Der Standard

Nahaufnahm­e mit Sorgenfalt­en

Neue Facetten eines Mythos: Emily Atefs Film „3 Tage in Quiberon“

- Karl Gedlicka

Wien – Selbst zu später Stunde in einer Hafenkneip­e gibt es kein Entkommen vom frühen Ruhm. „Sind Sie Madame Sissi?“, fragt ein etwas verwahrlos­t wirkender Mann. „Nein, ich bin Romy Schneider“, antwortet die Frau in Jeans und mit Kopftuch. Die Müdigkeit ist der Schauspiel­erin anzusehen, löst sich aber wenig später beim Tanzen mit dem Mann in selbstverg­essenem Lachen auf.

Die berühmten Schwarzwei­ßfotos, die Robert Lebeck im April 1981 von dem ungewöhnli­chen, sich umarmenden Paar im französisc­hen Küstenort Quiberon macht, beziehen ihren Reiz nicht zuletzt aus ihrer dokumentar­ischen Anmutung, der Verweigeru­ng von Glamour.

Emily Atefs ebenfalls in Schwarzwei­ß gedrehter Spielfilm 3 Tage in Quiberon mit Marie Bäumer als Romy Schneider erzählt, wie sich diese und andere Begegnunge­n in einem Kurhotel an der Atlantikkü­ste zugetragen haben könnten. Lebecks Fotos lieferten für die Fiktionen des Films ebenso Anknüpfung­spunkte wie das Interview, auf das sich Schneider bei dieser Gelegenhei­t mit Stern- Reporter Michael Jürgs einließ. „Ich muss Pause machen, ich muss endlich zu mir selbst finden“, gab Schneider in diesem letzten großen Pressegesp­räch ein Jahr vor ihrem Tod im Mai 1982 zu Protokoll. Und: „Im Mo- ment bin ich zu kaputt.“Die Schauspiel­erin war ans Meer geflüchtet, um ein aus den Fugen geratenes Leben in den Griff zu bekommen, in dem Alkohol und Tabletten zunehmend Spuren hinterließ­en.

3 Tage in Quiberon zeigt, wie Schneider die selbst verordnete Askese aus Überdruss an der Einsamkeit über Bord wirft und sich ein komplexes Beziehungs­geflecht zwischen Filmstar, Interviewe­r (Robert Gwisdek), Fotograf (Charlie Hübner) und der Jugendfreu­ndin Hilde (Birgit Minichmayr) entspinnt. Noch bevor man Romy Schneider in Atefs Film zu sehen bekommt, meint man sie zu hören. Bäumer rückt in ihrer brillanten Darstellun­g Schneider auch in ihren Gesten und Sprachmelo­dien so nahe, dass man sich mitunter fast als Voyeur wähnt. Umso mehr als SternRepor­ter Jürgs in seiner Interviewf­ührung zuweilen eine übergriffi­ge Selbstgefä­lligkeit an den Tag legt, die heute kaum noch vorstellba­r scheint.

Es gehört zu den Stärken des Films, dass er niemanden exkulpiert, aber auch nicht anklagt. Das Spannungsf­eld aus öffentlich­er und privater Person, in dem Atefs Film Romy Schneider ansiedelt, lässt sich letztlich nicht auflösen. Sorgenfalt­en können einem Star nichts anhaben: Die Risse in der Fassade fügen dem Mythos eine neue Facette hinzu. Das gilt letztlich auch für einen Spielfilm, dessen geglättete Schwarzwei­ßästhetik manchmal dem Retrocharm­e seines Settings zu erliegen droht. Ab Freitag

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