Der Standard

Neuer Anlauf für eine Regierung in Italien

In Rom eröffnet Staatspräs­ident Sergio Mattarella heute, Donnerstag, eine zweite Runde von Konsultati­onen für die Regierungs­bildung. Die Situation scheint aber nach wie vor ziemlich verfahren. Ein Haupthinde­rnis bleibt Silvio Berlusconi.

- Dominik Straub aus Rom

Fast sechs Wochen sind seit den Parlaments­wahlen vom 4. März vergangen – und nach wie vor scheint Italien weit davon entfernt zu sein, demnächst eine neue Regierung zu erhalten. Anlässlich der ersten Runde von Konsultati­onen vor einer Woche hatten taktische Spielereie­n und gegenseiti­ge Vetos die Bildung einer neuen Koalitions­regierung verunmögli­cht.

Regierungs­bündnisse sind aber unumgängli­ch, da bei den Wahlen keine Partei eine absolute Mehrheit in beiden Parlaments­kammern erreicht hat. Das Hauptprobl­em ist immer noch das gleiche wie vor einer Woche und trägt einen Namen: Silvio Berlusconi.

Der vorbestraf­te und mit einem Ämterverbo­t belegte Ex-Premier steht wie ein unüberwind­licher Felsblock zwischen den beiden relativen Wahlsieger­n, der postideolo­gischen Protestbew­egung von Beppe Grillo (M5S) und der rechtslast­igen Lega von Matteo Salvini. Denn der Premierska­ndidat der „Grillini“, Luigi Di Maio, besteht weiterhin darauf, den 81-jährigen Berlusconi als Inbegriff der verrottete­n alten „Gaunerpoli­tik“von der Regierung fernzuhalt­en. Salvini wiederum kann auf seinen unbequemen Alliierten Berlusconi nicht verzichten, weil die Lega ohne Berlusconi­s Forza Italia in einer gemeinsame­n Regierung mit dem M5S nur der Juniorpart­ner wäre.

Die Grillini hatten bei den Wahlen 32 Prozent der Stimmen erzielt, die Lega wurde mit 17 Prozent die stärkste Partei in dem aus der Lega, Berlusconi­s Forza Italia und dem postfaschi­stischen Fratelli d’Italia bestehende­n Rechtslage­r, das zusammen auf 37 Prozent der Stimmen kam. Eine Regierung der beiden populistis­chen und europakrit­ischen Parteien M5S und Lega wäre theoretisc­h auch ohne Berlusconi­s Forza Italia möglich.

PD-Annäherung

Di Maio hat seine Fühler freilich auch längst in Richtung der Mittelinks-Partei Partito Democratic­o (PD) des geschäftsf­ührenden Ministerpr­äsidenten Paolo Gentiloni ausgestrec­kt. Bisher hat sich der PD, der bei den Wahlen mit 18 Prozent die zweitstärk­ste Einzelpart­ei wurde, jedoch auf die Opposition­srolle festgelegt.

Vor der heute beginnende­n zweiten Konsultati­onsrunde bei Staatspräs­ident Sergio Mattarella scheint die Situation weiterhin blockiert. Es ist aber nicht auszuschli­eßen, dass die bisherigen Positionen aufgeweich­t werden.

Innerhalb des PD sind Zeichen der Öffnung in Richtung der Grillini zu erkennen: Am Dienstag hat der geschäftsf­ührende Kulturmini­ster und Ex-Parteichef Dario Franceschi­ni betont, dass sich der PD dem Dialog mit der Protestpar­tei nicht auf ewig verweigern könne. Keineswegs auszuschli­eßen ist auch, dass Salvini Berlusconi fallenläss­t und sich mit Di Maio auf eine Regierungs­koalition verständig­t. In einem solchen Fall wäre zu erwarten, dass sich etliche Forza-Italia-Parlamenta­rier Salvini anschließe­n würden.

Dritt-Person-Szenario

Das sind aber letztlich bloß Spekulatio­nen. Sergio Mattarella hat durchblick­en lassen, dass er, falls auch die zweite Konsultati­onsrunde zu keinem Resultat führen sollte, keine dritte Runde durchzufüh­ren gedenke und so oder so „einen Entscheid fällen“werde, wie es in einer Mitteilung des Staatspräs­idiums vom Dienstag hieß. Der Ermessenss­pielraum des Staatspräs­identen in der Phase der Regierungs­bildung ist groß: Präsident Mattarella könnte zum Beispiel eine Drittperso­n mit einem Regierungs­bildungsau­ftrag ausstatten mit dem Ziel, eine Art Regierung der nationalen Einheit zu bilden, in welcher alle wichtigen Parteien vertreten wären. Notfalls könnte Mattarella auch das eben erst gewählte Parlament wieder auflösen und Neuwahlen durchführe­n lassen.

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Italiens Präsident Mattarella muss nach der gescheiter­ten ersten Runde erneut Konsultati­onsgespräc­he starten.

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