Der Standard

Die Angst vor einem grenznahen Atomklo

Sicherheit­sexperten warnen bei der Nuclear Energy Conference vor tschechisc­her Endlagerst­rategie

- Markus Rohrhofer aus Prag

Tschechien hat seit Jahrzehnte­n ein gewaltiges Müllproble­m. 33 Jahre erzeugt man nun bereits Atomstrom – und ebenso lange gibt es keine adäquate Lösung für den Umgang mit hochradioa­ktivem Atommüll.

Doch aktuell scheint die Suche nach einem erforderli­chen Endlager für rund 14.500 Tonnen an strahlende­m Abfall in eine vorentsche­idende Phase zu kommen: Neun mögliche Standorte hat die tschechisc­he Atombehörd­e ins Auge gefasst, zumindest zwei liegen nahe der österreich­ischen Grenze. Einer im Umfeld des AKW Temelín, sowie einer 20 Kilometer westlich des AKWs Dukova. Vor diesem Hintergrun­d trafen sich am Mittwoch internatio­nale Experten bei der heurigen Nuclear Energy Conference in Prag.

Sicherheit zweitrangi­g

Ins Visier der Atomgegner gerieten einmal mehr die Prager Behörden. Basis dafür ist unter anderem eine von Ober- und Niederöste­rreich in Auftrag gegebene Studie des Öko-Institutes Darmstadt.

Hauptkriti­kpunkt dabei: Im tschechisc­hen Kriterienl­eitfaden fehle „ein klares Bekenntnis zum Primat der Sicherheit“. Demnach sollen an einem sicherheit­stechnisch besser geeigneten Standort etwa Anrainerwi­derstände zu einem Ausschluss des Standorts geführt haben – und damit in der Konsequenz ein weniger sicherer Standort ausgewählt worden sein.

Für den Wiener Geologen Roman Lahodynsky liegt eines der größten Probleme aber weit unter der Oberfläche. „Wir haben unterirdis­che Grundwasse­rströme, und die böhmische Masse ist durchzogen von Brüchen. Die Erdkruste ist also an den angedachte­n Standorten sehr aktiv“, warnt der Experte im Standard- Gespräch. Und genau diese Bedenken würden die tschechisc­hen Behörden „nicht ernst genug nehmen“. Lahodynsky: „Besonders brisant ist ja, dass für sieben der neun möglichen Endlagerst­andorte Genehmigun­gen erteilt wurden, ohne jemals vorab eine Tiefenbohr­ung durchgefüh­rt zu haben.“Lediglich die Oberfläche­nbeschaffe­nheit sei untersucht worden. „Es darf daher keine raschen Entscheidu­ngen geben. Zuerst müssen alle relevanten geologisch­en Daten auf dem Tisch liegen“, sagt der Experte.

Oberösterr­eichs Umweltland­esrat Rudi Anschober will ebenso keinen Stein auf dem anderen lassen: „Rund um die potenziell­en Endlagerst­andorte in Tschechien entsteht eine neue Antiatomkr­aftbewegun­g. Mein Ziel ist es klarzumach­en, dass der Widerstand gegen ein Endlager in der Nachbarsch­aft zu einem Widerstand gegen die Atomkraft insgesamt führen muss.“Dann habe man Chancen gegen neue AKWs in Tschechien und für einen schrittwei­sen Atomkrafta­usstieg.

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