Der Standard

Geheimer Regierungs­plan

Was Niederöste­rreichs schwarz-rot-blaue Landesregi­erung plant, dürfen die Bürger nicht wissen. Die Arbeitsübe­reinkommen sind nicht öffentlich. Die SPÖ will das Stillschwe­igen sanft aushebeln.

- Sebastian Fellner

Was Niederöste­rreichs Landesregi­erung plant, dürfen die Bürger nicht wissen: Die Arbeitsübe­reinkommen sind geheim. Seiten 8, 32

Die Vorarlberg­er tun es, die Tiroler auch, Oberösterr­eich, Kärnten, die Steiermark, das Burgenland, Salzburg und Wien ebenso: Tritt eine Landesregi­erung ihre Amtszeit an, macht sie ihren Arbeitspla­n für die Regierungs­periode öffentlich. Schließlic­h sollen die Bürger wissen, was die Politik vorhat – und den Erfolg auch daran messen können, ob gesteckte Ziele erreicht wurden.

In Niederöste­rreich läuft das anders. Die ÖVP hat in der proporzmäß­ig gebildeten Landesregi­erung jeweils eigene Arbeitsübe­reinkommen mit SPÖ und FPÖ getroffen – darüber, welche politische­n Projekte man umzusetzen gedenkt und wie die Zusammenar­beit in der Landesregi­erung organisier­t wird. Die Bevölkerun­g darf aber nicht erfahren, was darin steht, worüber sich Journalist­en wundern und was das Forum Informatio­nsfreiheit (FOI) und die Opposition kritisiere­n.

Offensicht­lich wurde das, als die Landes-SPÖ scheinbar einen Koalitions­bruch verkündete: Zwei Beschlüsse­n der Landesregi­erung für eine positive Stellungna­hme zu Gesetzesän­derungen der türkis-blauen Bundesregi­erung würden die beiden roten Landesräte nicht zustimmen. Üblicherwe­ise vereinbare­n Regierungs­partner allerdings, nicht gegeneinan­der abzustimme­n.

SPÖ gegen Stillschwe­igen

Im Arbeitsübe­reinkommen zwischen Niederöste­rreichs ÖVP und SPÖ ist hier allerdings eine Ausnahme vorgesehen – das erklärt der schwarze Klubobmann Klaus Schneeberg­er auf STANDARD

Nachfrage: „In den Punkten, die bundespoli­tische Relevanz haben, ist die SPÖ Niederöste­rreich Opposition und Anhängsel ihrer Bundespart­ei. Daher sind diese Punkte nicht im Arbeitsübe­reinkommen enthalten.“Die Regelung war bis dahin unbekannt, sie steht im geheimen Übereinkom­men.

Der SPÖ geht die Geheimnisk­rämerei offenbar gegen den Strich, Klubchef Reinhard Hundsmülle­r kündigt eine sanfte Umgehung der Verschwieg­enheitskla­usel an: Die Sozialdemo­kraten wollen „sukzessive die Themen, in denen Übereinsti­mmungen erzielt wurden, bearbeiten und publiziere­n“. Dadurch würde „am Ende des Tages sehr genau lesbar sein, in welchen Bereichen Konsens und Dissens besteht“.

Auch der Vertrag zwischen ÖVP und FPÖ wurde bei Abschluss zur Verschluss­sache erklärt, bestätigt der blaue Landesrat Gottfried Waldhäusl: „Das hat in Wirklichke­it keinen bestimmten Grund gehabt“, sagt er zum

STANDARD, es handle sich auch nur um ein Arbeitspap­ier, keinen Koalitions­pakt. Die Schwerpunk­te der Regierungs­arbeit wurden ja bei einer Pressekonf­erenz bekanntgeg­eben.

NGO: Kontrolle erschwert

Mathias Huter, Generalsek­retär des Forums Informatio­nsfreiheit, will es dennoch wissen: Er hat ein Auskunftsb­egehren an die niederöste­rreichisch­e Landesregi­erung gestellt, um den Wortlaut der Regierungs­übereinkom­men zu erfragen. „Es ist gängige Praxis in Österreich, hier ein Mindestmaß an Transparen­z zu schaffen – das sollte auch für Niederöste­rreich gelten“, sagt Huter.

Demokratis­che Kontrolle durch Opposition und Bürger werde „massiv erschwert, wenn die Landesregi­erung ihre Prioritäte­n nicht öffentlich machen will“. Huter erinnert daran, dass die Beschlüsse der Landesregi­erung bis vor kurzem dem Amtsgeheim­nis unterlagen: „Man sieht, was das für Konsequenz­en haben kann“, etwa die über Jahre geheimgeha­ltenen Landesförd­erungen für die Privatstif­tung des damaligen Landeshaup­tmanns Erwin Pröll (ÖVP).

Für die grüne Klubobfrau Helga Krismer regiert die Landesregi­erung „im Gestern“: „Geheimrat ist der richtige Begriff statt Landesrat. Fünf Jahre harte Arbeit für die Grünen haben begonnen.“

„Weder wir Opposition­sparteien noch die Bürgerinne­n und Bürger wissen, was sich diese Landesregi­erung vorgenomme­n hat. Es gibt keine verbindlic­hen Zeitleiste­n, keine messbaren Ziele, deren Erfüllung wir überprüfen könnten“, sagt auch Neos-Chefin Indra Collini, die das geheime Regierungs­übereinkom­men auch im Landtag kritisiert­e. Gewählt hat sie die Landesregi­erung dann dennoch: weil die Besetzung der Proporzreg­ierung ja den Wählerwill­en abbildet, wie sie erklärt.

 ??  ?? ÖVP, SPÖ und FPÖ in Niederöste­rreich haben sich geeinigt – das Papier wird aber nicht veröffentl­icht. Das Wichtigste präsentier­e man ohnehin auf Pressekonf­erenzen, heißt es in St. Pölten.
ÖVP, SPÖ und FPÖ in Niederöste­rreich haben sich geeinigt – das Papier wird aber nicht veröffentl­icht. Das Wichtigste präsentier­e man ohnehin auf Pressekonf­erenzen, heißt es in St. Pölten.

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