Der Standard

Deutsche Koalition rauft sich zusammen

Merkel schwört Kabinett auf Harmonie ein und will mit Dieselnach­rüstung warten

- Birgit Baumann aus Berlin

Der Anfang ist nicht leicht. Ob er den „Geist von Meseberg“verspürt habe, wurde der damalige deutsche Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) 2014 gefragt, als die damalige große Koalition zum Zwecke des Teambuildi­ngs im Schloss Meseberg in Klausur ging. Gabriels Antwort: „Himbeergei­st.“

Vier Jahre später bekommt Kanzlerin Angela Merkel ebendort, in einem Barockschl­oss nördlich von Berlin, die gleiche Frage gestellt. Von Himbeergei­st könne sie nichts berichten, sagt sie, aber: „später von Rotwein“. Und „dass der Geist insgesamt gut war, sehr kooperativ“.

Nach den langen Koalitions­verhandlun­gen und dem holprigen Start der neuen Regierung sollte diese erste Klausur eine vertrauens­bildende Maßnahme sein – ärgerte sich doch die SPD arg über das konservati­ve und äußerst mitteilung­sfreudige Duo „Spahnho- fer“, wie Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) und Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) in Berlin genannt werden.

Aus Merkels Sicht hat die Klausur ihren Zweck erfüllt. „Es gibt einen gut ausgeprägt­en Willen zur Zusammenar­beit. Jeder möchte erfolgreic­he Ergebnisse“, verkündete sie nach dem Treffen. Alle seien „willig und freudig“.

„Teambuildi­ng gelungen“

Allerdings, so Merkel, liege es „in der Natur der Sache, dass bestimmte Diskussion­en öffentlich durchgefüh­rt werden“. Im Kabinett säßen schließlic­h „unterschie­dliche Persönlich­keiten unterschie­dlicher Parteien“. Ihr neuer Vize Olaf Scholz (SPD), der im Kabinett Finanzmini­ster ist, formuliert­e es in der ihm eigenen knappen Art: „Teambuildi­ng gelungen, der Rest kommt jetzt.“

An konkreten Beschlüsse­n gab es nicht viel zu vermelden – man verständig­te sich aber auf die Ver- längerung der Bundeswehr­einsätze in Mali und Somalia bis zum Jahr 2019, wobei in Mali auch mehr Soldaten als bisher zum Einsatz kommen können.

Im Gepäck hatte das Kabinett allerdings ein Thema, das schon die alte Regierung mit sich schleppte: die mögliche technische Nachrüstun­g von Dieselfahr­zeugen. Merkel wollte sich noch nicht festlegen, zeigte sich aber eher skeptisch: „Nutzen und Kosten müssen in einem vernünftig­en Verhältnis stehen. Und diese Hardware-Nachrüstun­g ist ja relativ kosteninte­nsiv.“Die Regierung werte derzeit noch verschiede­ne Gutachten zum Thema aus.

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) hingegen hat seine Entscheidu­ng getroffen: „Ich will die Einhaltung der Grenzwerte ohne Hardware-Nachrüstun­gen erreichen und dafür die bereits eingeleite­ten Maßnahmen vorantreib­en.“Sein Ministeriu­m habe rechtliche und technische Vorbehalte gegen den nachträgli­chen Einbau von Dieselfilt­ern.

Zum ersten Mal hat eine deutsche Regierung einen Beauftragt­en für Antisemiti­smus ernannt. Der Diplomat Felix Klein wechselt für diesen Posten vom Außenamt ins Innenminis­terium. Er soll Strategien gegen den wachsenden Antisemiti­smus entwickeln.

Am 2. Mai wird das Kabinett den ersten Haushalt der Regierung beschließe­n. Der Haushaltsü­berschuss ist 2017 auf einen Rekordwert gestiegen. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialvers­icherungen nahmen 62 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Das ist etwa doppelt so viel wie 2016. Darin stecken auch 24 Milliarden Euro der Energiever­sorger für einen Fonds zur Mülllageru­ng.

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