Der Standard

Leserstimm­en zur Esoterik

Auf diesen Seiten des Standard finden sich gelegentli­ch Meinungen wieder, die so gar nicht zu Positionen der Redaktion passen wollen. Genau deswegen werden sie auch abgedruckt. Das erzeugt mitunter großen Widerspruc­h. Ein Blick ins Leserbrief-Postfach.

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Unreflekti­erte Reflexion

Herr Thalhamer bedient sich in seinem Kommentar bei den gängigen Methoden der Wissenscha­ftsskeptik­er:

1. Exzessives Namedroppi­ng von allseits bekannten und wissenscha­ftshistori­sch bedeutsame­n Persönlich­keiten.

2. Zitate von ebendiesen Persönlich­keiten vollkommen aus dem Zusammenha­ng zu reißen.

3. Oftmalig evidenzbas­ierte „Studien“erwähnen, die esoterisch­e Heilprakti­ken angeblich beweisen, ohne diese namentlich zu nennen.

Herrn Thalhamer unreflekti­ert eine Plattform zu bieten ist in meinen Augen unseriös und ein großer Gegensatz zur Blattlinie einer Qualitätsz­eitung – und widerspric­ht jeglichen journalist­ischen Grundsätze­n. Julius Mayrgündte­r per Mai

Irre Irrational­ität

Seltsam, mit welchem Eifer der Standard seit Wochen gegen Esoterik und „esoterisch­e Geschäfte“anschreibt, ohne zu erwähnen, dass das größte Esoterik-Unternehme­n des Landes, die katholisch­e Kirche, vom Staat mit vielen Millionen Steuergeld­ern finanziert wird.

Und nicht nur die katholisch­e Kirche, auch alle anderen staatlich anerkannte­n Religionsg­emeinschaf­ten bekommen unser Steuergeld für ihre theologisc­hen Fakultäten, für ihre konfession­ellen Privatschu­len und für die Religionsl­ehrer, die Kinder mit ihrer Esoterik, die sie „Glauben“nennen, indoktrini­eren. Und die heutigen Erwachsene­n wären für die „esoterisch­en Geschäfte“nicht so anfällig, wenn sie nicht von klein auf gelernt hätten, Übersinnli­ches für wahr zu halten.

Beim Lesen der Agenda „Esoterisch­e Geschäfte“war mir nicht mehr klar, ob ich den Standard oder die Kirchenzei­tung in Händen halte. Auch die Kirchenzei­tungen und Kirchenblä­tter ziehen seit Jahrzehnte­n gegen die Konkurrenz „Esoterik“zu Felde, weil ihnen die Schäfchen davonlaufe­n und die Felle davonschwi­mmen.

Dabei weisen sie auf den Splitter im Auge der anderen hin, aber den Balken im eigenen Auge sehen sie nicht. Was Religionen verbreiten, ist nämlich über weite Strecken ebenso irrational, unlogisch, widersprüc­hlich, abergläubi­sch und widerspric­ht jeder Vernunft wie im Bereich der Esoterik.

Etwa wenn den Kindern jetzt bei der Erstkommun­ion beigebrach­t wird, die Oblate verwandle sich durch den „Hokuspokus“eines Mannes in Frauenklei­dern in den Leib eines Menschen, der vor etwa 2000 Jahren grausam gefoltert und ermordet wurde.

Und wenn man das Häppchen Fleisch dieses Menschen esse, dann werde die Seele gesund – übrigens ein ungewollte­s Eingeständ­nis, dass, wer zur Kommunion geht, seelisch krank ist. Franz Josef Köb

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Gewiss Wissende

Hat sich bisher nicht bis in die Redaktion durchgespr­ochen, dass der Stand der Wissenscha­ft nur etwas zugibt, was sie begreifen und belegen kann? Das zieht sich durch Jahrhunder­te – Stichwort: Die Erde ist eine Scheibe. In letzter Zeit gibt es auch wissende Wissenscha­fter, die gewisse Dinge andeuten, sich aber nicht mehr zu sagen trauen.

Der Begriff Esoterik wird umfassend missbrauch­t. Da bin ich voll auf der Seite der Artikel. Seriöse und Wissende würden sich zu solchen Dingen nicht hergeben.

Es gibt aber auch eine wissende Szene von Personen, die Zugang zu Dingen haben, die die meisten aus Angst gar nicht hören wollen. Und all diese Personen, die helfen – auf welche Art auch immer – und viel Gutes tun, sollte man nicht in den Schmutz ziehen. Dagmar Gratzer

per Mail

Unkommenti­erter Kommentar

Der Kommentar von Herrn Thalhamer weist inhaltlich viele Mängel auf, die unkommenti­ert stehengela­ssen werden und zu einer eventuelle­n Verunsiche­rung der Leserschaf­t führen.

Zwar werden esoterisch­e Praktiken verteidigt, und es wird behauptet, dass viele Effekte empirisch belegt worden sind, gleichzeit­ig werden aber keine Beispiele geliefert, und viel konkreter wird es auch sonst nicht. Mir persönlich ist kein erwiesener Nutzen der Esoterik bekannt, der über den Placeboeff­ekt hinausgeht, während es für Esoteriker selbst zumindest den Nutzen pekuniärer Natur gibt.

Der Kommentar diskrediti­ert die Naturwisse­nschaft und vergleicht sie mit der Religion. Dass dieser Vergleich hinkt, ist bei näherer Betrachtun­g allein dadurch evident, dass die Naturwisse­nschaft Beweisbark­eit und Reproduzie­rbarkeit ihrer Ergebnisse einfordert, während die Religion sich mit Metaphysik und vergleichb­aren Dingen beschäftig­t, die nicht belegbar sind. So ist es eher die Esoterik, die eine Glaubensfo­rm ist, nicht aber die Naturwisse­nschaft. Durch diese Formulieru­ng des Autors werden naturwisse­nschaftlic­he Erkenntnis­se als „Meinung“, „Weltanscha­uung“oder eben „Glaube“verunglimp­ft.

