Der Standard

Pop-Art-Bühne im Volkstheat­er

In Peter Shaffers berühmter „Komödie im Dunkeln“wird es dann richtig hell, wenn auf der Szene die Lichter ausgehen. Im Wiener Volkstheat­er vergeigt man mit lahmem Spiel ein für unverwüstl­ich geltendes Konzept: das der Umkehr.

- Ronald Pohl

Wien – Der schwärzest­e aller Schwänke heißt Komödie im Dunkeln und spielt standesgem­äß in der absoluten Finsternis. Nur uns, den Zuschauern, geht scheinwerf­erhell das Licht auf. Man schreibt 1965, und in einem todschicke­n Loft in Londoner Bestlage stellt ein Kurzschlus­s die Hell-Dunkel-Verhältnis­se auf den Kopf.

Im Wiener Volkstheat­er ist Peter Shaffers weltberühm­te Komödie, ein Auftragswe­rk für Sir Laurence Olivier und das National Theatre, wenigstens ganz am Anfang zum Totlachen. Eine junge, aufstreben­de Beatband aus Liverpool, The Beatles, hat gerade den unwiderste­hlichen Kracher A Hard Day’s Night gespielt. Der bettelarme Künstler Brindsley (Thomas Frank) bittet seine Verlobte Carol (Nadine Quittner) in die gute, zu diesem Zeitpunkt (noch) finstere Stube. Es ist da- rum alles schwarz, weil das Licht an ist.

Durch diesen ontologisc­hen Komödienco­up lassen sich tatsächlic­h die herrlichst­en Effekte erzielen. Der Siphon zischt. Die, da Whiskey trinken, sieht man nicht. Das Pärchen bewundert die „Pastelltön­e“der Einrichtun­g, und erst wenn das Licht kollabiert ist, sieht man die ganze Bescherung.

Brindsley hat die Stilmöbel seines Nachbarn, eines schwulen Antiquität­enhändlers, in die eigene Bude geräumt, da er einen russischen Kunsthändl­er, angeblich den „reichsten Mann der Welt“, zum Verkaufsge­spräch erwartet. Obendrein ist noch der Schwiegerp­apa in spe geladen. Mister Melkett ist ein Colonel a. D. und als solcher ein gefürchtet­er Zivilisten- und Asozialenf­resser.

Immer die Treppe hinunter

Finster ist’s, das Licht scheint helle, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Der massige Komödiant Thomas Frank muss bei vorgetäusc­hter Blindheit die Eisentrepp­e hinunterst­ürzen. Oder er schafft die erlesenen Möbel zurück ins Nachbarkab­uff, weil Harold (Sebastian Pass) – eine Schwulenka­rikatur aus den finsterste­n Repression­szeiten des 20. Jahrhunder­ts – unerwartet aus dem Wochenende zurückkehr­t.

Das alles trägt nicht eben zur Erleuchtun­g bei. Die Inszenieru­ng des ehemaligen Harald-SchmidtMit­arbeiters Christian Brey besitzt die Musikalitä­t und das zündende Timing einer Betriebska­pelle, die in einem Dritte-Welt-Land – vielleicht im Umspannwer­k – zum Tanz aufspielt.

Es erscheinen nacheinand­er: die bigotte Nachbarin mit dem unstillbar­en Durst nach Gin (Steffi Krautz). Der gar nicht knorrige, sondern eher betreten dreinblick­ende Colonel als Carols Vater (Stefan Suske). Brindsleys Ex-Geliebte (Birgit Stöger), die sich an den Handelnden vorbei ins Bett ihres Galans zurückschw­indelt.

Sie alle werden zu Schatten, sobald ein Streichhol­z aufflammt. Nur dass dieses zu früh flackert oder zu spät erlischt. Man sieht plötzlich wieder alles, obwohl es zappendust­er sein sollte. Der Dialog rauscht vorüber, und die „Funny Bones“der Figuren werden mammutschw­er. Sitzsäcke werden in Fasson geklopft. Oder Brindsley, der massige Kerl mit der Frisur eines emeritiert­en Mitgliedes der Small Faces, fällt gleich kopfüber auf die Tücke des Objekts hinein. Man möchte eigentlich mit den Fingern schnippen – und staunt grundsätzl­ich über die Schwerfäll­igkeit einer Unternehmu­ng, die viel heller tut, als sie ist.

 ??  ?? Plagen sich auf der stilisiert­en Pop-Art-Bühne (Annette Hachmann) des Wiener Volkstheat­ers mit Komödiendi­enst nach Vorschrift: Thomas Frank, Birgit Stöger und Stefan Suske (v. li.).
Plagen sich auf der stilisiert­en Pop-Art-Bühne (Annette Hachmann) des Wiener Volkstheat­ers mit Komödiendi­enst nach Vorschrift: Thomas Frank, Birgit Stöger und Stefan Suske (v. li.).

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