Haager Urteil zu Šešelj revidiert
Zehn Jahre Haft für Nationalist, die dieser bereits absaß
Die Nachfolgeinstitution des Haager Kriegsverbrechertribunals hat am Mittwoch den Freispruch für den serbischen rechtsradikalen völkischen Nationalisten Vojislav Šešelj aus dem Jahr 2016 revidiert. Er wurde nun letztinstanzlich für die Anstiftung von Verbrechen in Serbien zu zehn Jahren Haft verurteilt. Weil Šešelj von 2003 bis 2014 in Untersuchungshaft war, ist die Strafe getilgt.
Richter Theodor Meron stellte klar, dass das erste Urteil, wonach es keine systematischen Angriffe gegen Nicht-Serben in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien gegeben habe, falsch gewesen sei. Šešelj habe zu ethnischen Säuberungen in BosnienHerzegowina aufgerufen. Wegen der zeitlichen Zusammenhänge wurde Šešelj aber nur für die Verbrechen in Serbien verurteilt.
Das erste Urteil aus 2016 war von vielen Experten kritisiert worden. Der damalige Vorsitzende Jean-Claude Antonetti hatte argumentiert, dass „Propaganda von nationalistischen Ideologien nicht kriminell ist“. Die italienische Richterin Flavia Lattanzi – eine von drei – hatte sich aber vehement gegen das Urteil und die Argumentation gewandt.
Als besonders skandalös wurde erachtet, dass die Vertreibung und Ermordung von Zivilisten von Antonetti als „bewaffneter Konflikt zwischen verfeindeten militärischen Kräften“beurteilt wurden und die Deportation der NichtSerben in Bussen als „humanitäre Hilfe“. Lattanzi schrieb damals, dass das Urteil die Rechtsspre- chung um Jahrhunderte zurückgeworfen hätte, „als die Römer, ihre blutigen Eroberungen und Morde an politischen Feinden in Bürgerkriegen mit dem Satz rechtfertigten: Denn unter den Waffen schweigen die Gesetze.“
Šešelj wuchs in Sarajevo auf, er galt als hochintelligent, aber sein Denken war geprägt von Vorurteils-Schleifen. Seine Sprache ist bis heute vulgär, voller Gewalt, Spott und Aggression. Er wollte ein „Großserbien“schaffen (mit großen Teilen Kroatiens und BosnienHerzegowinas) und alle Nicht-Serben aus diesem Gebiet vertreiben. Seine gewalttätigen Anhänger wurden Tschetniks und Šešeljevci genannt.
Er selbst war 1989 von dem Priester Momčilo Dujić zu einem Tschetnik-Vojvoden, einem Führer ernannt worden. Dujić befahl ihm, „alle Kroaten, Albaner und anderen ausländischen Elemente vom heiligen serbischen Boden zu vertreiben.“1991 war er Mitbegründer der Radikalen Serbischen Partei, aus der die heutige Regierungspartei von Aleksandar Vučić hervorging.
Šešelj sagte damals, man „muss Bosnien von den Muslimen säubern“und, man solle „mit einem rostigen Schuhlöffel“töten, damit man nicht mehr nachvollziehen könne, ob sie „an der zerschlitzten Kehle oder an Tetanus“gestorben seien. Šešelj redete stets gegen Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und ziviles Verhalten. Bis heute ist seine Propaganda in den Köpfen mancher Südosteuropäer lebendig. Er selbst ist Abgeordneter im serbischen Parlament.