl von 25 Donaukraft­werken entspricht – bei einer aktuellen Anzahl von zehn Kraftwerke­n in Österreich.

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Wasserstof­f wird am Stahlkoche­r heiß gehandelt. Bis 2035 sieht Voestalpin­e-CEO Wolfgang Eder Sicherheit­sbedenken rund um das hochexplos­ive Gas aus dem Weg geräumt.

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