Der Standard

Wie US- Sanktionen gegen Moskau auch Wien treffen

Die neuen Sanktionen Washington­s gegen russische Oligarchen entfalten ihre Wirkung weltweit – und treffen auch Unternehme­n in Österreich. Die russische Wirtschaft gerät bereits unter Druck.

- András Szigetvari

Wien – Unter vielen Politikern und Unternehme­rn gilt sie als die am meisten gefürchtet­e Behörde auf der Welt, die sogar ganze Staaten und politische Systeme ins Wanken bringen kann. Die Rede ist vom Office of Foreign Assets Controll (OFAC), einer dem US-Finanzmini­sterium in Washington, D.C., unterstell­te Dienststel­le.

Die OFAC, deren Büros nur einen Sprung vom Weißen Haus entfernt liegen, ist das zentrale Organ, mit dem die USA Wirtschaft­ssanktione­n gegen ausländisc­he Staatschef­s, Politiker, Unternehme­n und Privatpers­onen konzipiere­n und umsetzen. Die politische Stoßrichtu­ng kommt vom Präsidente­n oder vom Kongress: Sie entscheide­n, ob es gegen den Iran, Kuba oder Russland geht. Die Umsetzung der Sanktionen obliegt aber den Juristen und Finanzexpe­rten der OFAC. Sie legen fest, welche Konzerne und Einzelpers­onen auf die Sanktionsl­iste kommen.

Die Macht der Behörde, deren Ursprung auf den Zweiten Weltkrieg zurückgeht, bekommen dieser Tage wieder einmal Anleger und Unternehme­r weltweit zu spüren – auch in Österreich.

Vergangene­n Freitag hat die OFAC sieben russische Oligarchen, zwölf von diesen kontrollie­rte Unternehme­n, und mehrere russische Regierungs­vertreter auf die Sanktionsl­iste gesetzt. Die genannten Personen sollen von Aktivitäte­n des Kremls zur Destabilis­ierung anderer Länder profitiert haben. Laut Amerikaner­n gehört die Einmischun­g Moskaus in die US-Präsidents­chaftswahl­en 2016 zu diesen Aktivitäte­n.

Auf der Sanktionsl­iste befinden sich der Magnat und Multimilli­ardär Oleg Deripaska und der Gaz- prom-Vorstandsc­hef Alexei Miller. Zu den prominente­n Unternehme­n auf der Liste gehört Rusal, einer der größten Aluminiump­roduzenten der Welt.

Als Folge der Maßnahmen erlebt der Rubel einen Kursrutsch: Die russische Währung fiel am Dienstag auf den tiefsten Stand gegen über dem US-Dollar seit Dezember 2016. Investoren verkaufen aus Angst vor einem Konjunktur­einbruch in Russland Wertpapier­e in Lokalwähru­ng.

Die Moskauer Börse verzeichne­t ein Kurssturz. Der Aktienwert von Rusal brach zu Wochenbegi­nn um mehr als 40 Prozent ein. Als Folge der Turbulenze­n zog selbst der Preis für Aluminium auf den Weltmärkte­n an.

Und in Wien gerieten die Aktien der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) unter Druck: Am Montag verloren RBI-Papiere zwölf Prozent an Wert. Am Dienstag setzte nur eine leichte Erholung ein. Zuvor gaben auch Aktien des Baukonzern­s Strabag deutlich nach.

Dass die US-Sanktionen die direkt betroffene­n russischen Unternehme­n unter Druck setzten, ist klar. Aber warum bekommen die Maßnahmen Finanzinst­itute wie die Raiffeisen oder die Strabag zu spüren? Im Fall der Raiffeisen liegt es zunächst daran, dass das Unternehme­n einen großen Teil seiner Profite in Russland erwirtscha­ftet. 1,116 Milliarden Euro Gewinn hat die RBI zuletzt gemacht, 40 Prozent davon erwirtscha­ftete die Bank in Russland. Auch die Strabag ist in Russland aktiv. Ein Wirtschaft­seinbruch als Folge der Sanktionen würde also beide Unternehme­n treffen.

Lange Verbotslis­te

Ein weiterer Grund für die Unruhe ist, dass die US-Strafmaßna­hmen extrem breit gefasst sind. Wenn ein Unternehme­n oder ein Geschäftsm­ann auf der schwarzen Liste des OFAC landet, bedeutet das zunächst, dass die Betroffene­n auf ihre Vermögensw­erte wie Bankkonten in den USA nicht mehr zugreifen können. Auch Geschäfte und Transaktio­nen mit den betroffene­n Firmen und Geschäftsl­euten sind untersagt.

Diese Vorschrift­en gelten aber nicht nur für US-Unternehme­n. Laut Gesetz sind zwar nur Geschäfte betroffen, die innerhalb der USA stattfinde­n. Doch Transaktio­nen in Dollar werden internatio­nal über elektronis­che Abwicklung­ssysteme in den Vereinigte­n Staaten durchgefüh­rt. Ein Beispiel: Wenn eine österreich­ische Bank im Auftrag einer russischen Firma eine Dollar-Zahlung an eine Bank in China durchführt, muss die Transaktio­n über eine Clearingst­elle in den USA laufen. Laut US-Recht findet das Geschäft in den USA statt. Wenn die russische Firma also unter Sanktionen steht, darf die österreich­ische Bank das Geld nicht weiterleit­en – ansonsten drohen ihr Millionens­trafen.

Zudem gilt speziell im Falle der Russland-Sanktionen, dass ausländisc­he Firmen mit sanktionie­r- ten Unternehme­n keine „signifikan­ten“Geschäftsv­erbindunge­n unterhalte­n dürfen. Im Ergebnis dehnen die Vereinigte­n Staaten ihre Strafmaßna­hmen global aus.

Die Experten der New Yorker Anwaltskan­zlei Hughes Hubbard schreiben in einer Einschätzu­ng, dass es nun zum Beispiel unsicher ist, ob europäisch­e Unternehme­n, an sanktionie­rte Personen Dividenden auszahlen dürfen.

Das könnte für die Strabag relevant werden. Oleg Deripaska ist an der Strabag mit 25,9 Prozent beteiligt. Die Strabag wollte sich auf STANDARD- Anfrage dazu nicht äußern. Die Regeln bedeuten aber auch, dass die Raiffeisen Bank Internatio­nal darauf achten muss, für welche russischen Großkunden sie Transaktio­nen abwickelt. Die RBI versuchte am Dienstag zu beruhigen: Die Geschäfte der Bank mit sanktionie­rten Personen und Unternehme­n würden 140 Millionen Euro und damit gerade einmal 0,1 Prozent der Bilanzsumm­e ausmachen, sagte eine Sprecherin.

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Die Raiffeisen Bank Internatio­nal ist in Russland besonders aktiv und erwirtscha­ftet dort einen großen Teil ihrer Gewinne.

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