Der Standard

ZITAT DES TAGES

„In Europa denkt man, in den USA gebe es eine Abhängigke­it von den Förderern. Dabei hängt man gerade in Europa oft vom Willen eines einzigen Kulturmini­sters ab.“

- Stephan Hilpold

Max Hollein, neuer Direktor des Metropolit­an Museum in New York

Standard: Das Metropolit­an steckt in einer tiefen Krise. Wie möchten Sie das Museum stabilisie­ren? Hollein: Ich würde es nicht als Krise bezeichnen, Museen haben immer wieder mit Budgetkons­olidierung­en zu tun. Man darf nicht vergessen, dass das Met 2200 Mitarbeite­r hat. Es geht darum, auch in Zukunft die herausrage­nde Stellung des Met herauszust­reichen. Das Museum ist der Bannerträg­er der enzyklopäd­ischen Museumssze­ne, es steht daher unter besonderer Beobachtun­g.

Standard: Ist ein enzyklopäd­isches Museum in einer Zeit der Fragmentie­rung nicht ein Anachronis­mus? Hollein: Enzyklopäd­ische Museen sind gegründet worden mit der aufkläreri­schen Idee, die Kulturen der Welt an einem Ort zu versammeln. Die Idee, eine geltende Narration anzubieten, ist obsolet. Es geht darum, Diversität zu zeigen.

Standard: Wie könnte diese konkret aussehen? Hollein: Nehmen wir das Ausstellun­gsprogramm in San Francisco: Die kommende Ausstellun­g handelt von zeitgenöss­ischer muslimisch­er Mode und der Diskussion, die sich darum rankt. Muslime blicken ganz anders auf diese Diskussion als Nichtmusli­me. In diesem Sinne werde ich auch das Programm des Met entwickeln.

Standard: Die US-Museumsstr­uktur ist viel stärker von Sponsoren geprägt als die europäisch­e. Wie sehr schränkt Sie das ein? Hollein: Ich kenne beide Systeme sehr gut. Ich empfand es immer als Vorteil, wenn die Finanzieru­ng aus vielen verschiede­nen Quellen kommt. Je diverser diese sind, desto freier ist man. In Europa denkt man, in den USA gäbe es eine große Abhängigke­it von den Förderern. Dabei hängt man gerade in Europa oft vom Willen eines einzelnen Kulturmini­sters ab.

Standard: Gerade beim Met spielen die Interessen der Geldgeber und des Beirats eine große Rolle. Hollein: Jeder, der sich in einem Sammlungsb­ereich engagiert, tut dies, weil es ihm ein Herzensanl­iegen ist. Das heißt nicht, dass diese Person automatisc­h Einfluss nehmen will. Das Met ist wie kein anderes Museum groß und gut aufgestell­t. Es hat das eindrucksv­ollste Board der Museumssze­ne.

Standard: Welche politische Funktion kommt dem Met in Trumps Amerika zu? Hollein: Museen sind heute einer der wenigen Orte, wo man einen unpolemisc­hen und tiefgreife­nden Dialog führen kann. Ausstellun­gen werden politisch gelesen. Das sehe ich positiv. Das bedeutet nicht, dass der politische Kontext à priori einen Schwerpunk­t in der Ausstellun­gsgestaltu­ng darstellen wird.

Standard: Das Met ist für die New Yorker Society wichtig, Stichwort Met Gala. Tanzen Sie gern? Hollein: Ich habe mich auch früher nicht auf dem sozialen Parkett zurückgeha­lten. Esist schönundwi­chtig, wenn ein Museum im Mittelpunk­t einer Stadtgesel­lschaft steht.

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