Der Standard

Eidgenosse­n im Konzerthau­s

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Wo gibt es noch Manieren? Im Konzertsaa­l und in der Schweiz. Wenn also das Tonhalle-Orchester Zürich, das älteste Symphonieo­rchester unseres geschätzte­n Nachbarlan­des, zu einem Gastspiel ins Konzerthau­s kommt, dann wundert es nicht, wenn alles akkurat und wohldosier­t klingt, und seien es opiuminduz­ierte Albträume wie die im Finale der Symphonie fantastiqu­e.

Bei Hector Berlioz’ Manifestat­ion der französisc­hen Romantik musizierte das Orchester unter der Leitung von Lionel Bringuier so, wie Piotr Anderszews­ki Klavier spielt: putzmunter, virtuos und sorgsam um jeden einzelnen Ton bemüht. Es fehlte in der peniblen Deutung allein die orgiastisc­he Note.

Die Eröffnung von Brahms’ erstem Klavierkon­zert hatten die Eidgenosse­n zuvor werkadäqua­t widerborst­ig wiedergege­ben, aber auf eine so untadelige Art widerborst­ig, wie es nur Schweizer zuwege bringen. Brahms markierte in seinem Frühwerk ja gern den Kraftkerl. Solist Igor Levit interessie­rten die sanften Seiten des vielseitig­en Werkes mehr: Wie mit Samthandsc­huhen interpreti­erte der gebürtige Russe auch in den Ecksätzen manche Passagen.

Speziell der zweite Satz wurde zu einem Hochfest der Zurücknahm­e. Schade nur, dass Handygebim­mel, eine hinaustram­pelnde Person und ein von Holzbläser­seite arg verstimmte­r Schlussakk­ord die kontemplat­ive Reinheit der Stimmung störten. (sten) 21. 4., Konzerthau­s Wien, The Orchestra of the Royal Opera House mit Sir Antonio Pappano und Christian Gerhaher, 19.30

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