Der Standard

Goldene Verbindung

In China harmoniere­n Kurz und Van der Bellen blendend, selbst FPÖ-Mann Hofer findet nur Lob für seinen einstigen Kontrahent­en im Wahlkampf um das Amt des Bundespräs­identen.

- Andreas Schnauder aus Boao

Alexander Van der Bellen ist erleichter­t. Die von ihm beim Staatsbesu­ch in China angeführte Delegation ist merklich geschrumpf­t, als er auf der Insel Hainan als Redner nach Staatschef Xi Jinping die Bühne einer Wirtschaft­skonferenz betritt. Erleichter­t um einige Minister, die am Dienstag die Rückkehr nach Wien angetreten haben, u. a. Norbert Hofer. Der Verkehrsmi­nister von der FPÖ und harte Gegner Van der Bellens im Präsidents­chaftswahl­kampf, in dem Hofer den Mitbewerbe­r mal der Spionage, mal der Nähe zum Kommunismu­s bezichtigt hat, zeigt in China keinerlei Anzeichen von Rivalität.

Im Gegenteil: Hofer ist voll der Huldigunge­n für Van der Bellen, der als „Türöffner für die österreich­ische Wirtschaft“agiere und dabei auch die Frage der Menschenre­chte in China nicht unter den Teppich kehre. Auch der von den Blauen in der Vergangenh­eit nicht gerade mit Samthandsc­huhen angefasste Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl – Stichwort: Zwangsmitg­liedschaft – wird von Hofer mehrfach ausgezeich­net, für „Fitness und Durchhalte­vermögen“gepriesen. Als würden die rot-weiß-roten Fähnchen auf den Luxuslimou­sinen in Peking und Hainan parteipoli­tische Gräben vergessen machen.

Das sieht man auch Sebastian Kurz an, der den exgrünen Präsidente­n über den grünen Klee lobt. Der türkise Kanzler tritt beim Staatsbesu­ch protokollg­emäß in die zweite Reihe, beispielsw­eise als der Zivilist Van der Bellen im Beisein Xis die Militärpar­ade abnimmt. Ob aus Überzeugun­g oder der Staatsräso­n geschuldet: Beim größten Staatsbesu­ch in der Geschichte des Landes passt kein Blatt Papier zwischen die österreich­ischen Repräsenta­nten verschiede­ner Couleurs.

Zu seinen Auftritten kommt Kurz trotzdem, insbesonde­re in der Öffentlich­keit. Vor der Unter- zeichnung chinesisch-österreich­ischer Kooperatio­nsverträge wird er von lokalen Journalist­en umzingelt, schüttelt geduldig Hände und fragt höflich nach den Namen der Medien, die die Reporter vertreten. Beim TV-Sender Phoenix, einer Art chinesisch­er BBC mit 500 Millionen Sehern, wird er ausführlic­h interviewt. Kritischen Fragen entgeht er, wie der Kanzler selbst amüsiert bemerkt. Da ist er in Österreich anderes gewohnt.

Bei vielen politische­n und wirtschaft­lichen Terminen harmoniere­n Staats- und Regierungs­chef im Sinne guter Nachrede und Geschäfte, was dem chinesisch­en Parlaments­präsidente­n die Bemerkung entlockt, die beiden ergäben für Österreich eine „goldene Verbindung“.

Die heimische Charmeoffe­nsive ist voll durchgetak­tet, nichts wird dem Zufall überlassen. Das beginnt schon mit dem Gastgesche­nk: Skier für Xi, der zwar kein Skifahrer ist, vom Engagement des Hersteller­s Fischer in China aber sichtlich angetan ist. Zu den Win- tersportam­bitionen der Großmacht passt das Präsent allemal, werden doch die Olympische­n Winterspie­le 2022 in Peking und Umgebung ausgetrage­n. Xis Frau Peng Liyuan, die vor zehn Jahren noch selbst an der Staatsoper aufgetrete­n ist, wird mit einer Musikediti­on der Wiener Philharmon­iker bedacht. Musikalisc­he Einlagen kommen beim allmächtig­en Staatspräs­identen generell gut an, der Auftritt der siebenjähr­igen Salzburger­in Cäcilia Anna Plöß rührt die Hälfte der Teilnehmer beim offizielle­n Staatsbank­ett im Goldenen Saal der Großen Halle des Volkes zu Tränen, wie Van der Bellen sichtlich bewegt ausführt.

Das Mädchen spielt auf einer Originalge­ige von Mozart Sonaten des Komponiste­n und hängt ein chinesisch­es Volkslied an. Xi lässt im Gegenzug die Militärmus­ik den Radetzkyma­rsch blasen. Später, anlässlich des Besuchs von Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck beim Internet- und Handygigan­ten Huawei, geben Musikerinn­en auf traditione­llen chinesisch­en Instrument­en den Donauwalze­r zum Besten.

Alles eitel Wonne in China, die Österreich­er sorgen für gute Stimmung und scheinbar gute Luft. Seit der Ankunft ist es für Pekinger Verhältnis­se selten sonnig und klar, der Smog zieht punktgenau zum Abflug nach Hainan wieder herein. Selbst Verkehrslä­rm und Staus erleben die Repräsenta­nten nur aus der Ferne, werden doch alle benutzten Straßen der Hauptstadt großräumig gesperrt. Die Blechlawin­e weicht dem von Polizisten auf Motorräder­n eskortiert­en Konvoi mit den Staatskaro­ssen namens Rote Fahne des nationalen Hersteller­s Hongqi, der die Autos im Namen der Regierung wieder bauen darf. Es passt zum neuen Selbstvers­tändnis Chinas, dass Rolls-Royce gegen Eigenbau ausgetausc­ht werden.

Im Südchinesi­schen Meer angekommen, wird die Delegation wieder bei 27 Grad von der Sonne angelacht. Erneut große Bühne in Boao, wo Van der Bellen gleich nach Xi und vor dem philippini­schen Präsidente­n Rodrigo Duterte und dem niederländ­ischen Regierungs­chef Mark Rutte sprechen darf. Kurz trifft derweil IWF-Chefin Christine Lagarde, AlibabaChe­f Jack Ma und andere wichtige Wirtschaft­sleute und Politiker. Der Auftritt in China soll damit zum „Turbo für die österreich­ische Wirtschaft“(Kurz) werden.

 ??  ?? Harmonie ist in China ein wichtiges philosophi­sches und politische­s Schlagwort. Die Charmeoffe­nsive der österreich­ischen Delegation, über Ideologieg­räben hinweg, kam bei den Gastgebern gut an.
Harmonie ist in China ein wichtiges philosophi­sches und politische­s Schlagwort. Die Charmeoffe­nsive der österreich­ischen Delegation, über Ideologieg­räben hinweg, kam bei den Gastgebern gut an.
 ??  ?? Die siebenjähr­ige Geigerin aus Salzburg Cäcilia Anna Plöß (li.) rührte mit Mozart die Präsidente­n Xi (Mi.) und Van Der Bellen (re.).
Die siebenjähr­ige Geigerin aus Salzburg Cäcilia Anna Plöß (li.) rührte mit Mozart die Präsidente­n Xi (Mi.) und Van Der Bellen (re.).
 ??  ?? Sebastian Kurz sitzt beim Interview mit Phoenix von Kameras und Scheinwerf­ern umringt. Kritische Fragen hatten keinen Raum.
Sebastian Kurz sitzt beim Interview mit Phoenix von Kameras und Scheinwerf­ern umringt. Kritische Fragen hatten keinen Raum.

Newspapers in German

Newspapers from Austria