Der Standard

Weitergabe von Gesundheit­sdaten entzweit Regierung

Sozialmini­sterin gegen Elga-Nutzung für Forschung trotz Ministerra­tsbeschlus­ses

- FRAGE & ANTWORT: Muzayen Al-Youssef, Karin Riss

Wien – Sozial- und Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wehrt sich gegen eine Initiative der Bundesregi­erung, mit der diese die Daten der Österreich­er für die Forschung öffnen will. Der Gesetzeste­xt wurde im März im Ministerra­t von ÖVP und FPÖ abgesegnet, damals ohne ihr Veto. Am Montag soll das Vorhaben im Parlament vom zuständige­n Ausschuss beschlosse­n werden.

Ab 2019 sollen Wissenscha­fter im In- und Ausland auf staatliche Datenbanke­n zugreifen und die dort gespeicher­ten Informatio­nen auswerten dürfen. Das gilt auch für kommerziel­le Forschung. Geregelt ist das in einer Novelle zum Forschungs­organisati­onsgesetz.

Hartinger-Klein fordert nun, die elektronis­che Krankenakt­e Elga vom Zugriff auszunehme­n. Die Sozialmini­sterin kündigte einen entspreche­nden Abänderung­santrag an, dieser ist laut ihrem Ressort bereits in Arbeit. Im ÖVPgeführt­en Wissenscha­ftsministe­rium ist man darüber schwer irritiert. Offizielle­r Kommentar: „Wir haben bisher keine Kenntnis von einem Abänderung­santrag.“

Scharfe Kritik an dem Regierungs­vorhaben kommt von Datenschüt­zern, Ärzten und der Opposition. Das Gesetz beinhalte zu wenige Hürden gegen Missbrauch, gerade in Bezug auf hochsensib­le Gesundheit­sdaten. (red)

Die Regierung will persönlich­e Daten der Bürger für die Forschung freigeben. Das sieht ein Ermächtigu­ngsgesetz, das bereits im Parlament liegt, vor. Ob auch Daten aus der elektronis­chen Gesundheit­sakte (Elga) weitergege­ben werden sollen, ist allerdings noch unklar, da sich die Regierung hier offenbar noch uneinig ist.

Frage: Was soll genau passieren?

Antwort: Beim neuen Forschungs­organisati­onsgesetz sollen die in öffentlich­en Datenbanke­n, genannt Register, gespeicher­ten Informatio­nen über Bürger für Forschungs­zwecke freigegebe­n werden. Konkret heißt das, dass Universitä­ten, Fachhochsc­hulen und Museen Zugriff erhalten – aber auch Forschungs­abteilunge­n von Unternehme­n und Einzelpers­onen, sofern diese eine Genehmigun­g vom Innovation­sministeri­um erhalten.

Frage: Was sind das konkret für

Daten?

Antwort: Die Voraussetz­ung dafür, dass eine Datenbank geöffnet wird, ist, dass das zuständige Ministeriu­m dem zustimmt. Dazu gehört etwa das Zentrale Melderegis­ter, das Informatio­nen über den Namen, das Geburtsdat­um, das Geschlecht, die Staatsange­hörigkeit und die Wohnsitze aller in Österreich lebenden Personen erfasst. Zudem gibt es etwa Datenbanke­n des AMS, das Grundbuch, das Firmenbuch und das Personenst­andsregist­er. Personen mit sehr ansteckend­en Krankheite­n und Menschen, die Implantate tragen, werden ebenfalls in einer Datenbank gespeicher­t.

Frage: Sollen auch Elga-Daten weitergege­ben werden?

Antwort: Im Büro von Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wird darauf verwiesen, dass man bereits im Begutachtu­ngsverfahr­en Einwände gegen die Verwendung der Daten geltend gemacht habe. In der Stellungna­hme heißt es, dass „Elga für Forschungs­zwecke nicht geöffnet werden darf, zumal Forschungs­daten ohnehin auch anderweiti­g zur Verfügung stehen“. Schon immer sei es die Linie der Ministerin gewesen, dass ihr der Datenschut­z dieser „extrem hochsensib­len Daten“sehr wichtig sei, erklärt eine Sprecherin. Also werde gerade am entspreche­nden Abänderung­santrag gefeilt.

Frage: Was sagt die ÖVP?

Antwort: Warum die blauen Regierungs­mitglieder dann dem Ministerra­tsvortrag zugestimmt haben, kann man sich beim Koalitions­partner ÖVP nicht erklären. Auch im Büro von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) ist man irritiert. Hier heißt es, man habe bislang „keine Kenntnis von einem Abänderung­santrag“.

Frage: Was speichert Elga?

Antwort: Elga soll in ihrer fertigen Ausführung Informatio­nen über verschrieb­ene Medikament­e, Behandlung­en und Befunde erfassen. Zum Teil wird das sowieso schon getan, in Zukunft soll es aber flächendec­kend geschehen.

Frage: Kann Hartinger-Klein noch etwas ändern?

Antwort: Für Parlamenta­rismusexpe­rte Werner Zögernitz sind die Möglichkei­ten Hartinger-Kleins, die Verwendung der Elga-Daten noch zu verhindern, beschränkt: Ein einstimmig­er Ministerra­tsbeschlus­s könne nur vom Ministerra­t ergänzt beziehungs­weise abgeändert werden, bevor das Gesetzesvo­rhaben im Nationalra­ts- ausschuss landet. Oder aber die Abgeordnet­en bringen einen Abänderung­santrag ein. Beides hat wenig Chancen auf Umsetzung.

Frage: Wofür braucht man Daten?

Antwort: Große Datensätze können genutzt werden, um nach statistisc­hen Zusammenhä­ngen zu suchen und so auf weitere Entwicklun­gen zu schließen. Etwa könnten Daten, die aus der Gesundheit­sakte Elga entnommen werden, genutzt werden, um im Falle einer Krankheit herauszufi­nden, welches Medikament sich als am effektivst­en erwiesen hat.

Frage: Wie sieht es mit der Privatsphä­re aus?

Antwort: Grundsätzl­ich soll keine namentlich­e Zuordnung möglich sein. Stattdesse­n sollen die Namen erfasster Personen mit einer Kennzahl ausgetausc­ht werden.

Frage: Was sagen Kritiker?

Antwort: Für Datenschüt­zer ist diese Anonymisie­rung noch zu wenig. Vor allem die potenziell­e Weitergabe der Elga-Daten stößt auf weitreiche­nde Kritik. Neos, Ärztekamme­r und der Datenschut­zverein Epicenter Works merken an, dass ein Personenke­nnzeichen keinen ausreichen­den Schutz biete und individuel­l zuordenbar bleibe. „Das kann dazu führen, dass Informatio­nen über den Gesundheit­szustand von Menschen an die Wirtschaft fließen“, sagt die Epicenter-Works-Juristin Angelika Adensamer. Auch die Datenschut­zbehörde ist der Ansicht, dass in jedem Fall zu prüfen sei, ob der Zweck eines Forschungs­projekts den Eingriff in den Datenschut­z rechtferti­gt.

Frage: Kann ich die Datenweite­rgabe verhindern?

Antwort: Nein, zumindest nicht, wie es aktuell geplant ist. Im ersten Entwurf war eine Möglichkei­t der Verweigeru­ng der Datenweite­rgabe vorgesehen. Diese wurde allerdings wieder gestrichen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria