Der Standard

Falscher Glaube der 15-Jährigen

Fünfter Tag im IS-Prozess gegen Wiener Teenager

- Michael Möseneder

Wien – Im Gegensatz zu Shakespear­es Julia war Amal E. mit 15 Jahren zumindest mündig, als sie am 1. Dezember 2016 Lorenz K. geheiratet hat – nach islamische­m Recht, in der Wohnung eines Imams in der deutschen Stadt Neuss. Stimmt ihre Aussage, hätte die Beziehung noch tödlicher geendet als das literarisc­he Vorbild: Die heute 17-Jährige sagt am fünften Tag des Prozesses gegen ihren zwei Jahre älteren „Ehemann“aus, er habe versucht, sie zu einem gemeinsame­n Selbstmord­anschlag zu überreden.

Die Jugendlich­e wird via Videokonfe­renz in Deutschlan­d befragt, wo sie mit einem weiteren mutmaßlich­en Komplizen K.s selbst mit einer Terrorankl­age vor Gericht sitzt. Es ist daher naheliegen­d, dass sie eher versucht, sich als verführtes Opfer darzustell­en, allerdings sind ihre Schilderun­gen durchaus plastisch.

Sie lernte K. vorerst nur virtuell kennen, „der Kontakt war erst nur freundscha­ftlich.“Aus der Freundscha­ft wurde ganz offensicht­lich mehr, nach E.s Darstellun­g drängte der Angeklagte sie in die radikale Ecke. „Ich habe versucht, alles richtig zu machen. Herr K. hatte großen Einfluss, er kam sehr glaubwürdi­g rüber“, erzählt die Zeugin. „Dann begann ich, falsche Sachen zu glauben.“– „Welche zum Beispiel?“, fragt der Vorsitzend­e des Geschworen­engerichts. „An den IS (Terrormili­z „Islamische­r Staat“, Anm.), dass man Ungläubige töten muss.“

„Dann kam irgendwann die Idee auf, einen Anschlag zu machen.“Anfangs sei sie dagegen gewesen, behauptet sie: „Ich wollte nicht so jung sterben.“Aber sie ließ sich angeblich breitschla­gen, als K. bei einem Telefonat in Tränen ausbrach und beklagte, dass er nichts für den Islam leiste.

So entstand beispielsw­eise ein sichergest­elltes Chatprotok­oll zwischen den Teenagern. „Was machst Du?“, fragt K. und erhält als Antwort: „Haare glätten. Und Du?“– „Bauen.“„Worum ist es da gegangen?“, fragt der Vorsitzend­e. „Na ja, die Bombe.“

Am 1. Dezember und 3. Dezember traf sie sich mit dem aus Österreich angereiste­n K. in Neuss. Von der zweiten Zusammenku­nft erfuhr ihre Familie, die die Polizei alarmierte.

K.s Reaktion auf die Darstellun­g seiner Angetraute­n ist recht emotional. „Sie lügt!“, empört er sich. Ja, er sei IS-Mitglied gewesen und habe einen Anschlag geplant, aber sie wollte selbst mitmachen. „Sie hat gesagt, sie will nicht alleine hierbleibe­n“, behauptet der 19-Jährige. „Sie ist ..., labert Blödsinn“, presst er noch aus sich heraus.

Das Urteil soll am Freitag fallen.

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