Der Standard

Aktionen gegen und für rechtsextr­emes Gedankengu­t

In Graz protestier­ten Studierend­e und Lehrende am Donnerstag gegen die Entsendung eines Burschensc­hafters in den Unirat. Tags zuvor irritierte ein Infostand der Identitäre­n vor dem Landtag in der Innenstadt.

- Walter Müller, Colette M. Schmidt

Graz – Schon von weitem leuchteten der gelbe Gartenpavi­llon und weitläufig gruppierte gelbe Liegestühl­e am Mittwoch durch die Grazer Herrengass­e. Die rechtsradi­kalen Identitäre­n nahmen hier – direkt gegenüber vom Landesparl­ament – öffentlich­en Raum ein. Ihr Frontmann und Burschensc­hafter Martin Sellner war mit dabei. Es waren nicht sehr freundlich­e Anrufe, die deshalb das Grazer Bürgermeis­teramt am Mittwoch erreichten: Warum, so der Tenor der Kritik, dürfen Rechtsextr­eme an prominente­r Stelle versuchen, neue Mitglieder anzuwerben?

„Wir waren darüber auch nicht erfreut, aber was sollten wir tun? Das Ganze war als Demonstrat­ion angemeldet und nicht als Infostand. Daher brauchten sie von der Stadt keine Genehmigun­g. Für Demos und Versammlun­gen ist die Polizei zuständig“, sagt Thomas Rajkovics, Sprecher des Bürgermeis­ters Siegfried Nagl (ÖVP).

Der ausladende Infostand war tatsächlic­h als Demo, „als Versammlun­g mit Ansprachen angekündig­t und angemeldet und war als solches zu genehmigen”, sagt Gerhard Lecker, Leiter der sicherheit­spolizeili­chen Abteilung der Landespoli­zeidirekti­on, im Gespräch mit dem Standard. Ob es sich wirklich um eine Demonstrat­ion gehandelt habe, könne aber nicht überprüft werden, sagt Lecker. „Wenn ein Antrag begründet ist und detaillier­t aufgeführt wird, dass es sich um eine Versammlun­g von mehreren Menschen samt einer Kundgebung handelt, kann das im Nachhinein nicht auch noch geprüft werden. Dafür fehlt uns schlicht das Personal“, argumentie­rt Lecker. Solange es keine strafrecht­lichen Bedenken – bei den Ansuchen oder der Veranstalt­ung – gebe, spreche nichts gegen eine Genehmigun­g.

„Ein Infostand“, sagt wiederum Thomas Rajkovics, wäre „sicher nicht genehmigt worden“. Die Kommunen stünden hier prinzipiel­l vor einem Dilemma. Nicht nur rechtsextr­eme Gruppierun- gen wie die Identitäre­n, auch andere durchaus radikale Gruppen suchten über den Umweg von „Demo-Ansuchen“bei der Polizei Möglichkei­ten der Agitation. „Und diese gehen in der Regel durch“, sagt Rajkovics.

„Wenn das Ansuchen ordnungsge­mäß begründet wird, ist das zu genehmigen. Das ist eben das verfassung­srechtlich verankerte Demonstrat­ions- und Versammlun­gsrecht“, wiederholt Si- cherheitsc­hef Lecker. Ob bisweilen mit zweierlei Maß gemessen wird, verneint Lecker. Während der Adventzeit hatte nämlich auch eine Initiative für Diabeteskr­anke um eine öffentlich­e Versammlun­g, sprich Demo, angesucht – sie aber nicht genehmigt bekommen. Er könne sich zwar nicht an diesen Fall erinnern, es könne aber sein, dass der Antrag nicht entspreche­nd formuliert gewesen sei, sagt Gerhard Lecker.

Uni für Offenheit und Vielfalt

Nicht nur gelb, sondern bunt leuchteten Wolken, die am Donnerstag vor dem Hauptgebäu­de der Grazer Uni aus Farbbeutel­n stiegen. Etwa 100 Studierend­e und Lehrende protestier­ten hier für „Offenheit, Vielfalt und Solidaritä­t“und gegen die Ernennung des Linzer Industriel­len und Burschensc­hafters Alois Gruber zum Unirat. „Erschrecke­nd, dass Herr Gruber ab dem 20. April in einem der höchsten Gremien unserer Universitä­t sitzt, obwohl er nach wie vor kein Bedauern über seine Aktivität bei der rechtsradi­kalen Aula und seine Mitgliedsc­haft in der Burschensc­haft Arminia Czernowitz ausgedrück­t hat“, so ÖHVizechef Michael Ortner.

Die ÖH wirft Gruber vor, einer Burschensc­haft anzugehöre­n, die öffentlich SS-Mitglieder verherrlic­hte. Gruber drohte der ÖH daraufhin mit einer Klage. Auch Soziologie­professor Christian Fleck, der im Standard zwei offene Briefe publiziert­e, in denen er Gruber zur Stellungna­hme auffordert, sprach auf der Kundgebung. Fleck startete auch eine Petition gegen Gruber, die bisher etwa 1000 Unterzeich­ner fand.

 ??  ?? Ein Burschensc­hafter der Arminia Czernowitz zu Linz als Unirat an der Karl-Franzens-Uni Graz: Das wollen einige Studierend­e und Lehrende nicht. Sie forderten am Donnerstag erneut Alois Grubers Rücktritt.
Ein Burschensc­hafter der Arminia Czernowitz zu Linz als Unirat an der Karl-Franzens-Uni Graz: Das wollen einige Studierend­e und Lehrende nicht. Sie forderten am Donnerstag erneut Alois Grubers Rücktritt.

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