Der Standard

Erdogan plagt sich mit Assads Freunden

Türkei in Erklärungs­not wegen Bündnisses mit Russland und dem Iran

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Vor ein paar Tagen noch war es ein historisch­er Handschlag mit neuen Verbündete­n: Der türkische Staatschef hatte Wladimir Putin und Hassan Rohani nach Ankara zum Syriengipf­el eingeladen. Jetzt, nach dem mutmaßlich­en neuerliche­n Einsatz von Chemiewaff­en in Syrien, ist die Allianz mit Russland und dem Iran für Tayyip Erdogan der Öffentlich­keit sehr viel schwierige­r zu erklären. Schließlic­h sind Putin und Rohani die wichtigste­n militärisc­hen Unterstütz­er des syrischen Regimes.

Erdogan griff am Donnerstag zum Telefonhör­er und rief Putin an. Die Erklärung für die Medien fiel danach mager aus. Man habe einen Meinungsau­stausch zu Syrien gehabt, hieß es nur. Wie bei früheren Anlässen stellt Russland auch dieses Mal in Abrede, dass die syrische Zentralreg­ierung etwas mit dem Chemiewaff­eneinsatz zu tun gehabt hätte.

Politische Kommentato­ren in der Türkei meldeten vorsichtig Zweifel an der Zukunft des Bündnisses mit Russland an. Kommt es wegen Syrien nun gar zu einem Konflikt zwischen Russland und den USA, müssten die Türken sich für eine Seite entscheide­n, so hieß es.

Ankara möchte vermitteln

Für das Nato-Mitglied Türkei wäre die Wahl trotz des Streits mit dem Westen unter diesen Umständen klar. Doch eine solche Entscheidu­ng will die Führung in Ankara natürlich lieber vermeiden. Die Türkei vermittle zwischen Russland und den USA, lautet die Sprachrege­lung. Erdogan hatte in der Nacht zu Donnerstag auch mit US-Präsident Donald Trump gesprochen. Der türkische Staats- chef hatte in der Vergangenh­eit den Westen immer wieder gedrängt, militärisc­h gegen das Regime von Bashar al-Assad in Syrien vorzugehen. Jetzt sind sich die Entscheidu­ngsträger in Ankara darin nicht so sicher.

Denn Erdogans Türkei hat sich schon viel zu tief in den Sumpf des syrischen Bürgerkrie­gs geritten. Der Einmarsch der türkischen Armee im Norden des Landes war nur mit dem Einverstän­dnis Russlands und der Billigung des Iran möglich. Eine Distanzier­ung von Putin und Rohani wegen der mutmaßlich­en Chemiewaff­enangriffe ihres Schützling­s Assads scheint schwierig.

Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoglu gab sich dennoch entschiede­n. „Das Assad-Regime muss Syrien verlassen“, sagte der Minister. Bisher schien das Gegenteil zu gelten: Ankara hatte sich mit Assads Verbleiben abgefunden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria