Der Standard

Ausnahmen vom globalen Trend wider Todesstraf­e

Amnesty verzeichne­t weltweit einen Rückgang bei Verurteilu­ngen und Exekutione­n. Auch in China dürfte es kleine Verbesseru­ngen gegeben haben. Länder wie die USA wollen Todesurtei­le aber vorantreib­en.

- Bianca Blei

Wien – Malawis Präsident Peter Mutharika will einen „ehrlichen nationalen Dialog“über eine mögliche Wiederaufn­ahme von Exekutione­n im Land führen. Auslöser für die aufflammen­de Debatte ist ein Anstieg von Morden an Menschen mit Albinismus im südostafri­kanischen Land. Allein heuer wurden mindestens vier Personen attackiert, seit 2014 wurden mindestens 125 Menschen angegriffe­n oder ermordet.

Das rief auch die UN-Koordinato­rin für das Land, Maria Jose Torres, auf den Plan, die eine Aufklärung der Verbrechen forderte. Der Präsident weiß allerdings, dass eine Debatte über die Todesstraf­e heikel werden könnte: Seit 1994, also seit Malawi eine Demokratie ist, wurden keine Menschen mehr hingericht­et. Ein Moratorium untersagt alle Exekutione­n. Sollte sich das Land für eine Wiederaufn­ahme der Hinrichtun­gen entscheide­n, würde es gegen einen internatio­nalen Trend agieren.

Denn weltweit sank im Vorjahr die Zahl der Hinrichtun­gen und der neu hinzugekom­menen Todesurtei­le. Das geht aus dem jährlich erscheinen­den Bericht von Amnesty Internatio­nal hervor, der am Donnerstag veröffentl­icht wurde. Weniger als 1000 Personen wurden exekutiert und weniger als 2600 Menschen zum Tode verurteilt, was einem Rückgang von vier bzw. 17 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016 entspricht.

Wie hoch die tatsächlic­hen Zahlen sind, ist aber nicht bekannt, denn in China und Vietnam gelten Daten zu Hinrichtun­gen als Staatsgehe­imnis. Amnesty geht davon aus, dass jährlich tausende Menschen in China exekutiert werden. Wenn das Land in der Statistik nicht berücksich­tigt wird, wurden 84 Prozent aller Hinrichtun­gen in nur vier Staaten vollstreck­t: im Iran, in Saudi-Arabien, im Irak und in Pakistan. Aus Syrien und Libyen sind keine Zahlen bekannt.

Obwohl Amnesty-Expertin Chiara Sangiorgio scharf kritisiert, dass China die Zahlen unter Verschluss hält, sieht sie selbst dort kleine Verbesseru­ngen. „Die Todesurtei­le für Wirtschaft­sverbreche­n haben abgenommen“, sagt Sangiorgio zum STANDARD: „Das einzige Urteil in diesem Zusammenha­ng wurde gegen einen Mann ausgesproc­hen, der wegen Mordes und Bestechung schuldigge­sprochen wurde.“

In Subsahara-Afrika sieht Amnesty einen positiven Trend. So schaffe Guinea die Todesstraf­e überhaupt ab, und das oberste Gericht in Nigeria hob das verpflicht­ende Todesurtei­l bei Mord als verfassung­swidrig auf. Seit 1981 mit Kap Verde der erste Staat in der Region auf Exekutione­n verzichtet­e, sind 20 Länder dem Beispiel gefolgt. Nur Somalia und der Südsudan richteten 2017 Gefangene hin.

Vorbild für die USA

Sosehr die Menschenre­chtsorgani­sationen und die meisten Länder Exekutione­n verdammen, will sich US-Präsident Donald Trump die harschen Gesetze in China und Singapur zum Vorbild nehmen, um gegen Drogenhänd­ler vorzugehen. Vor allem der asiatische Stadtstaat verhängte entgegen dem internatio­nalen Trend im vergangene­n Jahr mit 15 Todesurtei­len mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor.

Bei einer Rede Anfang März in Pennsylvan­ia sprach Trump davon, dass die USA zu weich seien, wenn es um die Bestrafung von Drogenhänd­lern gehe: „Man bringt 5000 Menschen mit Drogen um, wenn man diese ins Land schmuggelt, macht viel Geld damit, und Menschen sterben.“Er zitierte den Präsidente­n Singapurs, den er auf das Vorgehen seiner Regierung angesproch­en hatte: „Er sagte: ‚Wenn wir einen Drogendeal­er schnappen, dann erhält er die Todesstraf­e‘.“

Bereits zuvor hatte Trump den philippini­schen Präsidente­n Rodrigo Duterte für seine „großartige Arbeit“im Zusammenha­ng mit dem Kampf gegen den Drogenhand­el gelobt. Das philippini­sche Repräsenta­ntenhaus hat bereits ein Gesetz auf Schiene gebracht, das die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e ermögliche­n soll.

Eine Kehrtwende der US-Politik bei der Verhängung und Exekution von Todesurtei­len könnte das Land in der Statistik wieder nach oben wandern lassen. 2017 war es bereits das zweite Jahr in Folge nicht mehr unter den fünf Nationen, die die meisten Menschen hinrichtet­en. Wobei es im Vergleich zu 2016 wieder einen leichten Anstieg von 20 auf 23 Exekutione­n gab.

Für Sangiorgio ist klar, dass die Ankündigun­gen aus Malawi, den USA und den Philippine­n „emotionale Aufrufe sind, die dem Kampf gegen Drogen entgegenst­ehen“. Für sie ist es „beunruhige­nd, dass Staatschef­s ihren Einfluss dazu nutzen, Menschenre­chte zu verletzen“. Denn: „Die Zeiten haben sich geändert. Trump, Duterte oder Mutharika sollten sich die Fakten ansehen, anstatt die Öffentlich­keit aufzuhetze­n.“

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