Der Standard

„Veränderun­g“ja, aber wer zahlt sie?

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Die Kurz-Partei plakatiert derzeit: „Die Veränderun­g hat begonnen“. Der türkise Partner will eine „bürgerlich­e“Politik. Das heißt Förderung der „Leistungsw­illigen“und dramatisch­e Schwächung der alten Sozialpart­ner, vor allem der roten (aber nicht nur) im riesigen Sozialstaa­tskomplex. Die FPÖ teilt dieses Ziel im Wesentlich­en, möchte aber ihre Leute in die entspreche­nD den Positionen bringen. as Schwierige an dieser Regierung ist, dass ja „Veränderun­g“an österreich­ischen Zuständen dringend geboten ist, auch Veränderun­g in einem „bürgerlich­en“Sinn. Der Sozialvers­icherungsk­omplex etwa ist nach Meinung des früheren OECD-Experten Andreas Wörgötter eine „starre, wirkungslo­se Funktionär­sfestung“(geworden). Die Frage ist nur, wie die Veränderun­g konkret, strukturel­l vor sich gehen soll. Das Beispiel der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) ist kein Gutes. Die vollkommen überforder­te Sozial-und Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) dekretiert die Auflösung der AUVA und bietet dafür in denkwürdig­en Interviews Begründung­en nach dem Motto „Warum? Darum!“an.

Das Problem mit der AUVA liegt vordergrün­dig darin, dass sie für Arbeitsunf­älle gegründet wurde, inzwischen aber eher für Freizeitun­fälle da ist. Darunter sind allerdings nicht nur Paragleite­r-Unfälle wie der des Norbert Hofer zu verstehen, sondern auch die Unzahl von Verletzung­en gebrechlic­her Senioren in einem überaltert­en Land. Die AUVA ist eine hochspezia­lisierte Sozial- leistung. Die kann man kürzen, aber mit Sicherheit nur auf Kosten der Versichert­en. Wer 40 Prozent des Budgets kürzt, kann das nicht mit „Senkung der Verwaltung­skosten“hereinhole­n.

Der wahre Hintergrun­d ist aber, dass die Regierung den Sozialvers­icherungsk­omplex „aufbrechen“(=vom alten sozialpart­nerschaftl­ichen Einfluss, vor allem dem roten, befreien) möchte und halt einmal bei der AUVA beginnt, weil es dort am leichteste­n geht. Außerdem will/muss man der Industrie, die einen Großteil der AUVA-Beiträge zahlt (und den Wahlkampf unterstütz­t hat), etwas bieten. Sachlich fragwürdig­e Maßnahmen aus noch fragwürdig­eren Motiven mit der Brechstang­e umsetzen – wenn das der „neue Stil“der „Veränderun­g“ist, dann wird es lustig. Das Problem des Sozialvers­icherungsk­omplexes ist nach dem Urteil von Andreas Wörgötter, dass er in einer Zeit entstand, als die Sozialpart­ner Wachstum zum Umverteile­n hatten, heute aber irgendjema­ndem etwas weggenomme­n werden muss. Wenn die Funktionär­sschicht, die sich da in den Sozialvers­icherungen abgelagert hat, von der Regierung ausgedünnt wird, ist das A kein Demokratie­skandal. ber das wird die Sozialvers­icherungen nicht sanieren. Das geht nur mit Beitragser­höhung oder Leistungsk­ürzung. Wenn man Selbststän­dige und Bauern zusammenle­gt, ist die Verwaltung­sersparnis nicht so groß. Aber die beiden Sozialvers­icherungen haben unterschie­dliche Beitrags- und Leistungsh­öhen. Wie wird da angegliche­n? Nach oben? Nach unten? Oder gar nicht? Klar, es geht um „Veränderun­g“. Aber wer zahlt sie? hans.rauscher@derStandar­d.at

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