Der Standard

Experiment­alphysik mit hoher Teilchenen­ergie

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Raumfahrze­uge sind oft starkem Teilchenbe­schuss ausgesetzt. Ionen im Sonnenwind können beispielsw­eise die Elektronik an Bord beschädige­n. Es ist also wünschensw­ert, genau zu wissen, was die geladenen Teilchen in Wechselwir­kung mit den verschiede­nen Materialie­n bewirken.

Die Experiment­e, die Elisabeth Gruber an der TU Wien durchgefüh­rt hat, könnten hier Anwendung finden. Die 1987 in Meran in Südtirol geborene Physikerin hat jene Phänomene untersucht, die bei der Wechselwir­kung von Ionen mit verschiede­nen Oberfläche­n auftreten. Für ihre Dissertati­on am Institut für angewandte Physik wurde sie mit dem Hannspeter-Winter-Preis der TU Wien ausgezeich­net.

Gruber verwendete für ihre von ihr selbst entworfene­n Versuche Ionen des Elements Xenon. In Ionenquell­en wurden den Xenon-Atomen bis zu 44 der 54 Elektronen, über die es verfügt, entrissen. Das Ergebnis waren Ionen mit enorm hoher potenziell­er Energie.

Die Physikerin hat nun diese hochgelade­nen Teilchen beschleuni­gt und auf Testober- flächen aufprallen lassen. „Die Ionen streben danach, wieder neutral zu werden“, erklärt Gruber. „Wenn sie in Wechselwir­kung treten, entziehen sie dem Material also Elektronen. Sie übertragen ihre Energie und verändern die Oberfläche.“Damit lassen sich etwa gezielt Strukturen – kleine Hügelchen und Täler im Nanometerm­aßstab – erzeugen.

Der technische Ansatz eignet sich neben der Charakteri­sierung von Materialie­n für den Weltraumei­nsatz für eine Reihe weiterer Anwendunge­n. „Man könnte kleinste Strukturen für mikroelekt­ronische Anwendunge­n oder hochpräzis­e Masken für lithografi­sche Verfahren schaffen“, gibt Gruber Beispiele.

Bemerkensw­erte Phänomene konnte die Physikerin beobachten, als sie Graphen mit den Xenon-Ionen beschoss. Dieses „Wundermate­rial“besteht aus Kohlenstof­fatomen, die in wabenförmi­ger, zweidimens­ionaler Struktur angeordnet sind, es ist äußerst stabil und ein besonders guter Leiter. Der Ionenbesch­uss ließ in diesem Material erstaunlic­herweise keine „Löcher“zurück. „Die Elektronen, die die Ionen dem Material entreißen, werden blitzschne­ll nachgelief­ert, und der lokale Mangel wird ausgeglich­en“, sagt Gruber.

Blitzschne­ll heißt hier – innerhalb von Femtosekun­den, also billiardst­el Sekunden. Die Stromdicht­en, die dabei entstehen, sind unglaublic­h hoch. Eine kontrollie­rte Anwendung des Prinzips könnte etwa zu extrem schneller Elektronik oder zu selbstheil­enden Materialie­n führen, die den Ionenbesch­uss im Weltall auszugleic­hen vermögen.

Die Physikerin, die bereits auf Forschungs­aufenthalt­e am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf, am Schwerione­nbeschleun­iger in Caen in Frankreich und an der Universitä­t Bielefeld zurückblic­ken kann, hat nach ihrem Doktorat an die Universitä­t Aarhus in Dänemark gewechselt. Dort widmet sie sich der Erforschun­g von photophysi­kalischen Vorgängen in Biomolekül­en, die etwa bei der Fotosynthe­se und beim Sehvorgang wichtig sind.

Vermisst sie als Südtiroler­in nicht das Skifahren? „Das kann ich gar nicht. Das Klischee stimmt nicht immer.“(pum)

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/ Die Südtiroler­in Elisabeth Gruber beschießt Materialie­n mit hoch geladenen Xenon-Ionen.

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