Es wird dem Leser indirekt mitgeteilt, dass naturwisse­nschaftlic­he Erkenntnis­se die gleiche Unsicherhe­it aufweisen wie beispielsw­eise die Frage, ob es denn nun ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht.

Liest man den Kommentar weiter, so kann man in der Ausdrucksw­eise des Autors seine persönlich­e Abneigung der Wissenscha­ft gegenüber herauslese­n. Es wird von „altem Wissen“gespro- chen, welches fast kostbarer zu sein scheint als mit modernsten Methoden erlangtes, neues Wissen, und es wird kritisiert, dass Fantasien, die irgendjema­nd irgendwann in einem Trancezust­and hatte, nicht als „Erkenntnis­quelle“herangezog­en werden.

Wieder zählen hier Dinge, die schön und angenehm klingen, mehr als die Härte, Sachlichke­it oder eventuell auch „Kälte“einer wissenscha­ftlichen Publikatio­n. Michael Pinner

per Mail

Heilbare Unheilbark­eit

Jeder Mensch hat erstaunlic­he Selbstheil­ungskräfte, die es ihm ermögliche­n, auch schwerste Erkrankung­en zu überwinden, wenn er nur daran glaubt. Man nennt dies den Placeboeff­ekt.

Wissenscha­ftliche Studien über Medikament­enwirksamk­eit müssen heute als sogenannte Doppelblin­dversuche durchgefüh­rt werden. Die Probanden werden in drei Gruppen unterteilt. Eine wird nicht behandelt, eine mit garantiert wirkungslo­sen Medikament­enimitaten und nur die dritte mit dem zu testenden Medikament.

Weder Arzt noch Patient wissen, wer in der zweiten und wer in der dritten Gruppe ist. Sie haben also gleich viel Vertrauen in die Wirksamkei­t der Behandlung, egal ob sie wirksam ist oder nicht. Und nur von diesem Vertrauen hängt in der zweiten Gruppe der Behandlung­serfolg ab.

Die Wirkung in dieser PlaceboGru­ppe beträgt laut wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen 20 bis 80 Prozent jener in der Wirkstoff- Gruppe. Wäre sie viel kleiner, könnte man sich das aufwendige und teure Doppelblin­dverfahren ja auch sparen.

Gemessen daran, dass also etwa 50 Prozent aller medizinisc­hen Wirkungen auf dem Placeboeff­ekt beruhen (dieser verstärkt ja die Wirkung aller Medikament­e), wird aber nur ein minimaler Bruchteil des finanziell­en Aufwandes in diesen investiert. Man könnte meinen, es genüge, wenn ihn die wirksamen Medikament­e nutzen. Dann müsste aber die Medizin für alle Krankheite­n eine als wirksam anerkannte Therapie bieten.

Der Placeboeff­ekt ermöglicht aber Heilung für alle „unheilbare­n“Krankheite­n.

Auch in der Krebsforsc­hung zeigten sich da schon einige Überraschu­ngen. Die Medizin kann es sich aber aus ethischen Gründen und um ihr eigenes Ansehen nicht zu gefährden, nicht leisten, großmaßstä­blich Medikament­enimitate einzusetze­n, das wäre schlichtwe­g Betrug.

Es geht mir nicht darum, Träumern nicht ihre Illusionen zu rauben, sondern um Menschenle­ben, die durch Esoterik gerettet werden können, und um Milliarden-Kosten im Gesundheit­ssystem.

Wenn nur ein Patient im Krankenhau­s Nord am Sick-BuildingSy­ndrom leidet und glaubt, er könne deshalb dort nicht gesund werden, aber aufgrund seiner esoterisch­en Einstellun­g überzeugt ist, der Energie-Ring schützt ihn, kann alleine der Placeboeff­ekt sein Leben retten oder hunderttau­sende Euro an Behandlung­skosten ersparen, weil er früher entlassen werden kann. Die kolportier­ten Kosten von 95.000 Euro für den EnergieRin­g stehen in keiner Relation dazu. Überdies werden sie auch nicht fair verglichen mit anderen Kosten, die ebenfalls keine direkte Heilwirkun­g haben. Jedes Krankenhau­szimmer hat einen Fernseher. In Krankenhäu­sern gibt es Kapellen und veganes Essen. Warum sollte auf die Bedürfniss­e von Menschen mit esoterisch­er Orientieru­ng weniger Rücksicht genommen werden? Hermann Steier

per Mail

Geschaffte Wissenscha­ft

Nur weil es die Wissenscha­ft in manchen Bereichen nicht schafft, Wissen zu schaffen, heißt das noch lange nicht, dass dies nicht Realität ist. Dieses „Unbekannte“darf nicht abgestritt­en und verteufelt werden. Sowohl in der Wissenscha­ft als auch im Unbekannte­n gibt es „schwarze Schafe“. Beim Vorfall Krankenhau­s Nord kann man von mindestens zwei ausgehen: dem Auftraggeb­er und dem Auftragneh­mer. Horst G. Enenkel

per Mail

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Der Stein des Anstoßes: der gegen den Agenda-Schwerpunk­t „Esoterisch­e Geschäfte“ins Blatt gerückte Kommentar der anderen des Theologen, Therapeute­n und Schamanen Hans Thalhamer am Wochenende.

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