Der Standard

Wiener Chef für New Yorker Supermuseu­m

Max Hollein wird Direktor des Metropolit­an Museum in New York. Eine Sensation und eine riesige Herausford­erung für den Österreich­er, steckt doch das größte US-Kunstmuseu­m trotz guter Besucherza­hlen in einer veritablen Krise. Die Vorgeschic­hte.

- Anne Katrin Feßler

San Francisco / New York – Nach 25 Treffen und dem Prüfen von mehr als 100 Bewerbunge­n hatte die Findungsko­mmission einen Namen: Max Hollein. Der 48-Jährige wird von Sommer an eines der wichtigste­n und größten Museen der Welt, das Metropolit­an Museum in New York, leiten. Es wird höchste Zeit, denn das Museum ist bereits seit letztem Juli an der Spitze verwaist.

Von „Verführung“sprach Hollein in ersten Statements und „einem Angebot, das man nicht ablehnen könne“. Aber so verlockend die Position, so herausford­ernd ist die Aufgabe, die Hollein übernimmt, schließlic­h ist das Metropolit­an Museum (Met) unter der Führung von Thomas D. Campbell nach Jahren des Booms und der Euphorie in die größte – finanziell­e – Krise seiner Geschichte geschlitte­rt.

Schon 2016 kursierte die Größe des Debakels, ein Budgetloch von 23 Millionen Dollar. Campbell und Met-Präsident Daniel H. Weiss (der nun neben Hollein die Verantwort­ung über die Finanzen innehaben wird) fürchteten, das Defizit könnte sich auf 40 Millionen vergrößern. Ein ambitionie­rtes wie drastische­s Sparprogra­mm folgte: Um 31 Millionen Dollar (Gesamtetat 332 Millionen, davon gut 90 Prozent privat finanziert) wollte man die Ausgaben erleichter­n und binnen zwei Jahren die Finanzen restruktur­ieren.

Met auf Schrumpfku­rs

Von 2200 Mitarbeite­rn wurden 90 verabschie­det, einige durch Abfindunge­n, andere durch Kündigunge­n. Bei Ankäufen und Ausstellun­gen wurde der Sparstift angelegt. Der Output schrumpfte von jährlich 60 auf 40 Ausstellun­gen. Zwar gelang es, das Minus zu dritteln, man stellte in Aussicht, 2020, zum 150-Jahr-Jubiläum des Met, ausgeglich­en zu bilanziere­n, doch die Kritik riss nicht ab.

Im Jänner 2017 wurden die Pläne für den Bau des Chipperfie­ldFlügels für die Moderne und Gegenwarts­kunst auf Eis gelegt. Daraufhin fragte sich die New York Times in einer scharfen Analyse, wie es sein kann, dass ein musealer Koloss wie das Met überhaupt scheitern kann (das 1870 gegründete Haus verfügt über Sammlungen aus fünf Jahrtausen­den). Die Luft für Campbell wurde trotz steigender Besucherza­hlen (sieben Millionen) immer dünner. Malversati­onen wie eine von der Leitung gegenüber dem Board verheimlic­hte Protestnot­e der Mitarbeite­r wurden öffentlich, Ende Februar kündigte er an, seinen Hut zu nehmen.

Speed kills

In Zeiten unsicherer Finanzieru­ng kann es auch für ein Haus wie das Met fatal sein, die Gefahren überdimens­ionierter Pläne aus den Augen zu verlieren. Die Expansion ins Met Breuer fiel teurer aus als kalkuliert, eine kostspieli­ge Logo- und Marketingk­ampagne erntete nur Spott. Intern hieß es hinter vorgehalte­ner Hand, die Investitio­n in die Digitalisi­erung sei zu groß, der Fokus und Ausbau Richtung Moderne und Gegenwarts­kunst überhaupt zu hinterfrag­en. Warum sich mit dem Museum of Modern Art und dem Whitney Museum messen? Campbell hätte zu viel zu eilig gewollt. Und obendrein sei der ExKurator für Tapisserie­n ohne Erfahrung in Museumsfüh­rung einfach überforder­t gewesen.

Das kann man Hollein, der im Guggenheim, also eigentlich gleich um die Ecke, seine museale Karriere begann, nicht vorwerfen. Nach Frankfurt, wo er Schirn, Städel und Liebieghau­s leitete, und einem relativ kurzen Intermezzo am Fine Arts Museum San Francisco ist das Met der vierte große Museumskom­plex, den der gebürtige Wiener führen wird.

Zermürbte Campbell womöglich der Auftrag, die Aktivitäte­n in Richtung Gegenwarts­kunst auszubauen und das Museum für das digitale Jahrtausen­d zu rüsten, dockte Hollein zuletzt mit Ausstellun­gen am Silicon Valley an und erweiterte die Klientel erfolgreic­h um die Millennial­s. Sich der Krise der enzyklopäd­ischen Museen im globalen Webzeitalt­er zu stellen, das mache ihm, ließ er anklingen, keine Angst.

Noch etwas spricht für ihn: Fundraisin­g liegt ihm. Sich nicht nur auf den Staat, sondern unterschie­dliche Geldgeber zu stützen, fördere Unabhängig­keit, findet er. Statt lästiger Pflicht sei es vielmehr ein Privileg, mit so interessan­ten Menschen zu sprechen.

Mit gelben Gummistief­eln hat er in Frankfurt einst Spenden einfacher Bürger für die Städel-Erweiterun­g aufgestell­t. Ob er das Met mit solchen unkonventi­onellen Ideen auf Kurs bringen wird?

Fix ist: Nicht-New-Yorker müssen nun für das Met 25 Dollar Eintritt berappen. New Yorker weiterhin nichts. Das bleibt auch unter Hollein so.

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 ??  ?? Das wichtigste enzyklopäd­ische Museum der Welt: An der Upper East Side erstreckt sich das Metropolit­an Museum über mehrere Blocks.
Das wichtigste enzyklopäd­ische Museum der Welt: An der Upper East Side erstreckt sich das Metropolit­an Museum über mehrere Blocks.
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